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Dienstag, 10. September 2013

Syrien: Überraschung für die westlichen Kriegstreiber

Die syrische Antwort auf das US-Ultimatum, die Chemiewaffen kontrollieren zu lassen, erscheint überraschend. Das Verhalten des Westens bleibt dagegen unglaubwürdig. 

Das Ultimatum von US-Außenminister John Kerry vom 9. September, Syrien könne einen Angriff abwenden, indem es alle seine Chemiewaffen innerhalb einer Woche an „die internationale Gemeinschaft“ übergibt, klang wie ein Teil des anscheinend unabwendbaren Drehbuches für den Krieg. Dazu gehört die vorgetäuschte Verhandlungsbereitschaft des Westens, die sich in Forderungen an die Gegenseite äußert, die erkennbar für diese unannehmbar sind. 1999 wurde Slobodan Milosevic in Rambouillet ultimativ aufgefordert, die Souveränität Jugoslawiens aufzugeben und NATO-Truppen den Einmarsch zu erlauben, um den angedrohten Krieg zu verhindern. 2003 bekam Saddam Hussein samt seiner Familie die „Chance“, den Irak innerhalb von 48 Stunden zu verlassen, sonst würden die USA angreifen. Die Ergebnisse sind bekannt und Geschichte, die Folgen wirken bis heute nach. Das belegt auch, wie weit her es mit der westlichen Glaubwürdigkeit ist, die Kerry in London dem syrischen Präsidenten Bashar al-Assad absprach. Und so betonte der US-Außenminister auch gleich, dass er gar nicht damit rechne, dass die syrische Führung auf das Ultimatum eingehe.

Doch genau das tat diese, zur Überraschung vieler, auch meiner. Als ich von Kerrys Ultimatum hörte, dachte ich, dass ein solcher Schritt nur unter Kontrolle der UNO und nach Verhandlungen mit Syrien erfolgen könne, aber nicht, weil er erpresst wird. Selbst wenn es einzig deshalb geschah, um den angedrohten Angriff der USA abzuwenden, und ohne russische Vermittlung nicht passiert wäre, zeigt sich, dass die syrische Führung bereit ist, einiges zu tun, um den Krieg nicht noch mehr auszuweiten. Sie ist bereit, etwas aufzugeben, falls die Informationen über die Chemiewaffen der syrischen Armee stimmen, das nach Aussagen von syrischen Regierungsvertretern dazu diente, einen möglichen Angriff Israels mit Massenvernichtungswaffen abzuschrecken. Im Juli 2012 hatte der Sprecher des syrischen Außenministeriums, Jihad Makdisi, öffentlich erklärt, dass die mutmaßlich bei der syrischen Armee vorhandenen chemischen Waffen in Syrien nicht eingesetzt würden, "außer im Falle einer Aggression von außen." Die Bereitschaft, auf das Abschreckungspotenzial z.B. gegenüber den israelischen nuklearen und anderen Massenvernichtungswaffen zu verzichten, erscheint jedoch weniger überraschend angesichts der Tatsache, dass Syrien als nichtständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates 2003 vorschlug, den Nahen Osten von allen Massenvernichtungswaffen zu befreien, auch den chemischen. Überraschend ist auch nicht, wer das damals ablehnte: Die USA und Israel.

