Ist der Giftgaseinsatz am 21. August vor
Damaskus eine „false flag“-Operation, eine Operation unter falscher
Flagge, gewesen, um den Westen zu bewegen, direkt in den Krieg gegen und
in Syrien einzugreifen? War es eine von Anfang an geplante Aktion, aber
nicht von Assad, sondern von Israel und Saudi-Arabien?
Der Bericht der UN-Ermittler hat trotz aller Deutungen in Richtung
syrische Armee keinerlei Beweise für deren Verantwortung bzw. die des
syrischen Präsidenten Bashar al-Assad erbracht. Auch wenn die westlichen
Kriegstreiber und Brandstifter sowie ihre Verbündeten „Indizien“ in
dieser Richtung sehen wollen, lässt der Bericht mindestens andere
Deutungen zu. Zudem hatten die US-Vertreter und ihre Verbündeten ja
sogar verkündet, dass sie die UN-Untersuchungen eigentlich
für unnötig und für eine „historische Fußnote“
halten. Angesichts all der vorangegangenen Kriegslügen und provozierten
Kriegsanlässe sollte die Mühe nicht gescheut werden, genauer
hinzuschauen und auch zu berücksichtigen, was an Fakten und
Informationen gegen die offiziell verkündeten Deutungen spricht.
Der britische Journalist Robert Fisk machte
am 19. September in der Zeitung The Independent
auf etwas aufmerksam, was vor lauter Diskussion um technische Details
und Schuldzuweisungen kaum in den Blick genommen wurde: Israel könnte
der Gewinner des Ereignisses und seiner Folgen sein. Fisk fragte, warum
die syrische Armee Giftgas eingesetzt haben soll, wenn zu den Folgen
gehöre, dass Syrien seine Chemiewaffen abgebe. Es verliere damit ein
strategisches Verteidigungsmittel im Fall einer israelischen Invasion.
Der syrische Außenminister habe „sehr geschockt“ ausgesehen, als er in
Moskau den Verzicht auf die Chemiewaffen bekanntgab. „Wahrscheinlich
ist Israel auch der Gewinner im syrischen Bürgerkrieg, da einer seiner
einst großen Nachbarn zerschlagen und pulverisiert ist durch einen
Konflikt, der vielleicht weitere zwei Jahre anhält.“
"Je größer die Lüge, desto besser"
Fisk hatte schon
am 8. Dezember 2012
über die damaligen ersten Behauptungen über einen Chemiewaffeneinsatz
durch die syrische Armee geschrieben: „Ja, je größer die Lüge, desto
besser. Sicherlich haben wir ‚Journos‘ unsere Pflicht bei der
Verbreitung dieses Blödsinns getan. Und Bashar - dessen Truppen genug
Schandtaten begingen – wird gerade eines anderen Verbrechens
beschuldigt, die er noch nicht begangen hat und das sein Vater nie
begangen hat.“ Am 19. September berichtete Fisk, dass ein befreundeter
syrischer Journalist am 21. August bei der des Giftgaseinsatzes
beschuldigten Armeeeinheit und in dem später von den UN-Ermittlern
untersuchten Vorort Moadamiyeh war. Der Journalist habe heftigen
Artilleriebeschuss gesehen, aber keinen Giftgaseinsatz. Die Soldaten,
von denen keiner mit einer Gasmaske beobachtet wurde, hätten die Bilder
der mutmaßlichen Giftgasopfer im TV gesehen und Angst gehabt, sie
müssten inmitten giftiger Dämpfe kämpfen. Sein Kollege habe ihn darauf
hingewiesen, dass nach dem Sturz Muammar al-Gaddafis im Herbst 2011
viele russische Waffen und Geschütze aus Libyen nach Syrien geschmuggelt
worden sind, so dass niemand wisse, wer was hat. Am
10. Juni 2012 hatte die Nachrichtenagentur RIA Novosti
gemeldet, dass laut einem Bericht der iranischen Nachrichtenagentur
Fars "Rebellen" in den Besitz von C-Waffen gekommen seien, die aus
Libyen stammen. Auch Fisk gab keine klare Antwort auf die Frage: Wer hat
die Raketen bestellt, die in der schrecklichen Nacht des 21. August
abgefeuert wurden?
Gegen die Deutungen der Kriegstreiber und ihrer medialen Unterstützer
sprechen weitere Informationen unter anderem die unabhängig voneinander
gemachten Hinweise auf einen „Unfall“ beim Umgang mit den am 21. August
mutmaßlich eingesetzten Chemiewaffen. Dale Gavlak and Yahya Ababneh
hatten in einem
Beitrag für Mintpressnews am 29. August
berichtet, dass nach Aussagen von „Rebellen“ und deren Angehörigen in
dem betroffenen Gebiet, die Toten Opfer eines Unfalls waren. Die
eingesetzten Waffen, geliefert aus Saudi-Arabien, seien unsachgemäß
behandelt worden. Aus zahlreichen Interviews mit Ärzten, Einwohnern
Ghoutas, aufständischen Kämpfern sowie deren Familien ergab sich für die
Journalisten vor Ort ein anderes Bild, als es die westlichen
Regierungen und ihre Verbündeten zeichneten. „Viele glauben, dass
ausgewählte Kämpfer über Prinz Bandar bin Sultan, den saudischen
Geheimdienstchef, Chemiewaffen erhalten haben. Sie sind es, die den
Giftgasangriff um den es hier geht zu verantworten haben.“
Die Journalisten zitierten
einen der „Rebellen“: „Die Waffen kamen uns sehr seltsam vor. Und
unglücklicherweise haben einige Kämpfer diese Waffen nicht sachgerecht
behandelt und die Explosionen verursacht.“
Chemiewaffen bei "Rebellen"?
