Bitte beachten:

Mit deutsch- und volkstümelndem sowie rechtsextremem und faschistischem Gedankengut habe ich nichts am Hut und nichts zu tun!

Mittwoch, 26. Februar 2014

Staatsstreich als Strafe für Nein-Sager

Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch wurde für sein Nein gegenüber dem Westen bestraft, wie andere vor ihm. Der Westen fordert von den Putschisten nun "Reformen" 

Der gewählte Präsident der Ukraine, Viktor Janukowitsch, ist nicht nur gestürzt, sondern wird den Meldungen zufolge inzwischen gar steckbrieflich gesucht. Das alles gehört nicht nur zu einem Staatsstreich, sondern auch zu einer Abrechnung und einem Rache-Feldzug. Es geht nicht nur gegen einen gewählten, aber von einigen gehassten Präsidenten. Davon künden die Meldungen über die regelrechte Denkmalstürmerei in der Ukraine, von der u.a. die ARD freudig am 23. Februar berichtete. Der fallen nicht nur die Lenin-Statuen in verschiedenen Orten zum Opfer, sondern sogar Denkmäler für die gefallenen Soldaten der Sowjetarmee, die gegen die faschistische deutsche Wehrmacht kämpften. Die haben zwar genauso wenig wie Lenin etwas mit Janukowitsch zu tun, aber das Geschehen zeigt, wer sich da in dem monatelangen Machtkampf auf der Straße durchgesetzt hat.

Zur Erinnerung: Janukowitsch wurde 2010 in freien und fairen Wahlen zum Präsidenten der Ukraine gewählt. Seine Wahl war auch das Ergebnis der Politik der „orangenen Revolutionäre“ unter Julia Timoschenko und Janukowitsch-Vorgänger Viktor Juschtschenko seit 2004. Wie ein demokratisch gewählter Präsident eines Landes zum von westlichen Politikern und Medien verteufelten Quasi-Diktator werden kann, scheint erstaunlich. Doch es ist nicht überraschend: Janukowitsch hat einmal zu oft Nein zu den Vorgaben des Westens gesagt. Nun ergeht es ihm wie schon anderen vor ihm, ob Slobodan Milosevic, Saddam Hussein, Muammar al-Gaddafi, Bashar al-Assad und andere vor diesen. Schon wurde er von Spiegel online wegen des Luxus in der Präsidenten-Datscha in diese Reihe gestellt. Einige von ihnen mussten es mit ihrem Leben bezahlen, dass sie den westlichen Interessen im Wege standen. Wie es Janukowitsch ergehen wird, bleibt abzuwarten, wird er doch gar des „Massenmordes“ bezichtigt.

Der gestürzte ukrainische Präsident war sicher kein Modell-Demokrat oder ähnliches. Sicher hat er auch sein Amt ausgenutzt, wie berichtet wurde. Janukowitsch gehörte wenig überraschend zu jenen, die sich nach dem Ende der Sowjetunion in den frühen 1990er Jahren bereicherten und heute als „Oligarchen“ bezeichnet werden. Er folgte dabei allerdings wie die anderem nur einem alten kapitalistischen Grundprinzip: "'Enrichissez vous' - Bereichert Euch! Mit dieser Parole kam das Juste Milieu des Großbürgertums, der Geldaristokratie einst in Frankreich zur Macht." An dieses "unschlagbare Programm von genialer Kürze", erinnerte Michael R. Krätke 2007 in einem Text. Als Präsident schaffte Janukowitsch nicht, was er bei seiner Wahl versprach und was sich viele in der Ukraine nach den „katastrophalen Jahren“ unter Timoschenko und Juschtschenko von ihm erhofften: „Stabilität und einen starken, zur Not auch autoritären Präsidenten, der sie aus der Krise führt“, wie es 2010 in der Zeit beschrieben wurde. Janukowitsch hat die sozialen Probleme in dem Land nicht bewältigt, die mit zu den Ursachen für die Proteste gegen ihn zählen dürften. Aber eines war er mit Sicherheit nicht, was uns manche Medienberichte, die ihn dem Propagandadrehbuch der Regimewechsler und Kriegstreiber gemäß dämonisieren, weismachen wollen: Ein Diktator. Mit solchen hatte und hat der ja Westen nie ein Problem – solange sie dessen Interessen nicht im Wege stehen.

Das Nein gegenüber der EU wurde zum Verhängnis


Dem ukrainischen Präsidenten wurde neben den enttäuschten Hoffnungen der Ukrainer zum Verhängnis, dass er sich den westlichen Interessen verweigerte, als er im November 2013 das Assoziierungsabkommen mit der EU auf Eis legte. Janukowitsch meinte, das Land sei „wirtschaftlich noch nicht reif für eine Partnerschaft mit der Europäischen Union“. Das hörten nicht nur jene in der Ukraine mit Schrecken, die sich ausgerechnet von der EU erhoffen, dass diese ihre Lage bessert. Während sie auf dem Kiewer Maidan-Platz protestieren gingen, wurden im Westen die Regimewechsler aktiv. Janukowitsch hatte sich auch erlaubt zu sagen, dass das Abkommen mit der EU erst unterzeichnet werde, „wenn es unseren Interessen entspricht, wenn wir unter normalen Bedingungen verhandeln können“. Dazu bezeichnete er auch noch das Verhalten des Internationalen Währungsfonds als „erniedrigend“. Das rief jene auf den Plan, die seit vielen Jahren die Ukraine als Bollwerk gegen den „russischen Imperialismus“ sehen, um die eigene Vorherrschaft zu sichern.

Es ging und geht dabei auch um die wirtschaftlichen Interessen der westlichen Unternehmen, die von den Politikern der EU und USA vertreten und verteidigt werden. Mit dem Assoziierungsabkommen sollten die „vier kapitalistischen Freiheiten in den internationalen Beziehungen: freier Verkehr von Waren, Kapital, Dienstleistungen und - quotiert – Arbeitskraft“ vertraglich gesichert werden, wie Hannes Hofbauer am 2. Dezember 2013 in der Tageszeitung Neues Deutschland klarstellte. Nicht nur die Ukraine sollte dem Ende November in Vilnius zustimmen, auch Moldova, Georgien, Armenien, Aserbaidshan und Belarus. Doch nur die moldawische und die georgische Delegation unterschrieben ein solches Abkommen. Das späte Nein aus Kiew habe nicht nur etwas mit der von Brüssel angestrebten  Militärkooperation zu tun. Diese „würde nicht nur in Sewastopol, wo die russische Marine stationiert ist, geopolitische Sprengkraft entfalten“.

Hofbauer verwies auf die ukrainische Außenhandelsstruktur als einen Grund für das Nein: „Die Exporte in die EU beschränken sich nämlich hauptsächlich auf Rohstoffe wie Kohle und Stahl, während in Richtung Russland Maschinen und Lebensmittel geliefert werden. Ukrainische Industrieprodukte sind am EU-Markt nicht konkurrenzfähig, weshalb das EU-Versprechen auf Markterweiterung ein einseitiges ist. Profitieren würden nur Westfirmen, die sowohl einen großen Absatzmarkt als auch den ukrainischen Arbeitsmarkt, auf dem der durchschnittliche Monatslohn knapp 300 Euro brutto beträgt, nützen könnten.“ Das ukrainische Nachgeben auf den russischen Druck habe auch etwas mit dem Gaspreis zu tun gehabt. Belarus, das der Zollunion mit Russland und Kasachstan angehört, muss für 1000 Kubikmeter sibirisches Gas 169 Dollar bezahlen. Der russische Monopolist Gazprom berechne der Ukraine dagegen aktuell 420 Dollar. „Moskau hatte damit schlicht die härteren ökonomischen Argumente auf seiner Seite.“ Die EU verlangte dagegen von der Ukraine weitere „Reformen im Pensionssystem und im öffentlichen Sektor“ sowie mehr Liberalisierung und Privatisierung „in Abstimmung mit der besten EU-Praxis“. Darauf machte Hofbauer in einem Beitrag in Heft 24 der Zeitschrift Lunapark 21 aufmerksam. Was die geforderte Privatisierung nach EU-Vorgaben bedeute, „kann man sich zwischen Rostock und Sofia ansehen“.

