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Mit deutsch- und volkstümelndem sowie rechtsextremem und faschistischem Gedankengut habe ich nichts am Hut und nichts zu tun!

Samstag, 31. August 2013

Wird am "Weltfriedenstag" gegen Syrien "zurückgeschlagen"?

Nichts deutet daraufhin, dass die US-Administration auf den von ihr mehrfach angekündigten Militärschlag gegen Syrien verzichtet, auch nicht am "Weltfriedenstag".
 
Schlagen die USA jetzt zu, nachdem die UN-Inspektoren ihre Untersuchungen abgeschlossen und Syrien verlassen haben? US-Außenminister John Kerry hatte am 30. August laut Spiegel online erklärt, dass die Ergebnisse der nun anstehenden Untersuchungen in unabhängigen Labors „keine zusätzlich nötigen Beweise erbringen“ würden. Der US-Administration von Barack Obama reicht nach Kerrys Worten der eigene Bericht über den mutmaßlichen Giftgasangriff vom 21. August aus. Zweifel daran darf es nicht geben, und wenn solche auftauchen, werden diese ignoriert. Das gilt zum Beispiel für das, was der ehemalige deutsche UN-Botschafter Gunther Pleuger am 31. August gegenüber dem Deutschlandfunk sagte: Er finde die Darlegungen der USA zum Giftgaseinsatz in Syrien nicht überzeugend. Es seien keine Beweise vorgelegt worden, dagegen nur gesagt worden, dass es überzeugende Beweise gebe. Pleuger fühle sich an die Situation vor dem Irak-Krieg erinnert.

Erinnert sei in dem Zusammenhang daran, dass die UN-Experten unter Leitung von Ake Sellström eigentlich die Vorwürfe der syrischen Regierung untersuchen sollten, dass im März 2013 u.a. bei Khan al-Assal nahe Aleppo Chemiewaffen durch die "Rebellen" eingesetzt worden seien. Das geriet durch die Ereignisse am 21. August anscheinend ebenso in Vergessenheit wie die Tatsache, dass die „Rebellen“ mit einem Angriff auf Khan Al-Assal verhinderten, dass die UN-Inspekteure sich dort ein Bild über den angeblichen Chemiewaffeneinsatz machen können, wie u.a. die junge Welt am 26. Juli berichtete. Der Ort wurde von den Regierungs-Gegnern erobert, der Zugang unmöglich gemacht und bei einem mutmaßlichen Massaker Zeugen ersschossen, wie u.a. RIA Novosti am 29. Juli berichtete. Sebastian Range hatte u.a. am 1. August 2013 in der Online-Ausgabe der Zeitschrift Hintergrund darauf aufmerksam gemacht.

Ich befürchte, dass die USA tatsächlich mit einem „begrenzten Militärschlag“ offen in den Krieg gegen Syrien eintreten, auch ohne "kriegsmüdes" Großbritannien. Frankreich ist ja noch an ihrer Seite. Das wurde zu lange real vorbereitet durch Truppen- und Waffenverlagerungen an die Grenzen Syriens und vor dessen Küste, lange vor dem mutmaßlichen Giftgaseinsatz, sowie propagandistisch angekündigt. Jetzt auf einen solchen Angriff zu verzichten, hieße, die Ergebnisse der UN-Untersuchungen abzuwarten und den verschiedenen Aufrufen zu einer diplomatischen Lösung zu folgen. Das dürfte für Obama und die Kriegstreiber hinter ihm nicht in Frage kommen, denn sie sorgen sich ja zu allererst darum, ihr martialisches Gesicht nicht zu verlieren und dass irgendjemand auf dieser Welt die Stärke der USA in Frage stellt. Und ein solcher Verzicht würde die Bodentruppen des Westens und seiner Verbündeten, die „Rebellen“ verschiedenster Provinienz und Ausrichtung in Syrien, im Stich lassen.

Obama wird sich wahrscheinlich auch nicht von einem pikanten historischen Fakt abhalten lassen: Dass der zu erwartende Angriff samt seiner Begründung fast auf den Tag genau 74 Jahre nach dem mit der Gleiwitz-Lüge begründeten Überfall des faschistischen Deutschlands auf Polen beginnt. „Seit 5:45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen. Und von nun an wird Bombe mit Bombe vergolten.", hieß es damals aus deutschen Volksempfängern. Der 1. September wird seit dem als "Weltfriedenstag" bzw. "Antikriegstag" begangen. Ungeachtet dessen wird es in den nächsten Tagen heißen, dass die USA den Giftgasangriff vergelten, die eigenen Interessen verteidigen und den internationalen Frieden sichern müssen und gar nicht anders können. Zu oft wurde das schon vorher verkündet, als dass etwas anderes zu erwarten ist. Das ist ein weiteres Mal Anlass an historische Vorgänger des Kriegsnobelpreisträgers, der den US-Präsidenten geben darf, zu erinnern. 1918 hatte der deutsche Prinz Max von Baden in seiner "Denkschrift über den ethischen Imperialismus" eine Vorlage geliefert: "Eine so ungeheure Kraft, wie wir sie in diesem Kriege entfaltet haben, muss sich vor der Welt ethisch begründen, will sie ertragen werden. Darum müssen wir allgemeine Menschheitsziele in unseren nationalen Willen aufnehmen." (zitiert nach der Dokumentensammlung "Europastrategien des deutschen Kapitals 1900-1945", herausgegeben von Reinhard Opitz, S. 433).

Obama und die Kriegstreiber hinter ihm und an seiner Seite lassen sich auch nicht von Hinweisen beeindrucken, die ihrer Version des Geschehens vom 21. August widersprechen. Zu solchen Hinweisen gehört u.a., dass laut der russischen Nachrictenagentur RIA Novosti vom 28. August Syrien den UN-Inspekteuren Beweise dafür vorgelegt hat, dass die syrische Armee keine chemischen Kampfstoffe angewendet hatten. Nicht die syrische Regierungsarmee, sondern die Oppositionskämpfer hätten nach russischen Angaben am Mittwoch nahe Damaskus eine Rakete mit unbekanntem chemischem Giftstoff eingesetzt, meldete die Nachrichtenagentur am 21. August. „Die selbstgemachte Rakete wurde am frühen Mittwochmorgen von den Stellungen der Regimegegner aus abgefeuert worden“, erklärte der russische Außenamtssprecher Alexander Lukaschewitsch. Die österreichische Zeitung Der Standard berichetete am 26. August, dass die bei dem mutmaßlichen Giftgasangriff eingesetzten Geschosse, von denen einige nicht explodierten, wie „Marke Eigenbau“ gewirkt hätten. „Warum die Armee, die über Scud-Raketen aus sowjetischer und nordkoreanischer Produktion verfügt, improvisierte Waffen eingesetzt haben soll, bleibt allerdings ein Rätsel“, so die Zeitung. Ein kurdischer Ingenieur wies in seinem Blog daraufhin, dass nach Analyse von Fotos der Blindgänger diese darauf hindeuten, dass sie aus nördlicher Richtung kamen. Die beschuldigte Einheit der syrischen Armee sei aber im Süden von Damaskus stationiert. In die gleiche Richtung weist ein Bericht der libanesischen Zeitung As-Safir vom 23. August 2013, nach dem Russland dem UN-Sicherheitsrat während der Dringlichkeitssitzung am 21. August Satellitenbilder vorgelegt hat, aus denen hervorgeht, daß nicht die syrische Armee, sondern islamistische Freischärler mutmaßlich das Giftgas eingesetzt haben. Danach soll der Angriff aus einem Gebiet erfolgt sein, der von der Gruppe Liwa Al-Islam (Banner des Islam) kontrolliert werde. Die Raketen seien von den Terroristen selbst gebaut worden und hätten chemische Kampfstoffe transportiert.