Gavlak wies daraufhin, dass die Informationen und Angaben nicht
unabhängig überprüft werden konnten. Dafür gab es weitere Hinweise auf
einen möglichen Einsatz von Chemiewaffen durch die „Rebellen“ und einen
dabei verursachten Unfall. Einer davon war in der
Frontal 21-Sendung vom 17. September
zu hören. Da sagte der Belgier Pierre Piccinin, unlängst von der
"Freien Syrischen Armee" nach Geiselhaft wieder freigelassen, vor der
Kamera Folgendes: "Man sprach über Gas. Die Rebellen erklärten, dass -
also der General der Freien Syrischen Armee wurde sehr wütend. Er
verstand nicht, warum es so viele Tote gegeben hatte. Der Offizier von
Al-Farouk sagte, dass es ungefähr 50 Opfer hätte geben müssen. Davon
waren sie am Anfang ausgegangen. Diese dritte Person erklärte dann recht
langsam, dass es zu einem Kontrollverlust gekommen war, der diese
katastrophale Situation verursacht hatte." Ein anderer Hinweis darauf
kam am 18. September von Dan Kaszeta, einem Chemiewaffen-Experten, der
früher Berater der US-Regierung war.
Im Interview mit der österreichischen Zeitung Der Standard sagte er u.a: „Es könnte … durchaus sein, dass es sich um einen missglückten Versuch gehandelt hat, solche Waffen einzusetzen.“
Kaszeta meinte wie andere auch, dass die „Rebellen“ gar nicht in der
Lage seien, Chemiewaffen einzusetzen. Ein Gegenargument sind
die verschiedenen Nachrichten,
dass bei „Rebellen“-Gruppen, darunter den Dschihadisten, solche und
Stoffe, um sie herstellen können, gefunden wurden. Am 6. Juni hatte
die Zeitschrift Hintergrund in ihrer Online-Ausgabe
gewarnt, dass „Rebellen“ einen Giftgasangriff vorbereiten und ebenfalls
auf die Hinweise auf Chemiewaffen in deren Händen aufmerksam gemacht:
„Da sie einen Sieg aus eigener Kraft nicht erringen können, verfolgen
die von den ‚Freunden Syriens‘ geförderten Dschihadisten des
Al-Kaida-Netzwerkes offenbar die Strategie, mittels Anschlägen unter
falscher Flagge, für die dann das syrische Regime verantwortlich gemacht
werden soll, eine militärische Intervention zu ihren Gunsten zu
erzwingen.“ Die Assad-Gegner dürften inzwischen sehr wohl auch
Kenntnisse im Umgang mit Chemiewaffen haben.
Spiegel online berichtete am 13. Dezember 2012:
„Mehrere syrische Milizen haben kürzlich an einer Schulung in der
Türkei und in Jordanien teilgenommen. Auf dem Lehrplan: der Umgang mit
Chemiewaffen.“ Das sei angeblich geschehen, damit die „Rebellen“ helfen
können, die Chemiewaffen der syrischen Armee zu sichern. Doch es gehe
nicht nur darum, die entsprechenden Standorte zu überwachen, sondern den
Umgang mit den Materialien zu trainieren, hatte
CNN am 9. Dezember 2012 gemeldet.
In Richtung einer Operation unter falscher Flagge weist auch, dass
der eigentliche Anlass für die Reise der UN-Ermittler nach Syrien durch
die Ereignisse am 21. August unbeachtet blieb.
Die syrische Regierung hatte die UNO gebeten,
den mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen durch die „Rebellen“ bei
Aleppo am 19. März aufzuklären. Unter den Opfern waren zahlreiche
Soldaten der syrischen Armee, wurde damals gemeldet. Nach einigem Hin
und Her, bedingt auch durch überzogene Forderungen von
UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon aufgrund Druck des Westens, kamen die
UN-Ermittler nach Syrien. Kaum waren sie im Land,
meldeten die „Rebellen“ am 21. August
einen „Großangriff“ mit Chemiewaffen durch die syrische Armee bei
Damaskus. Der Leiter des UN-Untersuchungsteams, Ake Sellström, sagte
laut der österreichischen Zeitung Standard der Nachrichtenagentur
TT
am 21. August: "Die erwähnte hohe Anzahl Verletzter und Getöteter
klingt verdächtig. Es klingt wie etwas, das man untersuchen sollte." Das
mutmaßliche Massaker Ende Juli in dem syrischen Ort Khan al-Assal,
einem Vorort von Aleppo, geriet völlig aus dem Blick. Dort sollten die
UN-Inspektoren eigentlich den mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatz vom März
untersuchen. Doch die "Rebellen" kamen ihnen zuvor, eroberten den Ort
und machten den Zugang unmöglich,
erschossen Meldungen zu Folge Zeugen. Sebastian Range hat u.a.
am 1. August in der Online-Ausgabe der Zeitschrift Hintergrund darauf aufmerksam gemacht. Zumindest für dieses Geschehen ließe sich sagen, dass die Operation zur Ablenkung erfolgreich war.
Einladung an Cruise Missiles?
Mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass es keinen logischen Grund
gibt, warum die syrische Armee Chemiewaffen einsetzen und Präsident
Assad den Befehl dazu geben sollte. Theoretisch ist denkbar, dass er
vielleicht in einer Art Untergangsstimmung sein Land einer Intervention
der "internationalen Staatengemeinschaft" preisgibt. Die westlichen
Kriegstreiber in Politik und Medien dichteten ihm ja mehrfach
irrationales Handeln an. Doch der syrische Präsident macht alles andere
als den Eindruck des nahenden Unterganges, ebenso die syrische Armee.
Bereits 2003 fragte Fisk: "
Würde Präsident Assad eine Cruise Missile in seinen Palast einladen?"