Hofbauer bezeichnete in der österreichischen Zeitung Die Presse das ukrainische Nein nicht nur als „ökonomisch vernünftig“. In Neues Deutschland bezifferte er auch den Preis, den Janukowitsch von der EU für ein Ja erwartete: „Er will von Brüssel 160 Milliarden Euro für den Fall, dass er doch noch unterschreiben sollte - und zwar als Kompensation für zu erwartende Ausfälle im Ostgeschäft.“ Damit dürfte er endgültig zu weit gegangen sein und den Westen gegen sich aufgebracht haben. Dass dessen Regimewechsler auch in Kiew aktiv wurden, davon zeugen nicht nur die vielen Politiker und Berater aus dem Westen, die sich nicht nur an den Feuern der Demonstranten auf dem Maidan-Platz wärmten. Am 30. November erklärte das US-Aussenministerium: „Wir werden weiter die Bestrebungen des ukrainischen Volkes unterstützen, eine wohlhabende europäische Demokratie zu werden. Die europäische Integration ist der sicherste Kurs für Wirtschaftswachstum und um die ukrainische Demokratie zu stärken.“ Das ist die Linie, die Zbigniew Brezinski schon 1997 in seinem Buch „Die einzige Weltmacht – Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ beschrieb. Die für Europa und Eurasien zuständige Abteilungsleiterin des US-Außenministeriums Victoria Nuland flog kurz darauf nach zu einer OSZE-Konferenz in Kiew, wo sie sich am 6. Dezember 2013 mit „Oppositionsführer“ Witali Klitschko traf. Auf der OSZE-Konferenz hatte sie zuvor wiederholt, wo die US-Regierung steht: „We stand with the people of Ukraine who see their future in Europe and want to bring their country back to economic health and unity.“ Vier Tage später versprach sie auf dem Maidan-Platz den Demonstranten Unterstützung, bevor sie Janukowitsch traf, um dem klarzumachen, was die USA von ihm erwarten. Nuland verteilte auf dem Maidan gemeinsam mit US-Botschafter Geoffrey Pyatt ganz gönnerhaft auch Versorgungspakete, an Demonstranten und Polizisten, die aber nur von den ersten angenommen wurden. Kurze Zeit später zeigte sie mit ihrer Bemerkung gegenüber Pyatt „Fuck the EU“, was sie von den europäischen Einmischungsversuchen hielt. Die US-Position zeichne sich dagegen „vor allem durch Ungeduld aus“, stellte die Neue Zürcher Zeitung am 8. Februar fest: „Das State Department dringt mit aller Kraft darauf, die Restauration der Verhältnisse vor der orangen Revolution durch Präsident Wiktor Janukowitsch und dessen Mentor im Moskauer Kreml zurückzudrängen, und zweifelt daran, dass die EU in der Lage ist, zu diesem Zweck genügend Härte zu zeigen.“ Die Schweizer Zeitung ging noch weiter: Nulands Bemerkung widerlege „die in Washington gern gemachte Behauptung, die Zukunft der Ukraine liege alleine in den Händen des ukrainischen Volks“.

Spuren der "Schakale" in Kiew


Wie weit die Unterstützung der US-Regierung für die gewalttätigen Barrikadenkämpfer in Kiew ist derzeit schwer zu belegen. Sicher bin ich mir, dass Nuland und Pyatt die rechten Kräfte von „Swoboda“ und „Rechter Sektor“ nicht zu Gewaltfreiheit aufriefen. Stephen Cohen hatte in der US-Zeitschrift The Nation am 11. Februar darauf hingewiesen, dass die mediale Aufregung um Nulands EU-Beleidigung nur ablenkte. Wichtiger sei gewesen, dass die US-Diplomaten planten, eine neue anti-russische Regierung in der Ukraine zu installieren und den gewählten Präsidenten „zu verdrängen oder zu neutralisieren“. Das bedeute einen Staatsstreich, machte Cohen aufmerksam. Das Geschehen in Kiew bis zur Absetzung und Flucht von Janukowitsch erinnerte mich u.a. an den CIA-gesteuerten Putsch im Iran 1953 gegen Mohammed Mossadegh. Die "Operation Ajax" wurde 60 Jahre später offiziell bestätigt. Sie "sollte mit einer massiven psychologischen Kampagne gegen Mossadegh vorbereitet werden", erinnerte Stephen Kinzer 2009 in seinem Buch "Im Dienste des Schah – CIA, MI6 und die Wurzeln des terrors im Nahen Osten". "Und dann sollte die Nachricht kommen, dass der Schah den Premierminister seines Amtes enthoben habe. Straßenbanden und Armeeeinheiten, deren Führer auf der gehaltsliste des CIA standen, würden jeden Widerstandsversuch von Mossadegh im Keim ersticken. ... Anfang August stand Teheran in Flammen. Vom CIA finanzierte Banden protestierten gegen Mossadegh, sie zogen mit Transparenten und Schahbildern durch die Straßen und skandierten royalistische Parolen. Parlamentsmitglieder und alle, die sonst noch beim bevorstehenden Staatsstreich hilfreich sein konnten, wurden von ausländischen Agenten bestochen.
Die Angriffe in der Presse gegen Mossadegh wurden immer heftger. In Artikeln wurden ihm Hang zum Kommunismus, Schielen nach dem Thron, jüdische Abstammung und insgeheime Sympathien für die Briten unterstellt. ..." (S. 33f.)

Janukowitsch ist sicher nicht mit Mossadegh vergleichbar, aber die Ereignisse und zugrunde liegenden Interessen ähneln sich dafür umso mehr. Sie erinnern mich auch daran, was John Perkins 2004 in seinem Buch "Bekenntnisse eines Economic Hit Man – Unterwegs im Dienste der Wirtschaftsmafia" beschrieb und in dem Film "Let's make money" berichtete: "„Wirtschaftskiller suchen ein Land mit Ressourcen aus, mit denen unsere Firmen arbeiten. Erdöl zum Beispiel. Dann arrangieren wir einen riesigen Kredit für das Land von der Weltbank oder einer ihrer Schwesterorganisationen. Doch dieses Geld kommt nie in diesem Land an. Stattdessen fließt es an unsere Firmen, die dafür riesige Infrastrukturprojekte in dem Land abwickeln. Dinge, die wenigen Reichen in dem Land nützen sowie unseren Firmen. Doch den meisten Menschen bringen sie nichts, weil sie zu arm dafür sind. Doch die arme Bevölkerung muss nun riesige Schulden abtragen, so riesig, dass sie sie niemals zurückzahlen können. Doch bei dem Versuch, die Schulden zurück zu zahlen, kommen sie in eine Lage, wo sie sich weder Gesundheits- noch Ausbildungsprogramme leisten können. So sagen die Wirtschaftskiller zu den Leuten: Ihr schuldet uns viel Geld. Ihr könnt eure Schulden nicht bezahlen, also zahlt uns in Naturalien. Verkauft euer Öl billig an unsere Ölfirmen, stimmt bei der nächsten kritischen UNO-Abstimmung mit uns. Unterstützt unsere Truppen, z.B. im Irak. ... Denn Tatsache ist: Wir schreiben die Gesetze. Wir kontrollieren die Weltbank. Wir kontrollieren den Internationalen Währungsfonds. Wir kontrollieren sogar die UNO in hohem Maße. Wir schreiben also die Gesetze. Insofern tun Wirtschaftskiller nichts Ungesetzliches. Ländern große Schulden aufbürden und dann eine Gegenleistung verlangen, ist nicht verboten. Es sollte verboten sein, ist es aber nicht.“ Wenn es den Wirtschaftskillern einmal nicht gelinge, die Regierung eines Landes zu korrumpieren, würden die Schakale losgeschickt, erklärt Perkins: „Das sind Menschen, die Regierungen stürzen oder deren Führer ermorden." Sie seien immer da, "sie lauern im Schatten", so Perkins im Buch. "Wenn sie auftauchen, werden Staatschefs gestürzt oder sterben bei 'Unfällen'." (S. 28) Im Buch und in dem Film verweist er auf ein anderes Beispiel: "Saddam Hussein drohte, Erdöl auch gegen eine andere Währung zu verkaufen. Kurz bevor er gestürzt wurde ... Hätte er nachgegeben, würde er heute noch regieren. Wir würden ihm Flugzeuge und Panzer und sonst noch alles Mögliche verkaufen.“ Die Ukraine hat zwar kein Erdöl, aber neben ihrer geopolitischen Bedeutung riesige Eisenerzvorkommen zu bieten. "Die Ukraine ist Europas wichtigstes Eisenerzlager", so ein Online-Magazin für Investoren im Jahr 2008. "Das Potenzial der ukrainischen Eisenerzförderung als Schlüsselindustrie für West- und Osteuropa sowie Westrussland ist enorm." Die Ukraine sei der weltweit sechstgrößte Eisenerzförderer.