Der russische Sicherheitsexperte Wladimir Sotnikow vermutet islamistische Gruppen wie die „Dschabhat al-Nusra“ hinter dem Giftgasangriff, so RIA Novosti am 23. August. Das wird u.a. gestützt durch Berichte wie dem des Onlinejournals Mintpress News vom 29. August, dem zu Folge selbst "Rebellen" in der betroffenen Gegend von Damaskus und deren Bewohner bestätigen, dass es nicht die Armee war, sondern von Saudi-Arabien unterstützte Gruppen. Weitere Indizien für eine mögliche Täterschaft von „Rebellen“-Gruppen hatte u.a. ein Blogger am 24. August zusammengetragen und veröffentlicht.

Aber wie geschrieben: Das wird die US-Administration nicht beeindrucken, wie es das bisher nicht tat. Auch das Völkerrecht wird sie nicht abhalten, selbst nicht, dass Obama-Vorgänger James Carter am 30. August warnte: „Eine militärische Strafaktion ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates oder breite Unterstützung aus der NATO und der Arabischen Liga wäre nach dem internationalen Recht illegal und würde den Verlauf des Krieges wahrscheinlich nicht verändern.“ Nein, die USA haben sich in eine Lage verrannt, aus der sie sich aus ihrer Sicht nur ein weiteres Mal durch Marschflugkörper und Bomben auf einen anderen souveränen Staat und vollwertiges UNO-Mitglied befreien können. Denn der von ihnen mit angeheizte Krieg in und gegen Syrien berührt ja „Schlüsselinteressen“ der USA, wie Obama am 23. August in einem Interview erklärt hatte. Und niemand wird sie daran hindern, zum Einen wegen fehlender militärischer Möglichkeiten, zum Anderen weil niemand einen neuen Weltkrieg auslösen will. Es könnte sogar am "Weltfriedenstag" passieren: „Arabische Diplomaten rechnen derweilen nach Angaben der kuwaitischen Zeitung Al-Kabas mit einem Militärschlag spätestens am Sonntag“, berichtete u.a. die Augsburger-Allgemeine am 31. August.

aktualisiert: 16:07 Uhr

Mittwoch, 28. August 2013

Nur eine mögliche Antwort auf die Kriegspläne gegen Syrien

Die Kakophonie der Kriegstreiber hält an, der Countdown zum angekündigten Eintritt in den offenen Krieg gegen Syrien läuft weiter. Nur ein deutliches Nein dazu ist gerechtfertigt.

U.a. bei Focus online kann das Geschehen inzwischen per "Liveticker" verfolgt werden. Nach der bisherigen indirekten Beteiligung des Westens und seiner Verbündeten am Krieg in und gegen Syrien ist der schon für den 29. August 2013 angekündigte bzw. vermutete Schritt zur direkten Beteiligung nur folgerichtig.

• Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, behauptete am 27. August 2013 tatsächlich, ein möglicher Militäreinsatz gegen Syrien ziele nicht auf den Sturz von Staatschef Bashar al-Assad. "Die Optionen, die wir erwägen, drehen sich nicht um einen Regimewechsel". Die New York Times berichtete am 27. August 2013, dass mit den Angriffen verschiedene Standorte der syrischen Armee getroffen werden sollen. Zwar wird das mit dem unbewiesenen Einsatz von Giftgas durch die Armee begründet, aber die USA und ihre willigen Verbündeten wollen der Zeitung zu Folge nicht die Chemiewaffen-Lager angreifen, u.a. um die Umwelt zu schonen, sondern neben den beschuldigten Militäreinheiten auch das Hauptquartier der Armee und Luftwaffenbasen angreifen. Es gehe darum, die Taktik der syrischen Armee, die in den letzten Wochen zunehmend die Oberhand gegenüber den „Rebellen“ errang, zu ändern und Präsident Bashar al-Assad an den Verhandlungstisch zu zwingen, so die Zeitung. Dass deutet daraufhin, dass der mutmaßliche Giftgaseinsatz durch wen auch immer nur ein Vorwand ist, um die Lage in Syrien wieder zugunsten der „Rebellen“ zu verändern. Dazu passt auch, wenn der Sprecher von US-Präsident Barack Obama behauptet, der wiederholt von Obama geforderte Rücktritt Assads könne nur Ergebnis einer politischen Lösung sein. Dass der angekündigte Angriff, wie lang auch immer, Assad nicht wegbomben soll, scheint formal korrekt. Aber das Ziel ist das gleiche: Damit wird die syrische Armee geschwächt, was den „Rebellen“ verschiedenster Couleur nutzt. Ein solcher Angriff kann nicht innerhalb von wenigen Tagen vorbereitet werden. Das geschah lange vor dem 21. August 2013, worauf ich in meinen Beiträgen immer wieder hingewiesen habe, nur der Vorwand fehlte noch. „Westliche Staaten bereiten nach Angaben aus russischen Sicherheitskreisen bereits seit dem vergangenen Jahr eine militärische Intervention in Syrien vor“, meldete die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti am 28. August 2013. In dem Zusammenhang muss erneut darauf hingewiesen werden, was die französische Zeitung Le Figaro am 22. August 2013 berichtete: Der Zeitung zu Folge sind seit dem 17. August 2013 "Rebellen" unter jordanischem, israelischem und US-amerikanischem Kommando im Süden über die Grenze zwischen Jordanien und Syrien gekommen und auf dem Weg nach Damaskus unterwegs. Diese Kämpfer gehören zu denen, die seit einiger Zeit vom Westen und seinen Verbündeten in Jordanien ausgebildet werden und angeblich dafür sorgen sollen, nicht nur die syrische Armee zu bekämpfen und den angestrebten Regimewechsel endlich zu erreichen, sondern dabei auch die islamistischen Gruppen zurückzudrängen. Angeblich befinden sich diese fremdkommandierten Gruppen schon am Stadtrand von Damaskus, so die Zeitung. Am Ende bleibt, dass sich die NATO, die sich auf den Angriff vorbereitet, mal wieder in die Rolle des Angreifers aus der Luft begibt, um die für die Ziele des Westens kämpfenden „Rebellen“-Gruppen am Boden zu unterstützen. Wer etwas anderes behauptet, lügt entweder oder hat sich noch nicht ausreichend mit dem bisherigen Geschehen und den Zusammenhängen beschäftigt. Nur letzteres ist verzeihbar.

• Nicht nur der angekündigte Angriff, sondern der Krieg gegen Syrien an sich, auch der verdeckte, ist seit langem geplant und das schon vor den ersten Unruhen im März 2011. Auf entsprechende Informationen habe ich neben anderen auch mehrmals hingewiesen. So berichtete der ehemalige französische Aussenminister Roland Dumas am 10. Juni 2013 im französischen Parlaments-TV LCP von Kriegsplänen vor dem "Arabischen Frühling". ”Ich werde Ihnen etwas sagen. Ich war zwei Jahre vor dem Beginn der Gewaltausbrüche in Syrien wegen anderer Unterredungen in England. Während meines Aufenthaltes dort traf ich mich mit britischen Spitzenbeamten, die mir gegenüber äusserten, dass man sich darauf vorbereite, etwas in Syrien zu unternehmen.”, sagte Dumas in der Sendung. Ein anderes Beispiel lieferte Ex-NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark, der im Interview mit der österreichischen Zeitung Der Standard, veröffentlicht am 22. Mai 2011, Folgendes von sich gab: „Bashar al-Assad könnte das gleiche Schicksal wie Gaddafi ereilen, wenn er jetzt nicht seine Armee und Sicherheitskräfte unter Kontrolle bringt. Die geostrategische Bedeutung Libyens machen Öl und Menschen aus. Im Fall Syrien ist das geostrategische Gewicht ein völlig anderes: Wenn Assad dort einen humanitären Anlass für eine Aktion gibt, könnte die Entscheidung dafür durchaus beschleunigt werden, weil der Wert eines Wandels in Syrien als sehr hoch eingeschätzt wird. Assad bewegt sich derzeit auf sehr dünnem Eis.“ Schon 2003 hielt Clark einen US-Krieg gegen Syrien für möglich. 2004 schrieb er in seinem Buch "Winning Modern Wars" (dt.: Das andere Amerika), dass er bereits 2001 von Kriegsplänen u.a. gegen Syrien erfuhr (S. 167). "Als ich im November 2001 das Pentagon aufsuchte, hatte ein hochrangiger Stabsoffizier Zeit für eine Unterhaltung. Er bestätigte mir, dass die Operationen gegen den Irak vorangetrieben wurden. Doch das war nicht alles. Diese Aktion sollte Teil eines auf fünf Jahre angelegten Planes sein, der neben dem Irak noch weitere sechs Länder umfasste: Syrien, den Libanon, Libyen, den Iran, Somalia und den Sudan. ..." Die Liste ließe sich fortsetzen. Nicht zu vergessen, dass auch Seymour Hersh 2007 auf die Kriegspläne hingewiesen hatte, deren Endziel der Iran sei. Jens Berger hatte den Beitrag aus dem New Yorker vom 5. März 2007 ins Deutsche übersetzt.