Schon damals drohten die USA mit einem Angriff auf das Nachbarland
Israels, mit unterschiedlichen Begründungen, die von
Massenvernichtungswaffen bis zum angeblich von Damaskus versteckten
Saddam Hussein reichten. Die
Netzeitung meldete am 11. April 2003,
der frühere Nato-Oberbefehlshaber US-General Wesley Clark schließe
einen Angriff auf Syrien nicht aus: „Damaskus müsse jetzt die
amerikanischen Forderungen erfüllen.“
Im Oktober 2005 wurde gemeldet,
die damalige US-Außenministerin Condoleezza Rice habe einen schon
vorbereiteten Angriff auf Syrien verhindert. Als Vorwand sollte der
Vorwurf dienen, die Regierung in Damaskus tue nicht genug, um
ausländische Kämpfer davon abzuhalten, in den Irak einzudringen. „Syrien
ist seit geraumer Zeit im Washingtoner Visier, keineswegs erst als
vermeintlicher Hort von Massenvernichtungswaffen oder Helfershelfer von
Al Qaida in Irak“, war damals u.a. in
Neues Deutschland zu
lesen. „Schon vor zehn Jahren wurden in neokonservativen Denkfabriken
Szenarien entwickelt, in denen man nach Saddam Hussein auch das
Baath-Regime in Damaskus hinwegfegen wollte. Die damaligen Auftraggeber
machen heute die Politik in Washington und haben das Ziel des
Regimewechsels in Syrien nicht aus den Augen verloren.“ Ex-US-General
Clark sagte
am 20. Mai 2011 im Interview mit der österreichischen Zeitung
Der Standard:
"Bashar al-Assad könnte das gleiche Schicksal wie Gaddafi ereilen, wenn
er jetzt nicht seine Armee und Sicherheitskräfte unter Kontrolle
bringt. … Wenn Assad dort einen humanitären Anlass für eine Aktion gibt,
könnte die Entscheidung dafür durchaus beschleunigt werden, weil der
Wert eines Wandels in Syrien als sehr hoch eingeschätzt wird. Assad
bewegt sich derzeit auf sehr dünnem Eis." 2004 hatte Clark in seinem
Buch "Winning Modern Wars" (dt.: Das andere Amerika) berichtet, dass er
bereits drei Jahre zuvor von Kriegsplänen gegen Syrien erfuhr. "Als ich
im November 2001 das Pentagon aufsuchte, hatte ein hochrangiger
Stabsoffizier Zeit für eine Unterhaltung. Er bestätigte mir, dass die
Operationen gegen den Irak vorangetrieben wurden. … Diese Aktion sollte
Teil eines auf fünf Jahre angelegten Planes sein, der neben dem Irak
noch weitere sechs Länder umfasste: Syrien, den Libanon, Libyen, den
Iran, Somalia und den Sudan. ..." (S. 167) Das wiederholte er 2007 in
einem
Gespräch mit Democracy Now.
Manches deutet daraufhin, dass der jetzige US-Präsident Barack Obama
nicht recht gewillt zu sein, die alten Kriegspläne umzusetzen, trotz
„roter Linie“ und Kriegsdrohungen gegen Syrien. Bevor er
im August 2011 das erste Mal Assad aufforderte, zurückzutreten, was er
am 17. September
wiederholte, kamen nach seinem ersten Amtsantritt 2009 andere Töne:
„Der neue amerikanische Präsident Obama sucht den Dialog mit Syrien und
Iran“, war u.a.
am 9. April 2009 in der FAZ
zu lesen. Davon ist er längst sehr weit abgerückt, aber immerhin
verzichtete er darauf, den als „Strafe“ für den 21. August angedrohten
Angriff auf Syrien zu befehlen.
Fast schien es,
als käme Obama die Unterstützung Russlands für die Forderung an Syrien,
die Chemiewaffen zu übergeben, und die positive Reaktion aus Damaskus
darauf zupass.
Bei Spiegel online wurde das am 7. September
so beschrieben: „Schon gibt es Anzeichen, dass Obama eine Niederlage im
Kongress als Ausrede nutzen könnte, sich von der selbstauferlegten
Handlungspflicht zu befreien. ‚Mich juckt es nicht nach einer
militärischen Intervention‘, sagte er in St. Petersburg. Wenn jemand
eine bessere Idee hätte, ‚dann bin ich dafür offen‘.“ In der
New York Times vom 6. September
hieß es u.a., Obama gelte durch den Truppenabzug aus dem Irak, dem
angekündigten Abzug aus Afghanistan, die gemeldete Bereitschaft, den
Drohnenkrieg zu reduzieren, und das zugesagte Ende des "Krieges gegen
den Terror" manchem schon als "unwilliger Krieger". Die geplante
Entscheidung des Kongresses zum Angriff auf Syrien setze ein weltweites
Zeichen über die Führungsrolle der USA, wurde der stellvertretende
Nationale Sicherheitsberater Benjamin J. Rhodes zitiert. Die USA hätten
seit Jahrzehnten die „globale Sicherheitsarchitektur“ und die
„Durchsetzung internationaler Normen“ unterstützt. Rhodes wollte nicht,
dass der Rest der Welt denkt, die USA würden das nicht mehr tun.
Syrien und Iran im Visier
Das scheinen auch einige in Saudi-Arabien und Israel nicht zu wollen.
Führende Kräfte in diesen Ländern haben wie manche der „Falken“
innerhalb der herrschenden Kreise der USA ein großes Interesse daran,
dass Obama die Rolle als „Weltpolizist“ nicht aufgibt bzw. aufs Spiel
setzt. Sie fürchten den Rückzug der übriggebliebenen, aber von
tiefgreifenden inneren Problemen geschwächten Supermacht auf eine
Position, die als „isolationistisch“ diffamiert wird. Allein können sie
ihr Ziel nicht erreichen, Syrien als Regionalmacht im Nahen Osten und
Verbündeten des Iran und diesen selbst entscheidend zu schwächen und gar
auszuschalten.
Israel mischt wie Saudi-Arabien
von Anfang an
im Krieg gegen und in Syrien mit. Robert Fisk machte in dem oben
zitierten Text ebenso darauf aufmerksam wie der ehemalige britische
Botschafter
Graig Murray, der in seinem Blog am 31. August
schrieb, dass Israel sich in den letzten Monaten mehrfach aktiv in
Syrien mit illegalen Anschlägen und Raketenangriffen eingemischt hatte.