Übrigens hatte Brzezinski schon 1997 Nulands Kritik an der angeblich zu „weichen“ EU-Politik in Sachen Regimewechsel in der Ukraine vorweggenommen: „Weder Frankreich noch Deutschland ist stark genug, um Europa nach seinen Vorstellungen zu bauen oder mit Rußland die strittigen Probleme zu lösen, die eine Festlegung der geographischen Reichweite Europas zwangsläufig aufwirft. Dies erfordert ein energisches, konzentriertes und entschlossenes Einwirken Amerikas besonders auf die Deutschen, um die Ausdehnung Europas zu bestimmen und um mit – vor allem für Rußland – derart heiklen Angelegenheiten wie dem etwaigen Status der baltischen Staaten und der Ukraine innerhalb des europäischen Staatenbundes fertig zu werden.“ (S. 110, Taschenbuchausgabe 1999) In der Bundesrepublik wurden die Signale aus Washington anscheinend inzwischen verstanden. Zwei Mitarbeiter der SPD-nahen Friedrich Ebert-Stiftung schrieben am 21. Februar: „… nun liegt es allerdings an uns Europäern unter Beweis zu stellen – wenngleich möglicherweise zu spät –, dass Nulands Aussage auch inhaltlich fehlgeht.“ Unfreiwillig benennen die beiden Autoren in einer Zwischenüberschrift die westliche Strategie: „Wenn Kritik nicht ausreicht: Die Eskalation in der Ukraine“. In dem Text wird klar gestellt: „Einer zukünftigen ukrainischen Regierung muss eine rasche Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU ermöglicht werden. Grundvoraussetzung hierfür ist die vollständige Erfüllung der notwendigen Reformbedingungen.“ Dass die deutschen Politiker, auch die Sozialdemokraten, verstanden haben, hat Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier eindrücklich belegt. „Der deutsche Außenminister setzt die Agenda in der Ukraine; Frank-Walter Steinmeier – und nicht die EU-Chefdiplomatin Lady Ashton! – vermittelt ein Abkommen zwischen Regierung und Opposition“, so Jörg Kronauer in der Tageszeitung junge Welt am 26. Februar. „Berlin gibt seinen Segen, als die Opposition tags drauf das Abkommen bricht und per Umsturz die Macht an sich reißt.“ Wie weit das geht, beschreibt das Blatt an anderer Stelle: „Nach Monaten verdeckter Koordination mit ukrainischen Faschisten hat sich das Auswärtige Amt nun offen zu seiner Kooperation mit der Swoboda-Partei bekannt: Das Ministerium zeigt auf seiner Website ein Foto, das deren Führer Oleg Tjagnibok bei Verhandlungen mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier in den Räumen der deutschen Botschaft in Kiew zeigt.“

Verhebt sich der Westen an der Ukraine?


Inzwischen haben die Putschisten, die Janukowitsch stürzten, angekündigt, die Ukraine dem Westen auf dem Silbertablett zu servieren. Es gibt zwar noch keine berufene „Übergangsregierung“, aber eine solche wurde vom Westen schon vorbehaltlos anerkannt. „Der kommissarisch amtierende Finanzminister der Ukraine, Juri Kolobow, schlug in Kiew eine internationale Geberkonferenz für sein Land vor“, meldete u.a. die Deutsche Welle am 24. Februar. Spiegel online machte den Mann gleich zum richtigen Finanzminister und nannte ihn in Kobolow um. Solche Details scheinen aber unwichtig, bettelte er doch den Westen um Hilfe an: "Wir haben unseren internationalen Partnern vorgeschlagen, uns innerhalb der nächsten ein bis zwei Wochen Kredite zu gewähren." Die in den Berichten benannten notwendigen 25 bis 35 Milliarden Euro für die Ukraine sind doch deutlich weniger als der von Janukowitsch benannte "Preis" von 165 Milliarden Euro. Die Gegenleistung, die der gestürzte Präsident noch verweigerte, haben EU, USA und Internationaler Währungsfonds (IWF) auch schon klargemacht: Ein entsprechendes Abkommen „müsse einschneidende Reformen vorsehen, die das Land bisher nicht umgesetzt habe“, schrieb das Handelsblatt am 25. Februar. „Im Westen sorgt man sich bereits, daß bei ausbleibenden Rentenzahlungen, steigenden Lebensmittelpreisen und unbezahlbarer Energie ‚der Geist des Maidan schnell verfliegen könnte‘“, meinte Reiner Rupp in der Zeitung junge Welt am gleichen Tag. „An der Ukraine scheint sich die westliche Umsturzgemeinschaft verhoben zu haben“, so seine Einschätzung. Wenn der Kreml auf die Entwicklungen bisher ruhig und besonnen reagiert habe, "so dürfte das auch damit zu tun haben, daß er – was die Ukraine betrifft – am längeren Hebel sitzt". Der weitere Gang der Dinge wird zeigen, wer die Ukraine für zu leicht befand.

Nachtrag vom 2.3.2014: Ich hatte vergessen, auf einen interessanten und passenden Beitrag von Lutz Herden zum Thema auf freitag.de hinzuweisen, was hiermit nachgeholt sei: "Absturz, Sturz, Umsturz?"

Nachtrag vom 6.3.14: "BRÜSSEL--Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk will das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union so schnell wie möglich unterzeichnen. "Wir sind fest davon überzeugt, dass die EU die Ukraine unterstützt, und wir sind auch überzeugt, dass die EU und die Ukraine ein Assoziierungsabkommen unterschreiben werden", sagte der Politiker nach dem Treffen mit den EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag in Brüssel." (Quelle) In der Schule wurde das mit "w.z.b.w. = was zu beweisen war" abgeschlossen. Vor allem bei der unvollständigen Nachricht, bei der es noch heißt: "Der abgedankte Präsident Viktor Janukowitsch hatte das Abkommen Ende November unter den Tisch fallen lassen und damit die Massenproteste auf dem Unabhängigkeitsplatz ausgelöst, die schließlich zu seiner Absetzung führten." Da wird weggelassen, dass Janukowitsch nur Bedingungen für seine Unterschrift stellte und dass es am 12. Dezember 2013 u.a. beim ZDF hieß: "Der stellvertretende Regierungschef kündigte an, sein Land werde das Freihandels- und Assoziierungsabkommen mit der EU bald unterzeichnen - und dabei die nationalen Interessen berücksichtigen." Dann blockierte aber die EU, wie am 15. Dezember 2013 u.a. Spiegel online meldete: "Die EU-Kommission verliert die Geduld mit der ukrainischen Regierung. Die Arbeit an dem geplanten Partnerschaftsabkommen mit dem Land sei vorerst gestoppt, teilte der zuständige Kommissar mit." da hatten die Proteste auf dem Maidan-Platz längst ihren (gewünschten) Lauf genommen ...

aktualisiert: 6.3.2014;18:46 Uhr

Mittwoch, 19. Februar 2014

Der Blick eines Schachspielers auf die Ukraine und Russland

Angesichts der aktuellen Ereignisse in der Ukraine und der verschiedenen Hintergründe für die Entwicklung in dem Land ein Blick in das Buch von Zbigniew Brzezinski "Die einzige Weltmacht - Amerikas Strategie der Vorherrschaft" (Taschenbuchausgabe 1999; original "The Grand Chessboard. American Primary and Its Geostratetic Imperatives" 1997). Darin beschrieb der einstige Sicherheitsberater von US-Präsident James E. Carter, was aus seiner Sicht gut für die Ukraine und Rußland wäre und auch warum:

S. 67f.: "Die Ukraine, Aserbaidschan, Südkorea, die Türkei und der Iran stellen geopolitische Dreh- und Angelpunkte von entscheidender Bedeutung dar, ..."

S. 74f.: "Die Ukraine, ein neuer und wichtiger Raum auf dem eurasischen Schachbrett, ist ein geopolitischer Dreh- und Angelpunkt, weil ihre bloße Existenz als unabhängiger Staat zur Umwandlung Rußlands beiträgt. Ohne die Ukraine ist Rußland kein eurasisches Reich mehr. Es kann trotzdem nach einem imperialen Status streben, würde aber dann ein vorwiegend asiatisches Reich werden, das aller Wahrscheinlichkeit nach in lähmende Konflikte mit aufbegehrenden Zentralasiaten hineingezogen werden würde ...
Wenn Moskau allerdings die Herrschaft über die Ukraine mit ihren 52 Millionen Menschen, bedeutenden Bodenschätzen und dem Zugang zum Schwarzen Meer wiedergewinnen sollte, erlangte Rußland automatisch die Mittel, ein mächtiges Europa und Asien umspannendes Reich zu werden. ..."