• UN-Sondergesandter Lakhdar Brahimi wandte sich am 28. August 2013 in Genf gegen den angekündigten Militärschlag. Brahimi sagte laut der Nachrichtenagentur Reuters auch, dass nach dem internationalen Recht ein Militärschlag von einer Resolution des UN-Sicherheitsrates gedeckt sein müsse. Die USA, Großbritannien und Frankreich hätten außerdem bis jetzt keine Beweise für einen C-Waffen-Einsatz in Syrien vorgelegt, zitierte RIA Novosti am 28. August 2013 den UN-Sondergesandten. Bisher hatten die Kriegstreiber der Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs immer angekündigt, auch ohne UNO zuschlagen zu wollen. Nun kündigte der britische Premierminister David Cameron einen entsprechenden Entwurf für eine passende UN-Resolution an, wie u.a. Spiegel online am 28. August 2013 berichtete.

• Was das von den Kriegstreibern missachtete internationale Recht über den angekündigten offenen Kriegseintritt des Westens und seiner Verbündeten sagt, darauf haben schon mehrmals Völker- und Staatsrechtler aufmerksam gemacht. In dem Zusammenhang sei an einen Text des Staatsrechtler Reinhard Merkel vom 22. März 2011 in der FAZ erinnert, als die NATO gegen Libyen vorging: "Die Militärintervention gegen Gaddafi ist illegitim". Gegen Gaddafi wurde damals vorgebracht er wolle einen "Völkermord" gegen die Aufständischen verüben. Merkel dazu: "Dass Gaddafi keinen Völkermord begonnen oder beabsichtigt hat, ist evident." Das kann jede und jeder für Syrien übersetzen. Reinhard Merkel hat sich auch jüngst zur Rolle des Westens in Syrien geäußert, in der FAZ vom 2. August 2013: "Der Westen ist schuldig".
Ein Beitrag in der Online-Ausgabe der österreichischen Zeitung Die Presse vom 20. Mai 2013 berichtete über ein Positionspapier der Regierung in Wien, das schon die vom Westen diskutierte Lieferung von Waffen an die „Rebellen“ in Syrien für völkerrechtswidrig erklärte: „Denn das vom Außenministerium erstellte und von Zeitungen öffentlich zugänglich gemachte Positionspapier kann sich vor allem auf das Urteil des Internationalen Gerichtshofs im Nicaragua-Fall aus dem Jahr 1986 berufen, das nach wie vor die herrschende Meinung widerspiegelt. Dabei verwies der IGH unter anderem auf die Friendly-Relations-Deklaration aus dem Jahr 1970, die jeden Staat dazu verpflichtet, die ‚Organisierung, Anstiftung oder Unterstützung von Bürgerkriegs- oder Terrorhandlungen in einem anderen Staat (...) zu unterlassen‘, wenn diese ‚die Androhung oder Anwendung von Gewalt einschließen‘.“ In der Online-Ausgabe der Zeitschrift Zenith erklärte Botschafter a.D. Gerhard Fulda am 19. August 2013: „Der Konflikt in Syrien verführt offenbar zur Sprachlosigkeit und zur Vernachlässigung  elementarer Grundsätze des Völkerrechts.“ Schon die Angriffe Israels wie der im Mai 2013 hätten als völkerrechtswidrig verurteilt werden müssen. Der Diplomat stellte fest: „Die amerikanische Vorstellung, man brauche nur irgendeine Gruppe als terroristisch einzustufen – und die ganze Erde werde zum »Kriegsschauplatz«, auf dem man sich gegen diesen Feind verteidigen dürfe, ist unhaltbar. Diese Auffassung hebelt nicht nur den Grundsatz der Souveränität aller Staaten aus. Sie schafft auch das generelle Gewaltverbot in den internationalen Beziehungen ab, auf das sich die Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Gründung der Vereinten Nationen geeinigt hatten.“ Fulda verwies auf die Parallelen zum NATO-Krieg gegen Jugoslawien 1999. Wie damals werde schon gar nicht mehr von der „responsibility to protect“ gesprochen, sondern behauptet, das Rechtssystem der Vereinten Nationen habe „versagt“. In diesem  „Rechtsnotstand“ dürfe das strikte Gewaltverbot im Artikel 2 (4) der UN-Charta nicht so absolut wie niedergeschrieben gelten.  „Interessanterweise verläuft die Verschiebung auf einen anderen Rechtsbegriff genau parallel mit den sich verändernden militärischen Kräfteverhältnissen in Syrien“, so der Ex-Botschafter. „Wenn wir schon den Präsidenten nicht stürzen können, dann soll wenigstens sein Land mit militärischer Hilfe von außen zerschnitten werden. Im Rahmen des geltenden Völkerrechts gehe aber ohne den Sicherheitsrat weder das Eine noch das Andere. Auch die Berufung auf die früher als Rechtfertigung für gewaltsame Eingriffe herangezogene ‚humanitäre Intervention‘ hilft da nicht weiter, betonte Fulda in seinem Beitrag. Er forderte von der kriegsunterstützenden Bundesregierung: Sie sollte sich zurückbesinnen auf ihre lange außenpolitische Tradition einer hohen Priorität für die Beachtung der allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts. So steht es schließlich auch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.“

Alles deutet daraufhin, dass die westlichen Kriegstreiber samt ihrer Verbündeten und willigen Unterstützer wie Lettland sich durch diese und andere Argumente nicht von ihrem Plan abhalten lassen. Noch wird diskutiert, ob der Kriegsakt am 29. August 2013 erfolgt oder später, etwa erst nach dem G 20-Gipfel in Sankt Petersburg Anfang September. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier hat davor gewarnt, einen Militärschlag in Syrien vor dem G20-Gipfel zu führen, wie die Nachrichtenagentur dpa am 28. August 2013 meldete. Der SPD-Politiker wandte sich aber nicht grundsätzlich gegen die Kriegspläne. Russland und China bleibt nur, gegen den angekündigten Krieg zu protestieren und den Westen zu warnen sowie ihre Möglichkeiten im UN-Sicherheitsrat auszuschöpfen. Verhindern können sie nichts, sie würden es auch nicht versuchen, auch weil ihnen klar ist, dass zum Beispiel eine angemessene Reaktion der russischen Kriegsschiffe vor der syrischen Küste auf den Abschuss von Marschflugkörpern durch US-Kriegsschiffe weitreichendere Folgen hätte, die sie nicht provozieren wollen. Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte laut RIA Novosti vom 27. August 2013 der russischen Zeitung Kommersant: „„Wir wollen gegen niemanden einen Krieg führen.“

Den Kriegsgegnern bleibt nur ein weiteres Mal, den für den Krieg in und gegen Syrien Verantwortlichen in den Regierungen des Westens und seiner Verbündeten klar zu verdeutlichen, dass diese nicht in ihren Namen handeln: „Wir sagen Nein!“

Unterdessen wurde von der Nachrichtenagentur AFP gegen 21 Uhr gemeldet: "Die britische Regierung will nicht militärisch in Syrien eingreifen, bevor die Prüfungsergebnisse der UN-Chemiewaffeninspektoren vorliegen." Diese hatten ihre Arbeit am 26. August 2013 begonnen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte darum gebeten, den UN-Ermittlern in Syrien mindestens vier Tage Zeit für ihre Nachforschungen zu lassen.

ergänzt am 29.8.13, 19:50 Uhr

Montag, 26. August 2013

Kriegstreiber setzen gegen Syrien bewährtes Drehbuch um

Die Reaktionen des Westens und seiner Verbündeten auf den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Syrien folgen einem bekannten Muster. Das macht es nicht besser.