Es sei das israelische Ziel, die USA dazu zu bewegen, offen mit Bomben
und Raketen einzugreifen. Dazu passt aus meiner Sicht auch, was der
ehemalige französische Außenminister Roland Dumas am
10. Juni im französischen Parlaments-TV LCP
sagte: Es gehe darum, Syrien als Gegner Israels auszuschalten. Der
israelische Premierminister Benjamin Netanjahu habe ihm gesagt, sein
Land versuche, mit seinen Nachbarstaaten gut auszukommen. "Und die, mit
denen wir uns nicht verstehen, werden wir erledigen." Am 17. September
sprach der scheidende israelische Botschafter in den USA, Michael Oren,
gegenüber der Jerusalem Post
Klartext und meinte, dass Israel den Sturz Assads wolle und deshalb die
„bad guys“ bevorzuge, die nicht vom Iran unterstützt werden. Diese „bad
guys“ seien zwar von Al Qaida, aber weniger gefährlich für Israel als
der „strategische Bogen, der von Teheran über Damaskus nach Beirut“
reiche. „Und wir sahen das Assad-Regime als Grundpfeiler in diesem
Bogen“. Diese Position habe Israel lange vor dem Ausbruch der
„Feindseligkeiten“ in Syrien gehabt, erklärte Oren der Zeitung. „In den
letzten 64 Jahren gab es wahrscheinlich nie eine größeren Zusammenfluss
von Interessen zwischen uns und mehrere Golfstaaten“, so der Diplomat.
„Mit diesen Golfstaaten haben wir Vereinbarungen zu Syrien, zu Ägypten
und der palästinensischen Frage. Wir haben durchaus Vereinbarungen zum
Iran. Dies ist eine jener Möglichkeiten, die der arabische Frühling
geboten hat." Dass auch die USA diese „historische Chance“ für
Veränderungen im Nahen Osten nutzen wollen, bestätigte US-Präsident
Obama
im Mai 2011.
Den Berichten zu Folge ging er in seiner entsprechenden Rede „vor allem
auf Syrien ein, wo die USA bisher weniger entschlossen als zum Beispiel
in Libyen wahrgenommen wurden“.
Saudi-Arabien mischt ebenfalls schon lange im Krieg gegen und in Syrien mit. Scott Stewart vom privaten Nachrichtendienst
Stratfor schrieb
in einem am 31. Januar 2013 veröffentlichten Beitrag:
Es sei „interessant, dass in Syrien wie in Afghanistan zwei der
wichtigsten äusseren Unterstützer Washington und Riad sind“.
Saudi-Arabien nutze es, wenn die Dschihadisten in Syrien, darunter
Gruppen, die wie die Jabhat al-Nusra im Irak gegen die USA-Truppen
kämpften, unterstützt werden. Mit ihrer Hilfe solle der iranische
Einfluss in der Region gebrochen werden und ein sunnitisches Regime in
Syrien errichtet werden, so Stewart. Über saudische Waffenlieferungen an
die „Rebellen“ in Syrien gibt es seit längerem Berichte. Im März 2012
hatte selbst
die Welt gemeldet,
dass laut einem hochrangigen arabischen Diplomaten Saudi-Arabien über
Jordanien "Militärgüter" an die Freie Syrische Armee (FSA) liefere. Im
Auftrag von König Abdullah forderte Kronprinz und Kriegsminister Salman
bin Abdul Aziz bei der Konferenz der Organisation der Islamischen
Zusammenarbeit (OIC) in Kairo am 6. Februar von der „internationalen
Gemeinschaft“ und dem UN-Sicherheitsrat,
für einen Regimewechsel in Syrien zu sorgen, „
mit allen möglichen Mitteln“. Welche neben den bisher eingesetzten dazu gehören sollen, beschrieb
Prinz Turki al Faisal Al Saud gegenüber der FAZ
im Januar 2013: „Panzerabwehrwaffen, Luftabwehrwaffen und Waffen gegen
Artillerie“. Dieser saudische Prinz, für den die Dschihadisten in Syrien
die "guten Jungs" sind, war übrigens 1977 bis 2001 Chef des wichtigsten
saudischen Auslandsgeheimdienstes, der maßgeblich an der Bewaffnung der
afghanischen Mudschaheddin gegen die Sowjetunion beteiligt war. „Die
saudische Politik in Bezug auf Syrien wird eng mit den Vereinigten
Staaten koordiniert“, stellte u.a. die israelische Zeitung
Haaretz im Juli 2012 in einem Bericht
über den „CIA-Favoriten“ Prinz Bandar bin Sultan fest, der die
Grundlage für ein Syrien nach Assad gelegt habe. Beide Länder verfolgten
wie Israel damit das Ziel, den Iran von seiner „wichtigsten arabischen
Basis“ trennen und die Waffenlieferungen an die Hisbollah einzudämmen,
bestätigte die Zeitung. Der saudische Geheimdienstchef Bandar
übernahm diese Funktion im Juli 2012,
ist aber an Plänen gegen Syrien und den Iran seit langem beteiligt.
Darauf hatte Seymour Hersh bereits am 5. März 2007 in einem
Beitrag im Magazin New Yorker hingewiesen. (Jens Berger hatte den
ins Deutsche übersetzt.)
"Heimliche Waffenbrüder"
Hersh schrieb damals auch von einer neuen strategischen Partnerschaft
zwischen Saudi-Arabien und Israel, „da beide Länder Iran als
existenzielle Bedrohung ansehen“.
Hans-Ulrich Jörges aus der Chefredaktion des Magazins
Stern sprach am 19. September in einem Kommentar auf
Radio Eins
gar von einer „heimlichen Waffenbrüderschaft“ der beiden so
gegensätzlich scheinenden Länder gegen den Iran. Davon bestätigte die
Nachricht von Juli 2009,
Saudi-Arabien solle Israel nach einem britischen Zeitungsbericht
Zustimmung zum Überfliegen seines Luftraums im Falle eines Angriffs auf
iranische Atomanlagen signalisiert haben. Nebenbemerkung: Als ich vor
Jahren in Tom Clancys Buch „Befehl von oben“ las, dass der israelische
Mossad den saudischen Geheimdienst ausgebildet haben soll, „einer der
ironischsten und unbekanntesten Widersprüche in einem Teil der Welt, der
für seine verschachtelten Widersprüchlichkeiten bekannt ist“
(Taschenbuchausgabe von 2001, S. 158), fand ich das noch unglaublich.