S. 105: "Auf der Europa-Karte könnte die Zone, die für Deutschland von besonderem Interesse ist, in der Form eines Rechtecks eingezeichnet werden, das im Westen natürlich Frankreich einschließt und im Osten die erst vor kurzem in die Freiheit entlassenen postkommunistischen Staaten Mitteleuropas einschließlich der baltischen Republiken, Weißrußlands und der Ukraine umfaßt, und sogar bis nach Rußland reinreicht. ..."

S. 127: "...Irgendwann zwischen 2005 und 2010 sollte die Ukraine für ernsthafte Verhandlungen sowohl mit der EU als auch mit der NATO bereit sein, insbesondere wenn in der Zwischenzeit bedeutende Fortschritte bei seinen innenpolitischen Reformen vorzuweisen und sich deutlicher als ein mitteleuropäischer Stat ausgewiesen hat. ..."

Karte auf S. 128: "Jenseits des Jahres 2010: Die kritische Zone für die Sicherheit Europas [umfasst Frankreich, Deutschland, Polen und die Ukraine]"

S. 152f.: "In der seit spätestens 1994 zunehmenden Tendenz der USA, den amerikanisch-ukrainischen Beziehungen höchste Priorität beizumessen und der Ukraine ihre neue nationale Freiheit bewahren zu helfen, erblickten viele in Moskau ... eine gegen das vitale russische Interesse gerichtete Politik, die Ukraine wieder in den Schoß der Gemeinschaft zurückzuholen. ..."

S. 165f.: "Die Entschlossenheit der Ukraine, sich ihre Unabhängigkeit zu bewahren, erhielt Unterstützung von außen. Obwohl der Westen, vor allem die Vereinigten Staaten, die geopolitische Bedeutung eines souveränen ukrainischen Staates erst reichlich spät erkannt hatte, waren um Mitte der neunziger jahre sowohl Amerika als auch Deutschland zu eifrigen Förderern einer eigenständigen Identität Kiews geworden. Im Juli 1996 erklärte der amerikanische Verteidigungsminister: Die Bedeutung der unabhängigen Ukraine ist für die Sicherheit und Stabilität von ganz Europa nicht zu überschätzen, ..."

S. 216: "Die Staaten, die Amerikas stärkste geopolitische Unterstützung verdienen, sind Aserbaidschan, Usbekistan und ... die Ukraine, da alle drei geopolitische Dreh- und Angelpunkte darstellen. Die Rolle Kiews bestätigt fraglos die These, daß die Ukraine der kritische Punkt ist, wenn es um Rußlands eigene künftige Entwicklung geht. ..."

Für Rußland hat Brzezinski auf S. 288f. die "richtigen Schlußfolgerungen" parat: "Angesichts der enormen Ausdehnung und Vielfalt des Landes würde wahrscheinlich ein dezentralisiertes politisches System auf marktwirtschaftlicher Basis das kreative Potential des russischen Volkes wie der riesigen Bodenschätze des Landes besser zur Entfaltung bringen. Umgekehrt wäre ein dezentralisiertes Rußland weniger anfällig für imperialistische Propaganda. Einem lockerer konföderierten Rußland – bestehend aus einem europäischen Rußland, einer sibirischen Republik und einer fernöstlichen Republik – fiele es auch leichter, enge Wirtschaftsbeziehungen mit Europa, den neuen Staaten Zentralasiens und dem osten zu pflegen ...
Eine klare Entscheidung Rußlands für die europäische Option und gegen die eines großrussischen Reiches wird dann wahrscheinlicher, wenn Amerika erfolgreich die zweite, unbedingt erforderliche Linie seiner Strategie gegenüber Rußland verfolgt: nämlich den derzeit herrschenden geopolitischen Pluralismus im postsowjetischen Raum zu stärken, um damit allen imperialen Versuchungen den Boden zu entziehen. ..."

Brzezinski am 10.12.2013 in der Financial Times: "Komme was wolle, die Ereignisse in der Ukraine sind historisch unumkehrbar und geopolitisch transformatorisch . Eher früher als später wird die Ukraine wirklich ein Teil des demokratischen Europa sein; eher später als früher wird Russland folgen, falls es sich nicht isoliert und ein halb stagnierendes imperialistisches Relikt wird. ..."

KyivPost am 15. Januar 2014: "Zbigniew Brzezinski offers support for Ukraine's EuroMaidan". Zwei Tage später gab es das Video-Interview zum Nachlesen gedruckt.

aktualisiert: 20.2.14, 14:54 Uhr

Kriegstreiber kommen aus der Deckung

US-Außenminister John Kerry droht wieder mit „Flugverbotszone“ über Syrien nach dem Modell Libyen. Der Westen lässt den Krieg für das alte Ziel fortsetzen: Regimechange

Zwei Verhandlungsrunden in Genf sind ohne greifbares Ergebnis zu Ende gegangen. Nun kommen die westlichen Kriegstreiber und Regimewechsler samt ihrer arabischen und anderen Verbündeten wieder aus der Deckung. Sie geben der syrischen Regierungsseite und Russland samt Iran die Schuld, dass „Genf II“ nicht brachte, was sie selbst nicht wollten: Eine Chance auf Frieden für Syrien. Unverfroren verfahren sie dabei nach dem Prinzip „Haltet den Dieb!“, so zum Beispiel Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Der erklärte am 16. Februar, die ergebnislosen Gespräche zeigten „einmal mehr, dass Assad und seine Leute nicht ernsthaft an Verhandlungen interessiert sind, sie wollen nur ihre Macht sichern“. Nicht anders US-Außenminister John Kerry, der am gleichen Tag behauptete, Syriens Präsident Bashar al-Assad habe einen Durchbruch bei den Verhandlungen in Genf behindert. Einen Tag später legte Kerry nach und beschuldigte Russland, die Aussichten auf eine Verhandlungslösung zu untergraben. Das sei durch Waffenlieferungen für die syrischen Regierungstruppen und die politische Unterstützung für Assad geschehen. Was die von Kerry angekündigte Suche von US-Präsident Barack Obama „nach neuen Wegen zur politischen Lösung der Syrien-Krise“ bedeutet, fasste Spiegel online am 18. Februar so zusammen: „Die Strategen in Washington sind zum dem Schluss gekommen, dass eine neue Verhandlungsrunde nur Erfolg verspricht, wenn Assad zuvor militärisch geschwächt wird.“ Das Magazin fasst Informationen aus Berichten von US-Medien wie der New York Times und Wallstreet Journal zusammen. Danach sollen US-genehme „Rebellen“-Gruppen Finanz- und Ausrüstungshilfen bekommen. Die US-Regierung wolle auch ihren bisherigen Widerstand gegen saudi-arabische Lieferungen von Flugabwehrraketen an die „Rebellen“ aufgeben. Auf diese Pläne hatte das Wallstreet Journal schon am 14. Februar aufmerksam gemacht. Vier Tage später berichtete das Blatt, dass sich Kerry auch erneut für eine Flugverbotszone über Syrien ausgesprochen habe. Damit sollen die auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel geforderten „humanitären Korridore“ in Syrien, aber vor allem die von „Rebellen“ gehaltenen Gebiete geschützt werden, wie Spiegel online klarstellte.

Dass der Westen alles, aber keinen Frieden für Syrien im Visier hat, ist nicht überraschend und wurde schon vor und während der Verhandlungen in Genf klar. Ihr Ziel war und bleibt der Sturz Assads, der Regimewechsel in Damaskus, koste es, was es wolle, egal wie viele Menschen das noch mit ihrem leben bezahlen müssen. Die westlichen Kriegstreiber und ihre Verbündeten wie Saudi-Arabien, Katar oder die Türkei kümmerte nicht, dass der Sturz Assads gar kein Verhandlungsgegenstand von „Genf II“ war. Der zugrundliegende Sechs-Punkte-Plan vom 30. Juni 2012 sieht zwar eine Übergangsregierung für Syrien vor, legt aber keinen Wechsel im Amt des Präsidenten fest. Daran hatte u.a. Karin Leukefeld am 28. Januar in der Tageszeitung junge Welt und am 1. Februar in der Tageszeitung Neues Deutschland erinnert. Der russische Außenminister Sergej Lawrow warf den USA am 14. Februar vor, diese habe die Friedensverhandlungen für einen Regimewechsel in Damaskus mißbraucht anstatt sich für ein Ende des Krieges einzusetzen.