Die westlichen Kriegstreiber machen weiter mobil und stützen sich dabei auf die unbewiesenen Vorwürfe gegen die syrische Armee wegen des mutmaßlichen Giftgaseinsatzes am 21. August 2013. US-Präsident Barack Obama hat seine vermeintliche Zurückhaltung aufgegeben und ist bereit, gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien auch ohne die UNO Syrien anzugreifen, wie die Medien am 26. August 2013 meldeten. Sie lassen sich von nichts und niemand beirren. Natürlich erst Recht nicht von der Bemerkung des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad im Interview mit der russischen Zeitung Iswestija, der Vorwurf des Giftgaseinsatzes gegen die syrische Armee stelle „eine Verhöhnung des gesunden Menschenverstandes“ dar. In dem am 26. August 2013 veröffentlichten Interview sagte Assad: „Wir werden beschuldigt, die Armee habe C-Waffen in einer Region eingesetzt, die angeblich von Regimegegnern kontrolliert wird. In Wirklichkeit aber gibt es in dieser Region keine klare Frontlinie zwischen der Armee und den Regimegegnern. Wie kann denn ein Staat C-Waffen beziehungsweise beliebige andere Massenvernichtungswaffen in einer Region einsetzen, wo sich seine eigenen Truppen befinden? Dies widerspricht jeder Logik.“ Es sei absurd: „Zunächst werden Anschuldigungen erhoben und erst dann Beweise gesammelt“.

Was tatsächlich absurd und wider jede Vernunft wirkt, folgt aber der Logik eines Drehbuches der westlichen Kriegstreiber und ihrer Verbündeten, das ich in einem Beitrag für Heft 7/2012 der Zeitschrift Ossietzky, erschienen am 31. März 2012, beschrieben habe. Aus aktuellem Anlass muss ich daraus zitieren: „Das klare Muster, je nach Bedarf in Details abgewandelt und angepaßt: Ein potentieller oder latenter Konflikt in dem »Schurkenstaat« (mit meist ethnisierten sozialen Ursachen) wird von westlichen Staaten angeheizt, indem eine Seite mit verschiedensten Mitteln bis hin zu Waffen und Ausbildung unterstützt wird. Das geschieht auch, indem die unterstützte Oppositionsgruppe unerfüllbare Maximalforderungen aufstellt. Anfänglich berechtigte soziale Proteste »entwickeln« sich mit Hilfe von außen aktiv zu Demonstrationen und Aufständen, die nur noch eine Forderung kennen: den Sturz der Regierung oder des jeweiligen »Diktators«. Gleichzeitig erhält die erwartungsgemäß schwächere Seite nicht minder übertriebene Versprechungen aus dem Westen, was bei ihrem »Sieg« alles für sie herausspringt. Dazu gehört, jegliche Dialog- und Verhandlungsangebote abzulehnen oder nur pro forma anzunehmen. Wie die Konflikte angeheizt werden und wer für ihren dann erwartbaren gewaltsamen Ausbruch entscheidend mitverantwortlich ist, das zeigte Jugoslawien seit 1990 samt NATO-Krieg gegen dieses Land. Wie das derzeit abläuft, hat kürzlich Jürgen Wagner von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. in seiner Analyse »Syrien: Die Militarisierung der Proteste und die strategische Unvernunft der Gewalt« beschrieben.

Warnungen vor diesem Mechanismus und seinen Folgen bleiben ungehört. Die Gewalt der einen Seite wird verschwiegen, die der anderen überhöht und überdimensioniert. Und so machen die westlichen Politiker und Medien im Fall Syrien aus dem Kampf gegen bewaffnete »Rebellen« das Vorgehen der Armee gegen »die Opposition«. Die erwartungsgemäßen Reaktionen der angegriffenen Seite sowie die absehbaren Folgen und unbeteiligten Opfer dienen dann dazu, diese Seite zu dämonisieren. Spiegel online präsentiert den syrischen Präsidenten unter anderem als Teufel, der das Land zur »Hölle« macht. Auch das Muster ist bekannt. So erging es Slobodan Milosevic, Saddam Hussein oder Muammar al-Gaddafi. Ohne moralische Zustimmung der eigenen Bevölkerung trauen sich die westlichen Brandstifter nicht, die von ihnen gelegten Brände ausgerechnet mit Bomben zu löschen. Die Propagandamaschinerie, die gegen Syrien eingesetzt wird, ist erprobt und bekannt. Andreas Elter beschreibt sie in seinem Buch »Die Kriegsverkäufer: Geschichte der US-Propaganda 1917–2005«, Mira Beham in »Kriegstrommeln. Medien, Krieg und Politik«, Jörg Becker und Mira Beham in »Operation Balkan: Werbung für Krieg und Tod«, John R. MacArthur in »Schlacht der Lügen« oder Norman Solomon und Reese Erlich in »Angriffsziel Irak. Wie die Medien uns den Krieg verkaufen«. Das immer gleiche Drehbuch funktioniert in erschreckender Weise immer wieder. Die wenigen Stimmen der Vernunft kommen gegen den Einheitsbrei der Konzernmedien nicht an.

Mit der sich immer schneller drehenden Gewaltspirale steigt die Zahl der zivilen Opfer. Diese dienen dazu, den bekannten Interventionsmechanismus in Gang zu setzen: Maximalforderungen des Westens an die »Schurken«-Seite, Sanktionen, Schutzzonen, Flugverbot, Aufmarsch von Truppen und Waffen, Zuschlagen auf Grund eines schlimmen Ereignisses oder einer Greueltat in Folge des Konfliktes ... Nicht immer schickt der Westen neben den eigenen Bomben und Marschflugkörpern auch eigene Soldaten in den Krieg. Diese Aufgabe übernehmen gern auch Verbündete des Westens mit eigenen Interessen. Im Fall Syrien stehen unter anderem Saudi-Arabien, Katar und die Türkei längst bereit und sind auch schon aktiv. Was Assad dann blüht, das wurde an Milosevic und Gaddafi vorexerziert. Das Leid derjenigen, die zu Opfern dieser Gewaltspirale werden, ist denen, die dafür verantwortlich sind, auch im Fall Syrien egal. Sie interessieren nur als Propaganda-Argument bei der Kriegshetze.“

Leider sehe ich keinen Grund, an dem Text irgendetwas zu ändern. Auch die jüngsten Ereignisse bestätigen dieses Drehbuch derjenigen, die noch jeden ihrer bisherigen Kriege mit widerlegten Lügen begründeten. Und so kommt die vermeintliche Kurswende von US-Präsident Obama alles andere als überraschend. Die Kriegstreiber haben darauf hingearbeitet, worauf ich mehrmals aufmerksam gemacht habe. Dazu gehören auch die veröffentlichten Pläne des US-Generalstabes für einen Militärschlag gegen Syrien und Studien, wie einfach sich die syrische Luftwaffe und Luftverteidigung ausschalten lasse. Das war nicht nur eine Einladung an die „Rebellen“, für ein Ereignis zu sorgen, mit dem gerechtfertigt werden kann, die Pläne umzusetzen. Russlands Außenminister Sergej Lawrow gehörte zu den wenigen auf der internationalen Bühne, die darauf hinwiesen, dass damit die Bemühungen um eine friedliche Lösung unmöglich gemacht werden.