Die damalige Ablehnung der arabischen und syrischen Abrüstungsvorschläge ist ein weiterer Beleg dafür, wie es um die westliche Glaubwürdigkeit steht, und Grund für berechtige Zweifel daran. Dazu gehört auch, dass nicht nur Syrien bisher nicht dem 1997 in Kraft getretenen Chemiewaffen-Übereinkommen beitrat, sondern u.a. auch Israel. Die USA haben zwar den Berichten zu Folge bisher etwa 90 Prozent ihres Bestandes an Chemiewaffen vernichtet, was vollständig eigentlich schon bis 2007 erfolgen sollte. Nun soll der Rest von etwa 2.700 Tonnen bis 2023 beseitigt werden, heißt es. Wenn US-Präsident Syrien den Besitz von Chemiewaffen vorwirft, könnte der syrische Präsident Assad das auch den USA vorwerfen, zitierte das Institute of Public Accuracy auf seiner Website in einem Beitrag die Physikerin Meryl Nass. Der Politikwissenschaftler Stephen Zunes von der Universität in San Francisco bezeichnete in einem Text am 2. Mai auf der Website des Thinktanks Foreign Policy in Focus (FPIF) die US-Politik in bezug auf Chemiewaffen als so widersprüchlich, dass sie kein Recht habe, dem Rest der Welt zu sagen, wie damit umzugehen sei. Er erinnerte daran, dass die USA bisher Israel und auch nicht Ägypten Strafmaßnahmen angedroht haben, wenn diese nicht ihre Massenvernichtungswaffen verschiedener Art beseitigen. Zunes beschrieb außerdem, wie die US-Regierung stattdessen 2002 Druck auf die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) ausübte, die die Umsetzung des Chemiewaffen-Übereinkommens kontrolliert, um den damaligen Leiter der OPCW Jose Bustani abzusetzen. Der brasilianische Diplomat habe sich dafür eingesetzt, dass die US-Chemiewaffen und die Produktionsstätten genauso streng wie die anderer Staaten kontrolliert würden. Zudem habe er versucht, vor dem Krieg gegen den Irak 2003 diesen dazu zu bringen, dem Chemiewaffen-Übereinkommen beizutreten und seine Einrichtungen für Inspektionen zu öffnen. Wäre ihm das gelungen, wären die US-Kriegslügen von 2003 über die angeblichen irakischen Chemiewaffen noch eher widerlegt worden. Die USA seien schneller gewesen und hätten mit der Drohung, die Finanzmittel für die OPCW zurückzuhalten, erreicht, dass Bustani im April 2002 zurücktreten musste. Im April 2004 informierte das „Sunshine Project“, dass Berater des US-Verteidigungsministeriums Pentagon in einem Bericht empfohlen hätten, neue chemische Waffen zu entwickeln: Betäubende Gase sollten als strategische militärische Waffe gegen die die Führer von "Schurkenstaaten" und Terroristen dienen. Der Bericht befürwortete danach mit „großer Deutlichkeit“, dass "das Ziel eines Angriffes auf die Führungen von Schurkenstaaten oder Terroristen die Tötung der Führungspersonen" sowie die "Enthauptung der Regime" sei. „Geheime Pentagon-Papiere belegen Kontinuität der Entwicklung von 'nicht-tödlichen' Chemiewaffen in den USA“, hatte das „Sunshine-Project“ im Januar 2004 gemeldet.

Solche Belege für berechtigte Zweifel an der westlichen Politik in Sachen Chemiewaffen hindern die führenden westlichen Politiker und ihre Verbündeten nicht daran, Syrien weiter zu drohen. Sie lassen sich davon nicht abbringen, obwohl sie keine Beweise für die Verantwortung von Assad für den mutmaßlichen Giftgaseinsatz am 21. August bei Damaskus haben. Der Stabschef im Weißen Haus, Denis McDonough, hatte am 8. August eingeräumt, dass die USA keine hundertprozentig sicheren Beweise haben, wie u.a. die österreichische Zeitung Der Standard am Folgetag berichtete. „In einem Interview des Senders CNN sagte McDonough am Sonntag, dass unabhängig von geheimdienstlichen Informationen der gesunde Menschenverstand sage, ‚dass das Regime das ausgeführt hat‘.“ Dem widersprachen eine ganze Reihe von ehemaligen Mitarbeitern von US-Geheimdiensten und ds US-Militärs in einem Memorandum an Obama vom 6. September: "Wir bedauern Ihnen mitteilen zu müssen, daß – entgegen den Behauptungen Ihrer Regierung – Bashar al Assad für den Vorfall mit chemischen Substanzen nicht verantwortlich ist, bei dem am 21. August syrische Zivilisten getötet und verwundet wurden und daß britische Geheimdienstbeamte sich dessen bewußt sind. Mehrere unserer früheren Kollegen haben uns berichtet, daß absolut zuverlässige Geheimdienstinformationen dies eindeutig belegen." In dem von der jungen Welt am 10. September auf deutsch wiedergegebenen Dokument heißt es u.a.: "Unsere Quellen bestätigen, daß durch einen Vorfall mit chemischen Substanzen am 21. August in einem Vorort von Damaskus Menschen zu Tode kamen und verwundet wurden. Unsere Quellen betonen jedoch, daß dieser Vorfall nicht auf einen Angriff der syrischen Armee mit Chemiewaffen aus ihrem militärischen Arsenal zurückgeht." Die Geheimdienst- und Militär-Veteranen erinnerten auch an die Lügen des ehemaligen US-Außenministers Colin Powell vor dem Kriegeg gegen den Irak 2003.