Karin Leukefeld berichtete in Neues Deutschland am 17. Februar: „Die Regierungsdelegation aus Damaskus will das Genfer Abkommen Punkt für Punkt abarbeiten, wobei für sie das Ende der terroristischen Aktivitäten in Syrien und die Herstellung von Sicherheit und Stabilität an erster Stelle stehen. Die Delegation der Nationalen Koalition (Etilaf), die in Genf den Platz der Opposition eingenommen hatte, beharrt hingegen auf dem Rücktritt von Präsident Bashar al-Assad und seiner Regierung als Voraussetzung für alles weitere.“ Die syrische Regierung sei bereit gewesen, über eine Übergangsregierung zu verhandeln, hatte die österreichische Zeitung Die Presse am 14. Februar berichtet. Bedingung sei aber, dass der Terrorismus in Syrien bekämpft werde. Das gehörte erwartungsgemäß nicht ins Konzept der westlichen und arabischen Schirmherren der exilsyrischen Opposition und der „Rebellen“. Während noch die erste Verhandlungsrunde in Genf lief, meldeten u.a. die Nachrichtenagentur Reuters am 27. Januar, dass die USA sogenannte leichte Waffen, darunter auch Panzerabwehrraketen, an angeblich „moderate Rebellen“ liefern wollen.

Wohin der westliche Kurs führt, zeigt eine Meldung der Nachrichtenagentur AFP vom 18. Februar. Danach planen von US- und anderen westlichen Militärs in Jordanien ausgebildete „Rebellen“ eine Offensive auf Damaskus. "Im Moment haben wir nur Garantien für Waffenlieferungen aus den Ländern , die den Aufstand gegen Präsident Bashar al-Assad unterstützen“, zitiert AFP einen „Rebellen“-Kommandeur. Da dürfte die von Kerry wieder ins Spiel gebrachte „Flugverbotszone“ sehr willkommen sein. Es muss außerdem daran erinnert werden, dass „Flugverbotszonen“, „Schutzzonen“, der behauptete Schutz der Zivilbevölkerung und der so begründete Schlag gegen die eine Konfliktseite zum bewährtem Drehbuch der Kriegstreiber gehört. Das wurde noch nicht beiseite gelegt. „Flugverbotszone heißt Krieg“, warnte der Bundesausschuss Friedensratschlag vor drei Jahren, bevor die NATO-Bomben auf Libyen fielen. Selbst in der Zeit war am 8. März 2011 zu lesen: „Wer Flugverbotszone sagt, muss auch Krieg sagen“. Wie die nachfolgenden Ereignisse in Libyen diese Warnung bestätigten, muss sicher nicht an dieser Stelle wiederholt werden. Erinnert werden muss aber daran, dass die „Flugverbotszone“ über Libyen mit der Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrates begründet wurde. Es dürfte kein Zufall, dass Kerrys aktuelle Forderung nach einer solchen Zone zeitlich zusammenfällt mit westlichen Bemühungen für eine neue Resolution des UN-Sicherheitsrates zu Syrien. Der vorgelegte Entwurf „schafft die Grundlage für ein militärisches Eingreifen in Syrien“, warnte der russische Vizeaußenminister Gennadi Gatilow laut der Nachrichtenagentur RIA Novosti am 12. Februar.

All das zeigt auch, wie verlogen die Klage von westlichen Politikern wie Außenminister Steinmeier über das „Leiden der Syrer“ und ihre Sorge um „die Zukunft des Landes“ ist. Ein weiterer Beleg dafür ist der Umgang der EU mit den Flüchtlingen aus Syrien, die versuchen, dem Krieg zu entkommen. „In die Nachbarregion Europa haben es seit Beginn der Revolte gegen das Assad-Regime im März 2011 lediglich etwas mehr als 60.000 Schutzsu­chende geschafft - auf eigene Faust, unter Lebensgefahr.“ Das stellte Karl Kopp, Europareferent von Pro Asyl und Vorstandsmitglied im Europäischen Flüchtlingsrat ECRE, am 27. Januar in der Monatszeitung Graswurzelrevolution fest. Das kleine Nachbarland Libanon mit seinen 4,5 Millionen Einwoh­nern habe im selben Zeitraum bereits knapp 900.000 Flüchtlinge aufgenommen. „Es gibt bis heute keinen ernsthaften europäischen Beitrag zur aktiven Rettung oder Aufnahme von gestrandeten Schutzsuchenden aus Syrien“, stellte Kopp fest. „Es fand noch nicht einmal eine EU- Flüchtlingskonferenz zu dieser drängenden Frage statt.“ Der Umgang mit syrischen Flüchtlingen sei menschenverachtend und völkerrechtswidrig. Sie würden an den EU-Außengrenzen abgewiesen, „denjenigen, die es ins Land schaffen, wird das Leben zur Hölle gemacht“. Dabei gebe es „schwerste Menschen­rechtsverletzungen“ und „Straftaten“, berichtete Kopp, „aber sie geschehen und zwar tausendfach“.

"Sterbenlassen, abwehren und wegschauen", über die syrischen Flüchtlinge und den Umgang mit ihnen überschrieben. „Der Westen bringt Unglück“, bemerkte der Politikwissenschaftler Erhard Crome am 3. Februar in der Onlinezeitung Das Blättchen. „Nicht zuletzt die westlichen Eingriffe in die Entwicklungen in Libyen (direkt durch Militärintervention) und Syrien (indirekt) nach Beginn des ‚Arabischen Frühlings‘ haben ebenfalls zu Verschärfungen der Lage, zu zehntausenden Opfern und Staatszerfall geführt.“ Crome stellte fest: „Immer, wenn der Westen irgendwo interveniert hat seit Ende des Kalten Krieges, wurden Freiheit, Demokratie und Menschenrechte versprochen. In der Sache ging es vor allem um Handelserleichterungen und Marktzugang für die westlichen Firmen beziehungsweise um geopolitische Einflusssphären. Praktisch jedoch wurde stets weder das eine noch das andere erreicht, sondern das Chaos vergrößert und die Zahl der Opfer erhöht.“ Es scheint, als sei das Unglück für Syrien noch nicht schlimm genug.

Donnerstag, 13. Februar 2014

Wird der „Militärschlag“ gegen Syrien nachgeholt?

Ein unvollständiges Mosaik aus Nachrichten, die andeuten, dass der im September 2013 verschobene Angriff der USA auf Syrien nachgeholt werden könnte

Seit 10. Januar wird in Genf wieder versucht, unter Anleitung der UNO und der arabischen Liga die Vertreter der syrischen Regierung und der vom Westen geförderten und unterstützten syrischen Exil-Opposition und ihrer bewaffneten Marionetten zum Verhandeln zu bringen. Unterdessen geschieht manches, was auf den ersten Blick etwas eigenartig wirkt angesichts des aktuellen Versuches, zu einer friedlichen Lösung zu finden. Was da passiert, erscheint auch unzusammenhängend, doch nacheinander und nebeneinander betrachtet vermittelt es einen Anschein, der nichts Gutes verheißt. Es wirkt, als laufen Vorbereitungen, den im September abgesagten Eintritt des Westens in den offenen Krieg gegen Syrien demnächst nachzuholen.
Folgende Mosaiksteine lassen mich stutzig werden, wenn ich sie nebeneinander lege, weil sie zu einem gefährlichen Bild passen könnten:

• US-Außenminister John Kerry erklärte zum wiederholten Male am 25. Januar auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos, dass der syrische Präsident Bashar al-Assad zurücktreten muss. Damit wird klar, dass das westliche Ziel des Regimewechsels in Damaskus nicht aufgegeben wurde.