Jakob Augstein meinte bei Spiegel online am 26. August 2013: „Aber niemand glaubt im Ernst, der Westen sei willens oder in der Lage mit Panzern und Bomben in das riesige Syrien einzufallen.“ Während ich seiner Forderung „Finger weg vom Abzug“ zustimme, halte ich seine Einschätzung für einen Irrtum bzw. befürchte, dass er einen Irrglauben beschreibt. Das nicht nur, weil die Kriegstreiber bisher vor noch keiner Lüge zurückschreckten. In Syrien droht, dass das Muster aus dem Krieg gegen Libyen und Muammar al-Gaddafi wiederholt wird: Die NATO als Luftwaffe und die „Rebellen“, geführt von Spezialeinheiten des Westens und seiner Verbündeten, als Bodentruppen. Sie eint von Anfang an ein Ziel: Regimewechsel in Damaskus, notfalls mit allen Mitteln. Mir ist nichts bekannt, dass es da einen Kurswechsel des Westens gegeben hätte. Sie haben nichts getan bisher, was davon künden könnte, bei aller behaupteten Bereitschaft für eine friedliche Lösung. Selbst die schloss immer den Regimewechsel ein. An diesem arbeitet auch die Bundesregierung unter Angela Merkel aktiv mit (siehe hier und hier), die jetzt wahrscheinlich dem Wahlkampf geschuldet verkünden ließ, gegen eine militärische Lösung zu sein. An den unbewiesenen Vorwürfen, die syrische Armee habe angeblich das Giftgas am 21. August 2013 eingesetzt, hat auch auch Merkel wenig Zweifel.

Auf einen weiteren möglichen Beleg, dass die Vorwürfe falsch sind, machte die österreichische Zeitung Der Standard am 26. August 2013 aufmerksam: Die bei dem mutmaßlichen Giftgasangriff eingesetzten Geschosse, von denen einige nicht explodierten, wirkten wie Marke Eigenbau. „Warum die Armee, die über Scud-Raketen aus sowjetischer und nordkoreanischer Produktion verfügt, improvisierte Waffen eingesetzt haben soll, bleibt allerdings ein Rätsel“, so die Zeitung. Sie verweist auf eine Recherche des auf Chemiewaffen und den syrischen Bürgerkrieg spezialisierten Bloggers "Brown Moses", der zu Folge die Geschosse aus Stellungen der syrischen Armee gekommen  sein könnten. In dem Blog wird aber auf einen Text eines kurdischen Ingenieurs hingewiesen, dass nach Analyse von Fotos der Blindgänger diese darauf hindeuten, dass sie aus nördlicher Richtung kamen. Die beschuldigte Einheit der syrischen Armee sei aber im Süden von Damaskus stationiert. In die gleiche Richtung weist ein Bericht der libanesischen Zeitung As-Safir vom 23. August 2013, nach dem Russland dem UN-Sicherheitsrat während der Dringlichkeitssitzung am 21. August Satellitenbilder vorgelegt hat, aus denen hervorgeht, daß nicht die syrische Armee, sondern islamistische Freischärler mutmaßlich das Giftgas eingesetzt haben. Danach soll der Angriff aus einem Gebiet erfolgt sein, der von der Gruppe Liwa Al-Islam (Banner des Islam) kontrolliert werde. Die Raketen seien von den Terroristen selbst gebaut worden und hätten chemische Kampfstoffe transportiert.

In der österreichischen Zeitung Der Standard widerlegte der Chemiewaffenexperte Ralf Trapp am 26. August 2013 die Behauptung des britischen Außenministers William Hague und der US-Regierung, die Bereitschaft der syrischen Regierung, die UN-Inspektoren zum Tatort vorzulassen, komme zu spät und ein Chemiewaffeneinsatz lasse sich nun nicht mehr nachweisen. „Sarin etwa – jene Chemiewaffe, über deren Einsatz im aktuellen Fall spekuliert wird – sei durch ‚charakteristische Spuren‘ im Blut von Opfern meist noch Wochen nach einem Einsatz nachweisbar." Trapp meinte, durch die Angriffe der syrischen Armee auf das von „Rebellen“ gehaltene Gebiet ließen sich die Spuren nicht verwischen: "Natürlich kann durch das Bombardement etwas verlorengehen, es sollte aber in jedem Fall noch genug vorhanden sein." Auch andere Kampfstoffe als Sarin seien „aller Wahrscheinlichkeit nach“ noch nachweisbar: "Wenn Sie einen Einschlagkrater finden, dann können Sie auch feststellen, was da verwendet wurde."

All das wird die westlichen Kriegstreiber und ihre Verbündeten nicht stoppen können, befürchte ich. Ob es Russland und China mit ihren Warnungen an den Westen das vermögen, bezweifle ich. Wie sollten sie denn auf einen US-Militärschlag gegen Syrien reagieren, ohne einen größeren Krieg auszulösen? Oft schon haben die USA und ihre willigen Mitläufer ungestraft das Völkerrecht mißachtet und mit Bomben und Marschflugkörpern zerstört und das mit Lügen begründet. Niemand hielt sie auf oder stellte sich ihnen entgegen, niemand war dazu in der Lage. Schon warnte Venezuelas Präsident Nicolas Maduro vor einem Weltkrieg.

Mir bleibt nur ein weiteres Mal zu hoffen, dass ich mich irre mit meinen Befürchtungen und das tatsächlich die Vernunft die Oberhand behält.

Text aktualisiert am 27.8.2013, 2:46 Uhr

Samstag, 24. August 2013

Syrien: Das Schauspiel der Eingreifer

Die Interventionsmaschinerie gegen Syrien ist in Gang gesetzt, begleitet von einem eigenartigen Schauspiel.

Die Kriegstreiber und Eingreifer bereiten sich darauf vor, endlich in Syrien in ihrem Interesse aufräumen zu können. Die US-Marine stockt ihre Präsenz vor der syrischen Küste auf. Anlass ist der mutmaßliche Giftgaseinsatz vom 21. August 2013, für den die syrische Armee verantwortlich sein soll. Dafür gibt es immer noch keine Beweise.
Dafür wird um so heftiger drumherum ein Schauspiel aufgeführt:

a) Die "internationale Staatengemeinschaft" fordert die syrische Regierung auf, die Vorwürfe gegen sie zu widerlegen. Natürlich gilt das rechtsstaatliche Prinzip, dass eine Anklage bewiesen werden muss, nicht bei "Diktatoren", dafür darf die Beweislast ruhig verdreht werden.

b) Die syrische Regierung wird ultimativ aufgefordert, den UN-Inspektoren Zugang zum mutmaßlichen Tatort zu verschaffen. Der wird aber von den "Rebellen" gehalten, so dass die syrische Regierung dazu keinen Zugang hat. Aber auch solche Details spielen keine Rolle, wenn es gegen "Diktatoren" geht ...

c) Unwichtig scheint auch das Detail, auf das der Nahost-Wissenschaftler Günther Meyer hinwies: Den UN-Einsatz nannte Meyer "ein riesiges politisches Theater". "Der Auftrag dieser Inspektoren zielt nur darauf ab festzustellen, ob Chemiewaffen eingesetzt wurden, aber nicht von wem sie eingesetzt worden sind."

d) Dann ist da noch das mutmaßliche Massaker Ende Juli in dem syrischen Ort Khan al-Assal, einem Vorort von Aleppo. Dort sollten die UN-Inspektoren einen mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatz untersuchen. Doch die "Rebellen" kamen ihnen zuvor, eroberten den Ort und machten den Zugang unmöglich, erschossen angeblich Zeugen. Sebastian Range hat u.a. am 1. August 2013 in der Online-Ausgabe der Zeitschrift Hintergrund darauf aufmerksam gemacht.