Für Powell-Wiedergänger Kerry ist stattdessen die Zeit für Syrien und Russland, Beweise für den Willen zur Kontrolle der Chemiewaffen zu erbringen, nur knapp bemessen, wie RIA Novosti am 10. September berichtete. Dieses Vorhaben habe Kerry als „nur schwer realisierbar“ bezeichnet und hinzugefügt, „die USA können nicht zu lange warten" „Pentagon-Chef Chuck Hagel lobte die russische Initiative, die C-Waffen in Syrien unter internationale Kontrolle zu stellen. ‚Aber wir sollen sicher sein, dass dieser Vorschlag kein Ablenkungsmanöver ist‘, sagte Hagel.“ Unterdessen meldete u.a. Der Standard: „Syrien will der internationalen Chemiewaffenkonvention beitreten. Das sagte der syrische Außenminister Walid al-Muallem am Dienstag nach Angaben der Agentur Interfax in Moskau. Syrien werde der internationalen Gemeinschaft Zugang zu allen Depots verschaffen. Das Land werde die Produktion einstellen und sich von allen chemischen Waffen trennen, sagte der Minister weiter.“ Al-Muallem sagte danach: „Wir sind bereit, die Lagerstätten für chemische Waffen mitzuteilen, die Produktion von Chemiewaffen einzustellen und den Vertretern Russlands, anderer Staaten und der Vereinten Nationen diese Objekte zu zeigen." Der Außenminister habe betont, dass sein Land dazu bereit sei, um einen US-Militärschlag zu verhindern. Ob damit eine Ausweitung des Krieges gegen und in Syrien verhindert werden konnte, ist abzuwarten, aber auch zu hoffen.

Es bleibt das Interese der "Rebellen" an einer direkten westlichen Einmischung in den Krieg gegen und in Syrien zu ihrer Unterstützung. Darauf hatte Jürgen Todenhöfer in einem Text für die NachDenkSeiten am 10. September aufmerksam gemacht. Mit Blick auf die Ereignisse vom 21. August meinte Todenhöfer: "Könnten extremistische Rebellen die Chemiewaffen nicht auf demselben Wege erhalten haben wie ihre modernen Flugabwehrraketen, über die sie inzwischen verfügen? Die jetzige Beweislage ist zumindest zweifelhaft." Unf fügte hinzu" Chemische Waffen sind scheußliche Waffen. Fast so scheußlich wie die Atomwaffen, die die USA zweimal gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt haben. Und etwa gleich abscheulich wie Uran verseuchte Munitionen, die die USA in ihren weltweiten Kriegen immer wieder einsetzten. Mit entsetzlichen Folgen. Chemiewaffen sollten weltweit überprüfbar zerstört werden. Auch in den USA, die seltsamerweise noch immer große C-Waffenvorräte besitzen."

aktualisiert: 11.9.13; 9:33 Uhr

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