• Die USA behalten sich laut Präsident Barack Obama das Recht auf eine Militäroperation in Syrien vor, meldete die Nachrichtenagentur RIA Novosti am 11. Februar. Eine politische Regelung, also ein Regimechange ohne offenen Krieg, habe aber weiter Vorrang, erklärte Obama danach am 11. Februar auf einer gemeinsam Pressekonferenz in Washington mit seinem französischen Amtskollegen Francois Hollande. „Ich sage immer, dass ich mir dieses Recht vorbehalte“, betonte er und erinnerte daran, dass eine Militäroperation (in Syrien) im vergangenen Herbst für zweckmäßig befunden worden war." (siehe auch hier Obama im Original) Einen Tag später hieß es, die Diplomatie, der angebliche Hauptpfeiler der US-Politik in Sachen Syrien habe versagt. Das habe die Obama-Administration eingesehen, berichtete die Washington Post am 12. Februar. Während in Genf verhandelt werde ohne erkennbares Ergebnis, werde weiter gekämpft und zerstört. "Mit jedem Tag leiden mehr Menschen in Syrien", wurde Obama zitiert. "Der syrische Staat zerbröckelt. Das ist für Syrien schlecht. Es ist schlimm für die Region." Es sei auch schlecht für die "globale nationale Sicherheit", weil Extremisten das entstandene Machtvakuum in einigen Gebieten Syriens ausfüllten, "in einer Weise, die uns langfristig gefährden kann." Der Zeitung zufolge meinte der US-Präsident, die syrische Regierung sei nicht in der Lage, die Situation bewältigen zu können. Diese Einschätzung Obamas könnte einen möglichen Grund für eine Intervention liefern, um die radikalsten islamistischen Gruppen in Syrien zu bekämpfen, um zu verhindern, dass das Land dauerhaft zur neuen Ausgangsbasis für islamistische Terrorgruppen werden könnte.

• Ein anderes mögliches Motiv ist die "humanitäre Intervention" angesichts der Folgen des fortgesetzten Krieges in und gegen Syrien für die Menschen in dem Land, angesichts der Opfer, Zerstörungen und Flüchtlinge. Schon wird in führenden US-Medien wie der New York Times entsprechend getrommelt: Die hungernden Syrer müssen gerettet werden, forderten u.a. Danny Postel und Nader Hashemi vom Center for Middle East Studies an der Josef Korbel School of International Studies der Universität in Denver in der Zeitung am 11. Februar. Es müsse an die syrische Regierungsseite und an die "Rebellen" ein klares Signal übermittelt werden, fordern die beiden Autoren: "Die internationale Gemeinschaft ist, nachdem sie drei Jahre lang diese moralische und humanitäre Katastrophe von der Seitenlinie aus beobachtet hat, endlich bereit, zu handeln." Natürlich ist in solchen Texten kein Wort über die Rolle des Westens in diesem Krieg, als Anheizer und Brandstifter, sowie über die von den USA und ihren Verbündeten in den drei Jahren bewußt ausgeschlagenen Chancen einer friedlichen Lösung des Konflikts zu lesen. Aber wer fragt schon danach angesichts des Elends und Leides der Menschen in Syrien? Und wer will schon gegen humanitäre Hilfe für die Notleidenden sein? Wer Nein zu einer "humanitären Intervention" sagt, kann nur als menschenverachtend gelten, so die Logik dieser Kriegspropagandisten.

• Saudi-Arabien hatte Berichten zufolge am 7. Februar die UNO-Generalversammlung zu einer Sondersitzung zu Syrien aufgefordert, weil es dort Kriegsverbrechen gebe und die bisherigen Vereinbarungen nicht eingehalten worden seien. Es gebe auch keine Fortschritte bei der humanitären Situation in Syrien, hieß es in der Begründung der Saudis. Zudem wurden die Verhandlungen in Genf von vornherein als ergebnislos eingeschätzt. Damit geben ausgerechnet Kräfte vor, den Krieg in Syrien beenden zu wollen, die zu seinen aktivsten Anheizern zählen. Saudi-Arabien gehört mit Katar und weiteren Staaten des Golfkooperationsrates zu den größten Geldgebern und Ausrüstern diverser „Rebellen“-Gruppen in Syrien. Die Saudis finanzierten eine neue „Rebellen“-Gruppierung in Syrien, berichtete u.a. die Nachrichtenagentur UPI am 8. Oktober 2013. Der Ende letzten Jahres registrierte vermeintliche Bruch zwischen den engen Verbündeten USA und Saudi-Arabien, weil sich letzteres im Stich gelassen fühle, scheint gekittet und die Saudis wieder „auf Spur“ gebracht. Darauf deutete u.a. hin, dass der saudische König Abdullah ibn Abdulaziz eine umfangreiche »königliche Anordnung«, die jeden Saudi, der sich an terroristischen Aktivitäten beteiligt, mit hohen Haftstrafen droht. Das saudische „Geschenk an Obama“ könnte helfen, potenzielle Opfer unter Islamisten mit saudischem Pass bei einem Angriff der USA zu verringern. Auf diesen Kurswechsel in Riad machte u.a. Karin Leukefeld am 10. Februar in der Tageszeitung Neues Deutschland hin aufmerksam. Sie verwies auf einen Bericht der libanesischen Zeitung Al Akh-bar vom 7. Februar, dass Washington dem saudischen Königshaus bereits Ende vergangenen Jahres eine umfangreiche Dokumentation vorgelegt haben soll. Darin seien terroristische Aktivitäten in Syrien, Irak, Libanon, Jemen und selbst in Russland gegangen, mit den Saudi-Arabien zu tun habe. „Nach US-Lesart ist das nicht mit dem amerikanisch-saudischen Schutzabkommen aus dem Jahr 1945 vereinbar“, so Leukefeld. Das passt zu Berichten wie dem der libanesischen Zeitung Al-Manar vom 19. Januar, dass der (Ex-)US-Botschafter in Syrien Robert Ford gegenüber syrischen "Oppositionellen" klargemacht haben soll, dass die USA für Veränderungen im Machtgefüge Saudi-Arabiens sorgten. Der ehemalige saudische Geheimdienstchef Prinz Turki bin Faisal al-Saud hatte laut Leukefeld zudem auf dem Weltwirtschaftsforum Ende Januar in Davos von den USA erneut ein härteres Vorgehen gegen Syrien gefordert und verlangt, „im Sicherheitsrat eine Resolution durchzusetzen, damit Streitkräfte entsandt werden, um die Kämpfe in Syrien zu stoppen“.

• Diesem Wunsch wollen die USA und ihre Verbündeten anscheinend nun nachkommen, worauf Russland aufmerksam machte. „Der von den westlichen Ländern vorgeschlagene Entwurf einer Resolution des UN-Sicherheitsrates schafft die Grundlage für ein militärisches Eingreifen in Syrien“, meldete RIA Novosti am 12. Februar. „Sein Sinn und Ziel bestehen darin, die Basis für darauf folgende militärische Aktionen gegen die syrische Regierung zu schaffen, sollten irgendwelche darin enthaltenden Forderungen nicht erfüllt werden. Das wäre sehr einfach, da die humanitäre Situation sehr kompliziert ist“, wurde der russische Vize-Außenminister Gennadi Gatilow zitiert. Deshalb werde Russland dagegen stimmen, was erneut und erwartungsgemäß als russische Blockade „einer besseren Versorgung der syrischen Bevölkerung“ gemeldet wurde. In Washington versprach US-Präsident Obama, dass Aussenminister Kerry auf seinen russischen Amtskollegen Druck ausüben werde, berichtete u.a. die Neue Zürcher Zeitung. Der Zeitung zufolge lieferte der französische Uno-Botschafter Gérard Araud in New York die notwendige Kriegspropaganda, in dem er erklärte, dass in Syrien die schlimmste Not seit dem Genozid in Rwanda 1994 herrsche. Das syrische Regime setze die Hungersnot als Waffe ein.

• Ein weiteres Mosaikteil, das darauf hindeutet, dass der Militärschlag nachgeholt werden soll, könnte die Nachricht vom 12. Februar sein, dass die Bundesregierung die Fregatte „Augsburg“ ins Mittelmer schicken will. Das Schiff der Bundesmarine solle das US-Spezialschiff „Cape Ray“, auf dem der die syrischen Chemiewaffen entsorgt werden sollen, „eskortieren und schützen“, hieß es in den Berichten. Die Frage, wer das Entsorgungsschiff bedrohen könnte, wurde nicht beantwortet und auch gar nicht erst gestellt. Die Tageszeitung junge Welt schrieb am 13. Februar: „Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wolle dafür ein »robustes Mandat«, meldete die Deutsche Welle – was bedeutet, daß ein Kampfeinsatz nicht ausgeschlossen ist.“ Im Mittelmeer befinden sich immer noch vier US-Kriegsschiffe, die für den im September 2013 abgesagten „Militärschlag“ vorgesehen waren. Schon damals wurde darauf hingewiesen, dass die deutschen Kriegsschiffe im Mittelmeer zum „militärischen Werkzeugkasten“ gehörten, mit dem ein US-Angriff auf Syrien unterstützt werden könnte. Am 30. Januar forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Gespräch mit UN-Generalsekretär Ban Ki-moon "humanitäre Korridore", um die syrischen Bevölkerung versorgen zu können.