Allerdings sprach schon damals dafür, dass Clancy in seine ausgedachten
Geschichten viel Wissen um reale politische Prozesse und Mechanismen
einfließen ließ.
Saudi-Arabien unterstützte die Kriegsdrohungen der USA gegen Syrien
nach dem 21. August und drängte auf einen Militärschlag, da es „die
größere Gefahr in einem Fortbestehen der schiitischen Achse von der
libanesischen Hisbollah über das schiitisch-stämmige Alawiten-Regime
Assads bis zum schiitischen Iran sieht“, wie in der
Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung am 1. September zu lesen war. „König Abdullah will unbedingt den Sturz von Assad erreichen“, hieß es in einem
Hintergrund-Beitrag der Nachrichtenagentur dpa am 5. September zu den saudischen Zielen. Die britische Zeitung
The Independent hatte am 26. August berichtet,
dass Saudi-Arabien seine langfristigen Anstrengungen verstärkt habe und
die USA zu einer „strengen Antwort“ auf den angeblich von Damaskus zu
verantwortenden Chemiewaffeneinsatz drängte. Treibende Kraft dabei sei
Geheimdienstchef Bandar, der als erster im Februar den westlichen
Verbündeten den angeblichen Einsatz von Sarin durch die syrische Armee
gemeldet hatte. Der saudische Prinz mit besten Verbindungen zu den
Kriegstreibern der Bush-Administration habe monatelang Druck auf das
Weiße Haus und den US-Kongress ausgeübt, sich mehr in den Krieg gegen
Syrien einzumischen. Die Saudis hätten großen Einfluss auf die
US-Politik, zitierte der
Independent aus einem Bericht des
Wall Street Journals.
Druck aus Israel
Gleich nach Bandar folgte der israelische Militärgeheimdienst, der die syrische Führung
im April das erste Mal beschuldigte, im Kampf gegen die „Rebellen“ chemische Waffen einzusetzen. „Israel fordert Intervention“, übersetzte
Die Welt am 25. August
Forderungen des israelischen Präsidenten Shimon Peres, die Chemiewaffen
in Syrien "zu beseitigen". Netanjahu verlangte von der internationalen
Gemeinschaft, die "Gräueltaten" in Syrien zu beenden,
wurde berichtet. Peres hatte
bereits im März
vor dem EU-Parlament in Straßburg gefordert, die Arabische Liga solle
in Syrien militärisch einzugreifen und eine provisorische Regierung zu
bilden. Er warnte damals auch vor der „schrecklichen Gefahr“ durch die
Chemiewaffen im Besitz der syrischen Armee.
Schon im Juni 2012
hatte Israels Vize-Ministerpräsident Schaul Mofas schwerste verbale
Geschütze aufgefahren und von einem „Völkermord“ in Syrien gesprochen.
Deshalb müsse der Westen wie in Libyen militärisch einzugreifen, um
Assad zu stürzen. „Die Regierung von Benjamin Netanjahu unterstützt
ausdrücklich einen möglichen US-Militärschlag gegen das Regime von
Baschar al-Assad“, meldete u.a.
Spiegel online am 5. September. “So groß war die Harmonie zwischen Jerusalem und Washington schon lange nicht mehr.“
2009 hatte der ehemalige israelische Außenminister Shlomo Ben-Ami
geschrieben,
Obama verkörpere „das Schreckgespenst eines Weißen Hauses, das mit dem
jüdischen Staat weder durch emotionale Bindung noch durch gemeinsame
Interessen verbunden ist“. Am 21. September forderte Peres in Jalta
erneut, „der Druck auf Syrien und den Iran sollte ernsthafter werden,
weil diese Länder ‚allgemein anerkannte Normen verletzen‘ und
Massenvernichtungswaffen verwenden“,
berichtete der Sender Stimme Russlands.
Die saudischen und israelischen Forderungen nach einem offenen
Eingreifen der USA und ihrer Verbündeten blieben bis zum 21. August ohne
das gewünschte Ergebnis. Selbst zu den gewünschten offenen
Waffenlieferungen konnte sich der Westen bis dahin nicht richtig
durchringen. Zwar hatte US-Präsident Obama 2012 die „rote Linie“
bezüglich der Chemiewaffen gezogen, die US-Streitkräfte auf eine
Intervention in Syrien vorbereiten lassen und der CIA grünes Licht für
verdeckte Operationen gegeben. Aber alle angeblichen Massaker und die
ersten behaupteten Chemiewaffeneinsätze der syrischen Armee führten
nicht dazu, dass der Westen seine bisherige indirekte in eine direkte
Einmischung zugunsten der „Rebellen“ umwandelte. US-Präsident bevorzugte
weiter eine „politische Lösung“ für den Sturz Assads, während die
syrische Armee zunehmend die Oberhand gegenüber den „Rebellen“ gewann.
Politiker und führende Militärs der USA warnten immer wieder vor den
unkontrollierbaren Folgen eines direkten Kriegseintrittes auf Seiten der
„Rebellen“, auch weil diese als unsicher galten. Erst die Videos und
Fotos der mutmaßlichen Opfer vom 21. August, die Meldungen über Hunderte
Opfer und die angebliche Schuld Assads führten zu der offenen
Kriegsdrohung Obamas gegen Damaskus. „Die Berichte über den
Giftgaseinsatz haben die Welt schockiert und den Ruf nach einer härteren
Gangart gegen das Assad-Regime lauter werden lassen“, hieß es in der
Onlineausgabe der Süddeutschen Zeitung am 26. August.
Der angekündigte Militärangriff sei auch "Teil einer größeren
Strategie, die im Laufe der Zeit die Opposition stärkt und den nötigen
diplomatischen, wirtschaftlichen und politischen Druck schafft, so dass
wir letztendlich einen Übergang haben, der Frieden und Stabilität
bringt", sagte der US-Präsident
am 3. September laut Spiegel online.