Das sind anscheinend alles nebensächliche Details, fordert doch selbst UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon zuallererst von der syrischen Regierung Kooperation bei der Aufklärung der Vorwürfe gegen sie. Dass es durchaus auch Zweifel an der Rolle der UN-Inspektoren geben kann, wie der Krieg gegen den Irak 2003 zeigte, scheint ganz nebensächlich. Und was erlaubt sich die syrische Regierung noch, auf die Souveränität des Landes hinzuweisen, wo doch dort ein "Diktator" herrscht, der zu allem fähig ist ...

Freitag, 23. August 2013

Syrien: Kriegstreiber machen mobil und lassen kämpfen

Die Kriegshetze gegen Syrien nimmt nach dem mutmaßlichen Giftgaseinsatz zu, ohne Beweise gegen die syrische Armee. Unterdessen kämpfen "Rebellen" unter fremden Kommando. (überarbeitete Fassung des Textes "Hat die Intervention begonnen?" von 15:25 Uhr)

Die politischen Kriegstreiber des Westens und seiner Verbündeten rufen nach einem Militärschlag gegen die syrische Armee, wie u.a. die junge Welt am 23. August 2013 berichtete. Ohne jegliche entsprechende Beweise begründen sie das mit dem mutmaßlichen Giftgaseinsatz am 21. August 2013 in einem Vorort von Damaskus. Sie machen die syrische Armee dafür verantwortlich. Die medialen Kriegstreiber wie die von Spiegel online kritisieren dabei u.a. US-Präsident Barack Obama für seine bisherige Weigerung, dem Wunsch der "Rebellen" nach einem militärischen Eingreifen der USA nachzukommen. Dem "Präsident für Zaudern und Zögern" (Spiegel online) versucht unterdessen Republikaner John McCain Druck zu machen. Dem Schweizer Tages-Anzeiger zu Folge sagte McCain in einem TV-Interview am 22. August 2013, er sei überzeugt, dass Berichte der syrischen Opposition zuträfen und das Assad-Regime Giftgas eingesetzt habe. Er fordert deshalb Bombenabwürfe durch die US-Luftwaffe.

Unterdessen machte ein Bericht der französischen Zeitung Le Figaro vom 22. August 2013 darauf aufmerksam, dass die westlichen Kriegstreiber und ihre Verbündeten die "Rebellen" nicht nur kämpfen lassen, sondern diese auch kommandieren und führen. Der Zeitung zu Folge sind seit dem 17. August 2013 "Rebellen" unter jordanischem, israelischem und US-amerikanischem Kommando im Süden über die Grenze zwischen Jordanien und Syrien gekommen und auf dem Weg nach Damaskus unterwegs. Diese Kämpfer gehören zu denen, die seit einiger Zeit vom Westen und seinen Verbündeten in Jordanien ausgebildet werden und angeblich dafür sorgen sollen, nicht nur die syrische Armee zu bekämpfen und den angestrebten Regimewechsel endlich zu erreichen, sondern dabei auch die islamistischen Gruppen zurückzudrängen.

Die Zeitung hält es für möglich, dass der Vormarsch der von ausländischen Militärs und Spezialkräften geführten "Rebellen" der Grund sein könnte, warum die syrische Armee für den Giftgaseinsatz verantwortlich sein könnte. Laut David Rigoulet-Roze vom Französischen Institut für Strategische Analysen (IFAS) hätten sie den Stadtrand von Damaskus erreicht und dabei  den Bereich, aus dem die mutmaßlichen Giftgasopfer berichtet wurden. Der Bericht erinnerte daran, dass der Sprecher des syrischen Außenministeriums im Juli 2012 öffentlich erklärte, dass die mutmaßlich bei der syrischen Armee vorhandenen chemischen Waffen in Syrien nicht eingesetzt würde, "außer im Falle einer Aggression von außen." "Das Eindringen von ausländischen Agenten im Süden, zum Beispiel ..." könnte als solche Aggression gewertet werden, fügt die Zeitung hinzu.

Solche Vermutungen ignorieren ebenso, dass es bisher keine Beweise für einen Giftgaseinsatz durch die syrische Armee, aus welchem Grund auch immer, gibt. Das Gegenteil ist der Fall, wie u.a. die österreichische Zeitung Die Presse am 23. August 2013 feststellte. "Mit Sicherheit ist es kein konventioneller militärischer Schlag mit Chemiewaffen", zitiert das Blatt Gwyn Winfield, Chemiewaffenexpertin von CBRNeWorld, die auf Bedrohungsszenarien spezialisiert ist. Die weit über 100 vorliegenden Videos seien keine Beweise. „Die Symptome, die bei den Menschen zu beobachten sind, weisen nicht auf den Einsatz von Sarin hin", so Winfield. Die Zeitung weiter: "Nicht anders urteilt der Spezialist Steve Johnson. 'Wäre es Sarin oder ein anderes hoch tödliches Nervengas, müsste sich das medizinische Personal kontaminieren. Aber das ist offensichtlich nicht der Fall.' Dan Kaszeta, Ex-Offizier des US-Corps für Chemiewaffen mit 22-jähriger Berufserfahrung, verweist auf einen weiteren wichtigen Punkt. 'Einige der Opfer mögen Symptome von Nervengas haben, aber es fehlen weitere Indikatoren.'" Neben von der Polizei gegen Demonstranten eingesetzten Gasen könnte es sich auch um "ein selbst fabriziertes Nervengas mit weit weniger tödlicher Wirkung und Ausbreitung als Sarin" handeln, gibt Die Presse die Experten wieder. Die Zeitung verweist auf von ihr gefundene weiße Plastikgranate mit Gas bei "Rebellen" in Aleppo, die diese aus Armeelagern erbeutet hätten und die bei den bisherigen mutmaßlichen Giftgasvorfällen eine Rolle spielten.  Interessanterweise, aber nicht überraschend, ist in der ganzen aktuellen Berichterstattung über den mutmaßlichen Giftgaseinatz bei Damaskus kein bzw. kaum ein Hinweis auf die vorherigen Informationen über Giftgas in den Händen der "Rebellen" zu finden, auf die ich auch schon hingewiesen habe, siehe hier.

Der Mainzer Nahost-Wissenschaftler Günther Meyer geht weiter davon aus, dass die "Rebellen" das Giftgas eingesetzt haben. Am 22. August 2013 sagte er in SWR1 Rheinland-Pfalz: "Was wir hier erlebt haben, ist ein Massenmord mit dem einzigen Ziel, diesen Massenmord dem Regime anzulasten und damit die USA unter Druck zu setzen, hier einzugreifen." Gerade jetzt, wo die UN-Inspektoren im Land seien, mache ein von Assad verübter Giftgasangriff überhaupt keinen Sinn. Den UN-Einsatz nannte Meyer "ein riesiges politisches Theater". "Der Auftrag dieser Inspektoren zielt nur darauf ab festzustellen, ob Chemiewaffen eingesetzt wurden, aber nicht von wem sie eingesetzt worden sind."

Zum Thema gehört auch der Hinweis auf das, was  RIA Novosti am 19. Juli 2013 u.a. meldete: "Kürzlich kam heraus, dass Großbritannien nicht eindeutig klassifizierbare Substanzen nach Syrien geschickt hatte, mit denen chemische Kampstoffe hergestellt werden können. Nach Angaben des britischen Parlamentsausschusses für Waffenexporte soll es sich um Natriumfluorid handeln. Was mit dieser Substanz in Syrien in Wirklichkeit angestellt wird, konnte nicht festgestellt werden."
Aber die britische Regierung geht davon aus, dass Assad-loyale Kräfte hinter dem mutmaßlichen Giftgaseinasatz stecken, erklärte Außenminister William Hague am Freitag laut Spiegel online.
Bei RIA Novosti ist zu lesen: "Der russische Sicherheitsexperte Wladimir Sotnikow ist ebenfalls der Ansicht, dass Assads Gegner nicht hinter dem Giftgasangriff stehen. 'Die Opposition, die zunehmend mehr Finanz- und Militärhilfe vom Westen bekommt, hätte die Weltgemeinschaft kaum provoziert, insbesondere während des Besuchs der Beobachter', sagte der Experte. Auch die syrische Regierung sei kaum für die Aktion verantwortlich. Es könne sich um Islamisten handeln, beispielsweise die Gruppierung 'Dschabhat al-Nusra'.
Falls dies tatsächlich stimmt, rückt ein Militäreinsatz näher."