• Die begrüßenswerte Abrüstung der syrischen Chemiewaffen führte zugleich dazu, dass die möglichen Gefahren für die Angreifer verringert wurden. „Syrien hatte die Chemiewaffen als strategisches Gegengewicht gegen eine israelische Atombombe angeschafft“, war in einigen Berichten im September 2013 immerhin zu lesen. Sie seien „als Mittel der Abschreckung gegenüber Israel“ gedacht gewesen, hieß es in einem Papier der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) vom Juni 2013. Mit der Abgabe und Zerstörung der syrischen Chemiewaffen wurde nicht nur eine potenzielle Gefahr für Israel beseitigt. Sie stehen nun auch einem westlichen offenem Kriegseintritt durch einen „Militärschlag“ nicht mehr im Weg. Im Juli 2012 hatte der Sprecher des syrischen Außenministeriums, Jihad Makdisi, öffentlich erklärt, dass die bei der syrischen Armee vorhandenen chemischen Waffen in Syrien nicht eingesetzt würden, "außer im Falle einer Aggression von außen." Sie können nun auch nicht mehr bei einem Angriff ausversehen getroffen werden und Schaden anrichten. Die Gefahr, dass die Chemiewaffen in die Hände ungewünschter islamistischer „Rebellen“ fallen könnten ist ebenso gebannt wie eben die für möglicherweise eingesetzte Bodentruppen. Zudem wird ein Angriff auf die konventionellen Waffen Syriens für möglich und erfolgreich gehalten, wie z.B. Christopher Harmer vom Institute for the Study of War in Washington am 7. Mai 2013 gegenüber der Zeitschrift Foreign Policy erklärt hatte. Er hatte mit einer Gruppe von Wissenschaftlern die Kapazitäten der syrischen Luftwaffe und die Möglichkeiten, sie zu zerstören, untersucht. Innerhalb einer Stunde sei das möglich, behauptete Harmer gegenüber Foreign Policy, ohne dass die US-Bomber syrischen Luftraum überfliegen müssten. Am 18. September 2013 hatte Hannes Hofbauer in Neues Deutschland angesichts der Abrüstung der syrischen Chemiewaffen gefragt: "Wer hat hier wen ausgetrickst?" Er schrieb, „dass der - vorläufige - Verzicht der USA auf einen entscheidenden Militärschlag gegen Assad für die unterstellten Pläne nutzbringend sein kann“. Radikale Islamisten an der Macht in Syrien seien zwar nicht die erste Wahl der USA. Aber wenn sie schon nicht verhindert werden könnten und „ihnen zuvor allerdings der Zugriff auf sämtliche Chemiewaffen entzogen wird und die USA selbst es sind, die über ihre Verbündeten die Qualität und Quantität ihrer zukünftigen Bewaffnung kontrollieren, dann sieht die Sache schon deutlich ungefährlicher aus“. Und Hofbauer fügte hinzu: „Ein Vorwand, um Assads Syrien nach seiner chemischen Entwaffnung zu bombardieren, wird sich allemal finden.“

Mag sein, dass der Eindruck täuscht und die Mosaiksteine nicht so zusammengehören, wie es mir erscheint. Aber sie kommen derzeit gewissermaßen gehäuft zum Vorschein.

aktualisiert: 11:54 Uhr

Mittwoch, 12. Februar 2014

Ein stiller Putsch?

Hier folgt ein Hinweis auf ein Buch von Jürgen Roth, das erst noch erscheint. Dieser Hinweis wird weder vom Verlag noch vom Autor finanziert oder irgendwie gesponsort

"Der stille Putsch" heißt das nächste Buch von Jürgen Roth, das für den 24. März angekündigt ist. Ich habe es natürlich noch nicht, aber die Ankündigung hat mich gewissermaßen elektrisiert und lässt mich gespannt sein auf das Buch. Dazu hat beigetragen, was der Autor in "Die Mitternachtsregierung" (1990) ge- und beschrieben hat, aber auch, dass das Thema des neuen Buches zu dem passt, worauf ich vor knapp zwei Jahren hier schon einmal versuchte, aufmerksam zu machen: "Europas Mauer und der ökonomische Putsch"

Roth kündigt es auf seiner Website mit dem Verlagstext so an: "Sparen, sparen, sparen ist die Devise der meisten europäischen Politiker, denn nur dadurch sei die Krise zu bewältigen und der Wohlstand zu sichern. In Wirklichkeit geht es aber um etwas ganz anderes: Unter dem Deckmantel der Krisenbewältigung findet ein stiller Putsch gegen die europäischen Bürger statt. Bestsellerautor Jürgen Roth zeigt, wer die Putschisten sind und was sie bezwecken, was das für Deutschland und Europa bedeutet und wie wir uns dagegen wehren können - und müssen.
Was derzeit in Griechenland, Portugal, Spanien und Italien passiert, ist erst der Anfang. Auch Deutschland und anderen europäischen Staaten soll es so ergehen: Durch drastische Sparprogramme werden die Löhne gesenkt, Einschnitte in die Sozial-, Gesundheits- und Bildungssysteme durchgesetzt, die Arbeitnehmerrechte reduziert und der Verkauf öffentlichen Eigentums vorangetrieben.
Unter dem Vorwand der Krisenbewältigung geht es um die gnadenlose Durchsetzung einer marktfundamentalen Politik - ein kalter Putsch gegen die europäische Zivilgesellschaft. Doch wer steckt dahinter? Eine mächtige Elite aus Wirtschaft und Politik, der nur ausgewählte Personen angehören und deren Ziel die Durchsetzung langfristiger wirtschaftsfreundlicher Strategien und die Entmachtung des Staates ist. Jürgen Roth nennt die Putschisten und ihre Helfershelfer beim Namen, er deckt auf, wie sie über das Schicksal Europas entscheiden, und zeigt, warum wir uns nicht länger belügen und täuschen lassen dürfen. - Ein brisantes Enthüllungsbuch."

Zu den Putschisten und ihren Helfershelfern, die Roth benennt gehört laut Information aus dem Verlag "ein exklusiver und ebenso verschwiegener Männderbund mit Sitz in Berlin und Zürich, der Entrepreneurs' Roundtable, dessen Mitglieder aus der Spitze der Wirtschaft, Banken und Medien stammen."

Ich bin gespannt auf das Buch und bin mir sicher: da ist Stoff zum Diskutieren nach dem Lesen drin.

Hier sind die Verlagsinformationen (Preis, ISBN, etc.) zu finden

Sonntag, 9. Februar 2014

Syrien: Kaum Aussichten auf Frieden

Am 10. Februar sollen die Friedensverhandlungen in Genf zu Syrien („Genf II“) weitergeführt werden. Ein Ende des Krieges in und gegen Syrien bleibt weiter außer Sicht

Die erste Runde in Genf zwischen der syrischen Regierung und den vom Westen und seinen Medien als „die Opposition“ dargestellten Anti-Assad-Kräfte, meist Exil-Gruppen, blieb erwartungsgemäß erfolglos. Verantwortlich dafür sind eben die westlichen Staaten und ihre arabischen Verbündeten, die wie ihre exilsyrischen Marionetten von der „Syrischen Nationalen Koalition“ (SNC) und in anderen Gruppen nur ein Ziel kennen: Syriens Präsident Bashar al-Assad muss abtreten. Das erklärte u.a. US-Außenminister John Kerry zum wiederholten Male am 25. Januar auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Diesen Regimewechsel haben sie von Anfang an angestrebt und bisher nicht aufgegeben. Ein schnelles Ende des Krieges in und gegen Syrien und damit ein Ende der Gewalt, des Mordens, Flüchtens und Elends liegt nicht in ihrem Interesse. Wie um das zu belegen, meldeten die Nachrichtenagenturen am 28. Januar, dass die USA sogenannte leichte Waffen, darunter auch Panzerabwehrraketen, an angeblich „moderate Rebellen“ liefern wollen. Während diese Nachricht u.a. von Spiegel online wiedergegeben wurde, liefen noch die Verhandlungen in Genf, zu deren Zielen eine Waffenruhe in dem kriegsgebeutelten Land gehörte.