„Nicht nur Bestrafung, sondern auch die Beschleunigung von Assads
Abgang sind nun die erklärten Ziele.“ Die Cruise Missiles wurden schon
erwartet: "Die Stunde Null für uns beginnt mit dem ersten
US-Marschflugkörper, " erklärte Kassem Saadeddine vom „Oberkommando der
FSA laut dem Sender
Bloomberg vom 3. September.
Es sei normal, dass die FSA versuchen werde, Positionen der syrischen
Armee einzunehmen, wenn diese von den USA angegriffen werde, wurde Samir
Nashar von der vom Westen zusammengezimmerten „Nationalen Koalition“
zitiert.
Manches deutet daraufhin, dass die Geheimdienste Saudi-Arabiens und
Israels etwas dafür taten, dass Obama seine zögerliche Haltung für einen
Moment aufgab, bevor er sich dank des russischen Drucks auf Syrien
wieder hinter die „rote Linie“ zurückzog. Im erwähnten Beitrag von
Mintpressnews
vom 29. August wurde auf „ausgewählte Kämpfer“, die vom saudischen
Geheimdienstchef Bandar Chemiewaffen erhalten hätten, hingewiesen. Der
Sender
Voice of Russia brachte am 31. August ein Gespräch
mit einem anonym bleibenden hochrangigen Vertreter des libyschen
Verteidigungsministeriums, in dem dieser sagte, es gebe Gerüchte in
seinem Ministerium, dass Bandar israelische Kampfstoffe an die
„Rebellen“ geliefert habe. Dem skeptischen Moderator erklärte der Libyer
daraufhin, dass Israel den größten Nutzen der Ereignisse vom 21. August
und ihrer Folgen habe.
Hinweise auf israelische Chemiewaffen
Israel hatte wie bis vor kurzem auch Syrien die internationale
Übereinkunft zu den Chemiewaffen nicht ratifiziert und steht im
Verdacht, neben Atom- auch chemische und biologische Waffen zu haben.
Dass der Kampfstoff Sarin in Israel kein Fremdwort ist, zeigte u.a. der
Absturz eines israelischen Frachtflugzeuges am 4. Oktober 1992 bei
Amsterdam. 1998 veröffentlichte die Zeitung
NRC Handelsblad ein
Dokument, aus dem hervorgeht, „dass El-Al-Flug LY 1862 mindestens zehn
Fässer mit jeweils 18,9 Liter Dimethyl-Methylphosphonat, kurz DMMP, an
Bord hatte“, so
Der Spiegel in seiner Ausgabe vom 5. Oktober 1998. „Aus 189 Litern DMMP lassen sich, wenn man die übrigen Zutaten hat, rund 270 Kilo Sarin herstellen.“ Drei Tage zuvor hatte
bereits die New York Times darüber berichtet. Weiter aus dem
Spiegel-Beitrag:
„Die Uno-Organisation für das Verbot chemischer Waffen teilte mit,
Europas Laboratorien verbrauchten alle zusammen jährlich nur einige
hundert Gramm davon. Die fragliche Menge lasse sich nur durch ‚große
Feldversuche‘ mit Sarin erklären.
Für die Uno-Experten bestätigt das
noch nicht die Annahme, daß die Israelis im großen Umfang tödliches
Kampfgas herstellen. Dazu seien mehrere Tonnen DMMP erforderlich. Aber
außer den Beteiligten weiß niemand, wieviel DMMP das ‚Israel Institute
for Biological Research‘ (IIBR) in Ness Ziona bei Tel Aviv, an das die
Sendung gerichtet war, über die Jahre erhielt. …
Jean Pascal Landers
vom schwedischen Friedensforschungsinstitut Sipri will jedenfalls
‚verdächtige Lieferungen von Chemiefirmen an Israel‘ registriert haben,
die den Verdacht rechtfertigen, daß dort C-Waffen produziert würden. Das
würde auch erklären, warum die Regierung in Jerusalem den
Chemiewaffensperrvertrag von 1993 zwar unterzeichnet, aber nicht
ratifiziert hat.“
Matthew M. Aid machte
am 9. September in der Online-Ausgabe der Zeitschrift Foreign Policy
auf ein
CIA-Dokument von 1983 aufmerksam, laut dem
US-Spionagesatelliten im Jahr 1982 eine mögliche israelische
Produktionsanlage und ein Lager für Nervengift im „Dimona-Geheimareal“
in der Negev-Wüste aufspürten. Es würden zudem weitere
Chemiewaffen-Produktionen innerhalb der existierenden gut entwickelten
chemischen Industrie Israels angenommen. „While we cannot confirm
whether the Israelis possess lethal chemical agents, several indicators
lead us to believe that they have available to them at least persistent
and nonpersistent nerve agents, a mustard agent, and several
riot-control agents, marched with suitable delivery systems", heißt es
in dem Dokument. Das darin erwähnte dauerhafte Nervengift sei nicht
bekannt, so der Autor, „aber das fragliche nicht-dauerhafte Nervengift
war annähernd sicher Sarin“. Aid will über Google Maps die Lage der
Produktionsstätte ausgemacht haben, „in einem desolaten und nahezu
unbewohnten Gebiet der Negev-Wüste östlich des Dorfes al-Kilab , nur 10
Meilen westlich von den Außenbezirken der Stadt Dimona“. Er verwies auch
auf
Berichte von Rüstungskontrollorganisationen, denen zu Folge Israel seit etwa 20 Jahren geheim chemische und biologische Waffen herstellt und lagert.
Die französische Zeitung
Le Figaro machte am 22. August 2013
darauf aufmerksam, dass seit dem 17. August "Rebellen" unter
jordanischem, israelischem und US-amerikanischem Kommando im Süden über
die Grenze zwischen Jordanien und Syrien gekommen und auf dem Weg nach
Damaskus unterwegs. Diese Kämpfer gehörten nach Informationen des
Blattes zu denen, die seit einiger Zeit vom Westen und seinen
Verbündeten in Jordanien ausgebildet werden und angeblich nicht nur die
syrische Armee bekämpfen und den angestrebten Regimewechsel endlich
erreichen sollen, sondern auch die islamistischen Gruppen zurückdrängen.