Lutz Herden von der Wochenzeitung Freitag hat am heutigen 23. August 2013 einen interessanten Beitrag zum Thema "Eingreifen für wen?" veröffentlicht. Darin schreibt er u.a.: "Was sollte die syrische Führung veranlassen, mit Chemiewaffen zu kämpfen, wenn ihr die Chemiewaffen-Inspektoren der UN auf die Finger sehen können? Oder reizt sie gerade das? Wäre es so, müsste man in Damaskus einer tollkühnen, zu guter Letzt selbstmörderischen Obsession verfallen sein: Austesten, ob der US-Präsident die „rote Linie“ überschreitet, wenn die Assad-Streitkräfte dasselbe durch den Einsatz von Sarin, Senfgas oder VX-Kampfstoff tun? Das ist schwer zu glauben – und wenn es so wäre, noch schwerer zu fassen."

Donnerstag, 22. August 2013

Syrien: Das nächste bestellte Massaker?

Statt einer friedlichen Lösung für Syrien gibt es neue Gräuelmeldungen aus dem kriegsgeschundenen Land.

In Syrien ist den Meldungen zu Folge wieder etwas Schlimmes passiert: In Vororten von Damaskus, die von „Rebellen“ gehalten werden, sollen bei Angriffen der syrischen Armee viele Menschen ums Leben gekommen sein, darunter Frauen und Kinder. Um das zu steigern, erklären die Gegner von Präsident Bashar al-Assad, die Armee habe Giftgas eingesetzt und so den Tod der Zivilisten verschuldet. „Die syrische Opposition überschlug sich mit Angaben über die Zahl der Toten“, meldete u.a. der österreichische Standard am 21. August 2013. „Mehr als 200, knapp 500, ein Vertreter der oppositionellen Nationalen Syrischen Allianz in Istanbul, George Sabra, sprach am Mittwochnachmittag schließlich von 1300 Menschen, …“ Die Regierungsgegner versuchten seitdem über die sogenannten sozialen Medien ihre Vorwürfe mit Fotos und Videos zu belegen. Die Meldungen wirken, auch wenn die Opferzahlen und die Herkunft der Raketen nicht geklärt sind: „Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich schockiert über den mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien mit mehr als tausend Toten geäußert und schnelle, unabhängige Aufklärung gefordert.“ Das meldete die Stuttgarter Zeitung am selben Tag. Laut Standard forderte die türkische Regierung, die Staatengemeinschaft müsse auf dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit reagieren. „Die USA sind über die Berichte zutiefst besorgt, laut denen hunderte syrische Bürger am Mittwoch bei einem Angriff der syrischen Regierungskräfte, darunter unter Einsatz von chemischen Waffen, getötet wurden“, zitierte die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti den Sprecher des Weißens Hauses, Josh Ernest.

Klar scheint, dass es zahlreiche Tote gab. Bekannt ist, dass die syrische Armee eine Großoffensive auf Stellungen der „Rebellen“ in Vororten der syrischen Hauptstadt begonnen hat. Für die medialen Kriegstreiber wie die von Spiegel online ist der Fall anscheinend klar: Da kann es nur die syrische Armee gewesen sein, auch wenn dafür keine Belege gebracht werden. Die Einschätzungen von Experten wie Stefan Mogl vom Schweizerischen Bundesamt für Bevölkerungsschutz, dass die gezeigten Bilder der Opfer tatsächlich auf einen Einsatz chemischer Kampfstoffe hinweisen, sollen ausreichen. Mutmaßliche Augenzeugenberichte sollen belegen, dass die Raketen von Armeestellungen abgeschossen wurden.

Da stört nur ein Fakt: Just zu der Zeit des Angriffes befinden sich UN-Experten in Syrien, die Vorwürfe über den Einsatz von Chemiewaffen u.a. im März bei Aleppo aufklären sollen. Laut Standard sind sie gar nur wenige Kilometer vom Tatort entfernt untergebracht. Das lässt eigentlich die Vorwürfe gegen die syrische Armee absurd erscheinen, stört aber Spiegel online anscheinend niemand. Dort wird Riad Kahwaji, Geschäftsführer des Institute for Near East & Gulf Military Analysis (Inegma) in Beirut, zitiert, für den klar ist, dass nur die syrische Regierung schuld sein kann. Diese sende „der Opposition mit diesem Timing ein klares Signal: 'Ihr seid allein, und wir können mit euch machen, was wir wollen.' Der Chemiewaffen-Einsatz im Beisein des Uno-Teams verhöhne die internationale Gemeinschaft geradezu.“ Nein, Beweise werden nicht vorgelegt, wozu auch, Zweifel werden nicht erwähnt, die Schuldfrage scheint geklärt.

Immerhin findet sich bei anderen Medien u.a. ein Zitat des Leiters des UN-Untersuchungsteams, Ake Sellström. Er hat laut der österreichischen Zeitung Standard der Nachrichtenagentur TT am 21. August 2013 gesagt: "Die erwähnte hohe Anzahl Verletzter und Getöteter klingt verdächtig. Es klingt wie etwas, das man untersuchen sollte." Der schwedische Exdiplomat Rolf Ekeus sagte laut der Zeitung: "Es wäre sehr seltsam, wenn die syrische Regierung ausgerechnet in dem Moment zu solchen Mitteln greifen würde, wenn die Beobachter im Land sind." Ekeus hatte in den 90er-Jahren ein Team von UN-Waffeninspektoren im Irak geleitet. "Zumindest wäre es nicht sonderlich schlau." Der Schweizer Tages-Anzeiger veröffentlichte auf der Startseite seiner Online-Ausgabe am selben Tag ein Interview mit dem Nahost-Wissenschaftler Günter Meyer von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er bezeichnete die Berichte über den Chemiewaffeneinsatz als glaubhaft, meinte aber: „Das Regime von Bashar al-Assad hat … absolut kein Interesse am Einsatz von Chemiewaffen.“ Das begründete er so: „Die Regierungstruppen befinden sich auf dem Vormarsch. In den letzten Wochen und Monaten erzielten sie mit Bombardements grosse militärische Geländegewinne, gerade auch in der Region Ghuta nahe Damaskus, wo die Giftgasangriffe erfolgt sein sollen. In einer solchen Situation Chemiewaffen einzusetzen, macht für das Regime überhaupt keinen Sinn. Auch weil Inspektoren der UNO sich zurzeit im Land aufhalten. Das Regime weiss ganz genau, dass die von US-Präsident Barack Obama gesetzte ‚rote Linie‘ überschritten wäre, wenn es Chemiewaffen einsetzen würde und dies von den UNO-Inspektoren auch nachgewiesen werden könnte.“ Nur die „Rebellen“ könnten davon profitieren, so Meyer. „Umso mehr, als das Giftgas dieses Mal, im Vergleich zu den ersten Fällen, anscheinend als Massenvernichtungswaffe eingesetzt worden ist, wenn die oppositionellen Behauptungen von Hunderten von Toten tatsächlich zutreffen sollten.“ Der Wissenschaftler erinnert daran, dass die Assad-Gegner seit langem versuchen, die USA und ihre Verbündeten zu einem militärischen Eingreifen zu bewegen. „Dabei nutzen sie den Umstand aus, dass sich Inspektoren der UNO in Syrien aufhalten. Das alles passt ins Schema, das wir bereits von den ersten Giftgasangriffen im vergangenen März her kennen.“