In Genf war Ende Januar u.a. erfolglos versucht worden, humanitäre Hilfe für jene Zivilisten zu vereinbaren, die in von den „Rebellen“ besetzten Vierteln von Städten wie Homs und Aleppo eingeschlossen sind und unter den Angriffen der Regierungstruppen ausharren müssen. Darauf einigten sich Meldungen vom 6. Februar zu Folge dann doch noch die syrische Regierung und die UNO. Das könnte u.a. bei einem Treffen in Teheran kurze Zeit zuvor zwischen iranischen, syrischen und schweizerischen Diplomaten vorbereitet worden sein. Als dann am 8. Februar endlich die ersten Zivilisten die umkämpften Stadtteile von Homs verlassen durften und ein Hilfskonvoi für die weiter Eingeschlossenen eintraf, wurde prompt die vereinbarte Waffenruhe gebrochen. Heckenschützen hätten die Transportfahrzeuge der UNO beschossen und so versucht, die humanitäre Aktion zu verhindern, wurde außerdem gemeldet. Das wurde ebenso erwartungsgemäß wieder der syrischen Regierung und deren Truppen in die Schuhe geschoben. Vertreter der SNC forderten denn auch, die Gespräche in Genf abzusagen. Wer kein Interesse an der Hilfe für die eingeschlossenen Zivilisten hat, machte eine Meldung der Nachrichtenagentur dpa vom 27. Januar deutlich. Darin wurde berichtet, dass die vom Westen gestützte Opposition ersten Versuchen in Genf zu einer Lösung für Homs nicht zugestimmt habe. Die Agenturmeldung beschrieb auch den Grund dafür: „Das wäre auch nicht wirklich logisch gewesen. Würden die Zivilisten die Gebiete verlassen, würde dies dem Regime ermöglichen, die letzten Widerstandsnester mit geballter militärischer Macht und ohne jede Rücksichtnahme anzugreifen.“ Auf deutsch: Die „Rebellen“ brauchen und mißbrauchen die Zivilisten in den von ihnen besetzten und gehaltenen Gebieten als „Schutzschilde“, in Homs und Aleppo und anderen gebieten. Schon im Juni 2012 berichtete die katholische Nachrichtenagentur Fides, dass „Rebellen“ in Homs verhindern würden, dass Zivilisten evakuiert werden:  „Die syrische Armee soll sich zu einem Waffenstillstand zur Evakuierung der Zivilisten bereit erklärt haben, was jedoch von oppositionellen Gruppen unter Leitung von Abou Maan abgelehnt wird.“ Schon damals der gleiche Grund: „Die Milizionäre befürchten, dass die syrische Armee ihre Offensive nach der Evakuierung der Zivilisten intensivieren würde.“ Und am 4. August 2013 habe ich geschrieben: „Das Geschehen in Homs erinnert daran, dass die "Rebellen" nicht nur Opfer "produzieren" und Einzelne wie u.a. zwei christliche Bischöfe und jüngst einen italienischen Jesuiten , sondern Hunderttausende als Geiseln für ihre Ziele nehmen. Das belegten Meldungen vom Juli aus Aleppo, denen zu Folge "Rebellen" Lebensmittellieferungen an zwei Millionen Menschen in den von der syrischen Regierung gehaltenen Vierteln der Stadt blockierten. "Einige Rebellengruppen setzen zunehmend darauf, in den von der Regierung kontrollierten Gebieten militärisch Druck auf die Zivilbevölkerung auszuüben", gab u.a. die österreichische Zeitung Der Standard am 10. Juli 2013 eine Reuters-Nachricht wieder. „Einer ihrer Kommandeure an der Mittelmeerküste forderte den Beschuss von Wohngebieten, um den Druck auf Assad zu erhöhen.““ Die dpa-Meldung vom 27. Januar wurde übrigens von deutschen Medien kaum aufgegriffen, nur in der Online-Ausgabe der Zeitschrift Hintergrund war mehr dazu zu lesen.

Wie verlogen und unaufrichtig der Westen samt seiner Verbündeten und Marionetten sich verhält belegte US-Außenminister Kerry ein weiteres Mal am 1. Februar. Berichten zufolge forderte er Russland auf, auf Syrien einzuwirken, die Chemiewaffen schneller als bisher zur Vernichtung zu übergeben. Der bisherige Fortschritt bei der C-Waffen-Vernichtung sei „unakzeptabel“. Kerry drohte Syriens Präsident Assad gar Konsequenzen an und behauptete am 31. Januar in Berlin, Syrien halte sich nicht wie zugesagt an die russisch-amerikanischen Abmachungen zu den syrischen Chemiewaffen und bewege sich nicht so schnell wie versprochen. Widerspruch kam ausgerechnet von der Leiterin der gemischten Mission der UN und der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW), Sigrid Kaag. Laut der Nachrichtenagentur RIA Novosti erklärte sie am 6. Februar in New York, dass die syrischen Behörden dem C-Waffen-Transport nicht im Wege stünden und mit der OPCW kooperierten. „Gewisse Verzögerungen haben rein technischen Charakter oder resultieren aus der Notwendigkeit, die Sicherheit der Transporte zu gewährleisten“, wurde Kaag zitiert.
Zweifel daran, ob die US-Regierung inzwischen interessiert ist, den Krieg in Syrien zu beenden, äußerte der grüne Friedensaktivist Ulrich Cremer in der November-Ausgabe der Zeitschrift Sozialismus, in dem er fragte, ob es einen westlichen Strategiewechsel gebe. Cremer sieht bei der US-Administration keinen Willen zum Frieden: „Denn dazu passen die verstärkten Waffenlieferungen an die Rebellen gerade nicht. Zwar ist es der US-Regierung und ihren Verbündeten in 2 1/2 Jahren nicht gelungen, dass Assad-Regime zu stürzen, aber es wurde als Kollateralnutzen erreicht, den Iran und die Hisbollah in den Krieg zu involvieren. Dadurch sind diese »beschäftigt« und werden von militärischen Abenteuern in Richtung Israel abgehalten. Der Krieg in Syrien wird mittlerweile im Wesentlichen zwischen islamistischen Gruppierungen, die zum Teil auf der US-Terrorliste stehen, und dem Assad-Regime ausgetragen, das von Iran und der Hisbollah gestützt wird. Das bescheidenere Ziel der US-Politik ist offensichtlich nunmehr: Es soll niemand den Krieg gewinnen, weder das Assad-Regime, noch die Rebellen. Das bedeutet, dass das Mantra »Assad muss gehen« relativiert ist.“

Was die „falschen Freunde Syriens“ bei „Genf II“ erneut zur Bedingung machten, stehe nicht im grundlegenden Papier von „Genf I“ vom Juni 2013, erinnerte Karin Leukefeld am 1. Februar in der Tageszeitung Neues Deutschland. „Darin geht es jedoch nicht um Assad. Es geht vielmehr um einen Waffenstillstand für Syrien und den Abzug bewaffneter Kräfte auf allen Seiten. Es geht um humanitäre Hilfe, den Dialog zwischen den Konfliktparteien sowie die Freilassung von Gefangenen und Entführten. Und es geht darum, dass die Menschen in Eigenregie einen politischen Übergangsprozess in ihrem Land einleiten - ohne Einmischung von außen.“ Leukefeld erinnerte außerdem daran, dass die wichtigsten Gruppierungen der innersyrischen Opposition nicht zu den Verhandlungen eingeladen wurden. Die vom Westen und seinen verbündeten geförderte und finanzierte „Nationale Koalition“ biete keine politische Perspektive für das vom Krieg gezeichnete Mittelmeerland, da „sie das Instrument politischer Interessen ist. Nicht der Syrer, sondern der »Freunde Syriens«. Allen voran der USA, die die moderate, selbstbewusste Opposition ignoriert. Dann Saudi-Arabiens, das in Syrien Iran bekämpft und dafür den jahrhundertealten Religionsstreit zwischen Schiiten und Sunniten im Islam mit Geld und Waffen wieder anheizt. Die Nationale Koalition ist außerdem das Instrument Frankreichs, das seine koloniale Mentalität gegenüber der Levante noch immer nicht überwunden hat, und anderer Staaten, die im Orbit der USA Außenpolitik machen.“