Laut David Rigoulet-Roze vom Französischen Institut für Strategische
Analysen (IFAS) hätten sie den Stadtrand von Damaskus erreicht und
dabei auch den Bereich, aus dem am 21. August die mutmaßlichen
Giftgasopfer gemeldet wurden, so
Le Figaro.
In einem
Bericht des Wall Street Journals vom 25. August über Bandar
hieß es,
dass dessen Halbbruder Salman die Ausbildung syrischer „Rebellen“ in
Jordanien überwache. In dem Text war auch zu lesen, dass die ins Visier
genommenen Vororte von Damaskus das Herzstück der „südlichen Strategie"
der Saudis bilden, um die „Rebellen“ in Städten östlich und südlich der
syrischen Hauptstadt zu stärken. Laut
Wall Street Journal
übermittelte der saudische König Abdullah Anfang April eine „streng
formulierte Nachricht“ an Obama: Amerikas Glaubwürdigkeit stünde auf dem
Spiel, wenn es Assad und Iran weiter siegen ließe. Abdullah habe vor
„schrecklichen Folgen“ gewarnt, wenn die USA auf ihre Führungsrolle
verzichteten und ein Vakuum erzeugten. Der saudische Außenminister Prinz
Saud al- Faisal habe das bei einem Treffen mit Obama Monate später
ähnlich wiederholt, zitierte die Zeitung eine Quelle aus der
US-Regierung. Im Juni habe der US-Präsident dann genehmigt, dass die CIA
Waffen an die „Rebellen“ liefere, mit der Option, sich davon wieder
zurückzuziehen, wenn die Lieferungen in die „falschen Hände“ gerieten.
Nach dem 21. August habe Saudi-Arabien und seine Verbündeten Druck auf
Obama ausgeübt, „kraftvoll“ auf den angeblichen Chemiewaffeneinsatz
durch die syrische Armee zu reagieren. Laut einem US-Beamten war die
Botschaft aus Riad: „Man kann nicht als Präsident eine Linie ziehen und
diese dann nicht respektieren.“ Über ein Beispiel für ähnlichen Druck
auf die US-Politik aus israelischer bzw. jüdischer Richtung berichtete
die
New York Times am 9. September:
Das American Israel Public Affairs Committee (AIPAC), die mächtigste
Pro-Israel-Lobby in Washington, wolle 300 seiner Mitglieder zum Capitol
schicken, um als Teil einer breit angelegten Kampagne Druck auf den
US-Kongress zu machen, damit dieser Obama zu einem Angriff auf Syrien
auffordert. Dem Blatt zufolge wolle die israelische Regierung nicht
offiziell mit der Lobbyarbeit in Verbindung gebracht werden. Daran sei
nichts unheimlich oder konspirativ, wurde Abraham H. Foxman von der
Anti-Defamation League zitiert: „Sie brauchen keinen Anruf vom
Premierminister, um zu verstehen, dass Israel an einer militärischen
Aktion der Vereinigten Staaten interessiert ist, weil es eine Botschaft
an den Iran ist.“ Ein erster Text der
New York Times vom 2. September, in dem der Druck durch das AIPAC erwähnte wurde,
verschwand nach dem ersten Erscheinen wieder aus der Online-Ausgabe der Zeitung.
Beobachter machten dafür u.a. verantwortlich, dass in dem Text ein
Regierungsbeamter die Lobbygruppe und ihre Wirkung als einen
„800-Pfund-Gorilla im Raum“ beschrieben hatte.
Bilder und Moral als Waffen
Die kurz nach dem Giftgaseinsatz am 21. August veröffentlichten Fotos
und Videos der mutmaßlichen Opfer dürften das stärkste Argument gewesen
sein angesichts der westlichen Politik, Kriege mit moralischen
Begründungen zu führen, wofür das Konzept der „Schutzverantwortung“
(Responsibility to protect) steht. „Mit Videos von qualvoll sterbenden
Kindern wollen die Demokraten den zaudernden US-Kongress von einem
Militärschlag gegen Syrien überzeugen“, berichtete
Die Welt am 8. September. Inzwischen veröffentlichte
das Online-Magazin Global Research Hinweise, dass selbst diese Belege
gefälscht bzw. inszeniert
wurden, um die syrische Armee für den Giftgaseinsatz verantwortlich zu
machen. Bisher waren es immer tatsächliche oder behauptete
Gräuelereignisse, die halfen, die moralischen Schranken in den USA für
einen Kriegseintritt zu überwinden. „Den Feind als Schurken
hinzustellen, ist und war immer schon Teil jeder Kriegspropaganda“,
stellte die britische Journalistin Linda Ryan vor 13 Jahren in einem
Beitrag in der Zeitschrift Novo
(Ausgabe 44, Januar/Februar 2000) klar. „Ist der Feind einmal im Geiste
zum Unmenschen gemacht, kann er auch ohne weitere Skrupel umgebracht
werden.“ Zwar sah die Autorin die Moral als stärkere Triebkraft als die
materiellen Interessen der westlichen Kriegstreiber: „Hört man genau
hin, fällt auf, dass es weniger um Kindersoldaten oder Kriegsgräuel
geht, sondern um das ‚wir‘ - ‚wir‘, die wir uns kümmern, wir, die wir
unsere moralischen Aufgaben haben, wir, die wir gegen das Böse kämpfen
müssen.“
Der Vorrang der Moral vor den handfesten materiellen und strategischen Interessen, abgesehen von der
westlichen Doppelmoral,
ließe sich meines Erachtens z.B. beim Irak-Krieg 2003 und auch im Fall
Syrien widerlegen, ebenso zuvor bei Libyen. Aber die Moral ist und
bleibt ein starkes Argument, um „unwillige Krieger“ von ihrer
„Schutzverantwortung“ zu überzeugen, dem sich kaum jemand verweigern
kann, will er nicht selber als unmoralisch gelten. Die dabei
eingesetzten Bilder erschweren nicht nur die notwendige nüchterne
rationale Analyse, sondern tragen dazu bei, dass das Völkerrecht immer
weniger eine Rolle spielt. Hinweise wie die des Staatsrechtlers und
Rechtsphilosophen Reinhard Merkel im Gespräch mit dem Sender
Deutschlandradio Kultur am 18. September
auf das positive Völkerrecht haben angesichts der Emotionen wenig
Chancen, beachtet zu werden. Merkel widersprach dem Konzept der
„Schutzverantwortung“ und bezeichnete es als „illegal, in einem
Bürgerkrieg zu intervenieren ohne Sicherheitsratsbeschluss und auf
Seiten aufständischer Rebellen“. Diese würde „in jedem Staat der Welt“
zunächst einmal als Kriminelle behandelt, „nämlich als Terroristen“. Die
Waffenlieferungen an die „Rebellen“ in Syrien durch Saudi-Arabien,
Türkei und Katar sowie die Übernahme logistischer Aufgaben der
Waffenverteilung durch die USA sei „skandalös“. „Und das ist eine tiefe
Mitschuld an diesem katastrophalen Geschehen in Syrien, die der Westen
auf sich geladen hat“, stellte Merkel klar. Der von Obama angekündigte
Bestrafungskrieg sei „rundum, in jedem Belang, illegitim“. „Das, was die
Amerikaner angekündigt hatten, wäre ein gravierender Verstoß nicht nur
gegen das Völkerrecht, sondern gegen die politische Ethik gewesen.
Bestrafungskriege treffen unschuldige Dritte. Sie sind eine Art der
Kollektivbestrafung.“
Vieles deutet daraufhin, dass die führenden westlichen Staaten den
„Arabischen Frühling“ nicht nur als Chance nutzen wollten und nutzen, um
langfristige
Pläne für die Neuordnung des Nahen Osten
umzusetzen. Manches deutet daraufhin, dass der Westen sich von einigen
seiner Verbündeten noch tiefer in die Auseinandersetzungen um regionale
Vorherrschaften hineinziehen ließ und dass dafür alle Mittel genutzt
wurden und werden, auch am 21. August vor Damaskus.
Die Deutung von Brown Moses und anderen, dass es "irgendwie", aber auf jeden Fall aber nur Assad gewesen sein kann und die Rebellen gar nicht in der Lage dazu, halte ich für gewagt, nachdem all die verschiedenen "Rebellen"-Gruppen in dem Krieg gegen und in Syrien mehrfach bewiesen haben, dass sie in Wort und Tat zu allem bereit und in der Lage sind. Da wird prompt zur gleichen Zeit festgestellt, dass die Hälfte der "Rebellen" wohl islamistische Extremisten sind.
Aus meiner Sicht bleiben Gründe für Zweifel, nicht nur wegen der eigenartigen eingesetzten Munition. Die österreichische Zeitung Der Standard am 26. August 2013: Die bei dem mutmaßlichen Giftgasangriff eingesetzten Geschosse, von denen einige nicht explodierten, wirkten wie Marke Eigenbau. „Warum die Armee, die über Scud-Raketen aus sowjetischer und nordkoreanischer Produktion verfügt, improvisierte Waffen eingesetzt haben soll, bleibt allerdings ein Rätsel“, so die Zeitung. Natürlich gibt es da auch Geschosse, die der syrischen Armee zugeordnet werden, mit kyrillischen Beschriftung gar. Aber an diese Geschosse kommt nicht nur die syrische Armee, da die "Rebellen" eine ganze Zahl von Armeelagern erobert haben. Die Geschosse zu füllen, dürfte nicht das entscheidende Hindernis sein.
Und die "Rebellen" haben finanzkräftige Unterstützer, die durchaus in der Lage sind, die Finanzen für ein Labor zu geben ... David Usborne machte in der britischen Zeitung The Independent am 26. August darauf aufmerksam, dass der saudische Geheimdienst, geführt vom CIA-Favoriten Prinz Bandar bin Sultan, im Februar als erster die westlichen Verbündeten von einem angeblichen Giftgaseinsatz durch die syrische Armee "informierte". Es sei das langfristige Ziel der Saudis, den Westen zu einer stärkeren Unterstützung für die "Rebellen" zu bewegen, um Assad stürzen zu können. Zudem hätten die Saudis "erheblichen Einfluss auf das amerikanische Denken" , wird ein hochrangiger US-Beamter zitiert. Da gibt es die bei "Rebellen"-Gruppen gefundenen Chemikalien aus Saudi-Arabien ... Aber auch das sind alles nur Indizien, die maximal Deutungen erlauben, auch wenn klar ist, dass bei einer Aktion "unter falscher Flagge" (flase flag) alles dafür getan wird, dass alles nach einer Aktion der Gegenseite aussieht, so dass auch kyrillische Buchstaben auf der Munition nicht der endgültige Beweis sind. Da gibt es die Berichte über Waffenlieferungen aus Libyen nach Gaddafis Sturz. Libyen bekam viele Waffen und Munition aus Russland bzw. der SU ...
Auch der zeitliche Ablauf lässt mich weiter zweifeln. Syrien fordert die UN-Ermittler an, nach langem Tauziehen treffen die ein und prompt passiert der bisher größte Einsatz von chemischen Waffen in diesem Krieg und alle nachprüfbaren Fakten und Indizien weisen auf einen Angriff durch die syrische Armee hin ... Selbst ein Krieg folgt einer gewissen, wenn auch brutalen Logik, aber die scheint hier irgendwie außer Kraft gesetzt, wenn ich davon ausgehe, dass die syrische Armee am 21. August Giftgas eingesetzt haben soll. Da ist dann noch die Frage, wem ein solcher Angriff nutzt. Assad soll den Eisnatz von Chemiewaffen schon mehrmals angeordnet haben, um dann alle Chemiewaffen an die UNO zu übergeben und vernichten zu lassen?
Ich weiß nicht, was da geschah und wer da was tat. Es bleibt eigenartig.