Das von Meyer beschriebene Schema ist es, was mich auch an den Vorwürfen an die syrische Armee zweifeln lässt. Was die „Rebellen“ und ihre Unterstützer, auch die in deutschen Mainstream-Medien, behaupten, scheint zu gut zusammen zu passen und wirkt zu gleich angesichts der Umstände absurd. Es erinnert an andere bisher erfolglose Versuche, mit einem angeblichen Massaker durch Regierungstruppen den Westen dazu zu bringen, endlich beim Sturz Assads direkt zu helfen. Dafür stehen die Ereignisse in Hula, Homs, Treimseh und anderen Orten, dazu die bisherigen Vorwürfe über Chemiewaffeneinsätze durch die syrische Armee. Immer wieder tauchten solche Berichte just in dem Moment auf, wo in der UNO über den Krieg in Syrien beraten wurde oder versucht wurde, über Verhandlungen eine friedliche Lösung zu finden. Natürlich habe ich auch keine Beweise, dass die Vorwürfe der „Rebellen“ und ihrer Unterstützer falsch sind. Aber alles, was ich dazu in Erfahrung bringen kann, führt mich erneut zu der Frage, die ich im Mai 2012 im Zusammenhang mit dem angeblichen Massaker von Hula stellte: „Für wie blöd werden wir gehalten?“ Ich habe auch schon mehrfach auf die Bereitschaft der „Rebellen“ hingewiesen, Opfer bewußt zu „produzieren“, um ihre Ziele zu erreichen.

Ich kann nur hoffen, dass der allem Anschein nach erneute Versuch, den Westen endlich zu einer Intervention zu bewegen, bevor die syrische Armee endgültig die Oberhand gewinnt, erneut scheitert. Es könnte aber  auch diesmal wie 1999 in Racak laufen. Das dortige angebliche Massaker an Kosovo-Albanern wurde von den damaligen OSZE-Beobachtern nicht bestätigt. Doch am Ende ihrer Mission stand der NATO-Angriff gegen Jugoslawien. Dass die Beobachter etwas anderes gesehen hatten als die politischen Kriegstreiber behaupteten, wurde erst später gemeldet. Die nicht beweisbare Behauptung vom Massaker in Racak war nützlich und wurde von vielen geglaubt. Auch Ex-General Heinz Loquai, der als OSZE-Beobachter vor Ort war und die offizielle Darstellung in Frage stellte konnte das damals nicht verhindern. Ob diesmal hilft, was RIA Novosti am Aabend des 21. August 2013 meldete, weiß ich nicht: „Nicht die syrische Regierungsarmee, sondern die Oppositionskämpfer haben nach russischen Angaben am Mittwoch nahe Damaskus eine Rakete mit unbekanntem chemischem Giftstoff eingesetzt. ‚Die selbstgemachte Rakete wurde am frühen Mittwochmorgen von den Stellungen der Regimegegner aus abgefeuert worden‘, erklärte der russische Außenamtssprecher Alexander Lukaschewitsch. Ziel des Beschusses sei ein östlicher Vorort von Damaskus gewesen, in dem die syrischen Regierungstruppen in den letzten Tagen intensiv gegen die Oppositionskämpfer vorgegangen seien.  Eine ähnliche Rakete haben Terroristen am 19. März 2013 in Khan al-Assal eingesetzt, hieß es.“ Sicher ist: Ein Ende des Krieges in und gegen Syrien bleibt weiter außer Sichtweite, eine friedliche Lösung scheint nicht möglich.

Nachtrag von 13:27 Uhr: Jürgen Meyer macht in der Internetz-Zeitung am 22. August 2013 darauf aufmerksam, dass die ersten Meldungen über das angebliche Giftgas-Massaker schon einen Tag vor dem eigentlichen Ereignis gebracht wurden. "Al Jazzera veröffentlichte via Reuter die Nachricht von Massaker in Ost-Ghouta einem Tag vor dem Stattfinden des Giftgaseinsatzes. Dutzende von Videos wurden dafür hochgeladen und zwar einen Tag vor dem Massaker". Die Reuters-Meldung stammt tatsächlich vom 21. August 2013, aber von 1.46 Uhr in der Nacht. Bei Spiegel online wird vom "Mittwochmorgen", gegen 5 Uhr morgens, als Zeitpunkt des mutmaßlichen Angriffs geschrieben.
Doch schon bei dem ersten Video, das hier zu sehen ist, steht: "Veröffentlicht am 20.08.2013". Ich habe ja noch auf eine deutliche Zeitzonenverschiebung getippt als mögliche Erklärung, aber Damaskus ist Berlin derzeit eine Stunde voraus, da ist es jetzt 14.27 Uhr. Da scheint tatsächlich was nicht zu stimmen.

Nachtrag von 16:11 Uhr: Allerdings ist fraglich, ob die Datumsangabe bei den YouTube-Videos als Fälschungsbeweis tauglich ist. Bei YouTube wird nur das Datum angegeben und anscheinend die Pacific Standard Time (PST) von Kalifornien verwendet, was zu Datumsverschiebungen führen kann, wie hier an einem Beispiel zu erfahren ist. Zwischen Damaskus und Kalifornien sind zehn Stunden Zeitunterschied. Wenn etwas 5 Uhr morgens in Damaskus auf den Server in Kalifornien hochgeladen wird, könnte also 19 Uhr des Vortages und damit das Vortagesdatum als Zeit dastehen.
Die Zeitangabe bei der Reuters-Meldung erklärt sich daraus, dass die New Yorker Zeit (Eastern Daylight Time = EDT) angegeben ist, woraus sich in dem Fall 6.46 Uhr in Berlin ergäbe, was dann doch eher zur Zeitangabe im Spiegel-Beitrag passt.

Nachtrag von 17:23 Uhr: Die Zweifel an den Behauptungen der "Rebellen" bleiben. Gegenüber Euronews sagte der britische Chemiewaffenexperte Stephen Johnson am 21. August 2013: "Es gibt unter den Videos einige, die allzu real wirken, fast so, als wären sie gestellt. Ich will damit nicht behaupten, dass es Fälschungen sind. Aber sie wecken doch Bedenken. Bei einigen Menschen sieht man Schaum vor dem Mund, doch dieser scheint zu weiß, zu rein. Er entspricht nicht der Art der inneren Verletzungen, die man zu sehen meint. Man erwartet da blutigeren Schaum oder gelberen." (Übersetzung von Radio Stimme Russlands)

Mittwoch, 21. August 2013

Wissenswertes zum Machtkampf in Ägypten

Hinweis auf Beiträge, die die Interessen der Akteure im ägyptischen Machtkonflikt beleuchten, als Ergänzung zu meinem Text "Roll back oder Renaissance?" vom 20. August 2013:

Karin Leukefeld hat in der jungen Welt vom 21. August 2013 einen interessanten Überblick über die Interessen der in- und ausländischen Akteure in Ägypten gegeben: "... Die Muslimbruderschaft wiederum kann auf Millionen Ägypter in den Armenvierteln und ländlichen Gebieten setzen. Diese Menschen wurden von den Islamisten jahrzehntelang mit dem versorgt, was die herrschende Elite um Hosni Mubarak der Bevölkerung versagte: soziale und medizinische Hilfe, Arbeitsplätze und Zukunftsorientierung. ...
Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait haben sich eindeutig hinter das Militär und die Übergangsregierung gestellt, die ihre regionalen Interessen besser bedienen als die Muslimbruderschaft. Kuwait hat Ägypten die Lieferung von 4,5 Millionen Barrel Öl zugesagt, die Golfstaaten haben erklärt, alle Kosten zu übernehmen, sollten Europa oder die USA Zahlungen an Ägypten einstellen. Das Angebot ist nicht nur eine deutliche Parteinahme für Militär und Übergangsregierung, es hilft dem Westen, auch vor der eigenen Bevölkerung das Gesicht zu wahren. ..."

Auf der Website der Nachrichtenagentur Inter Press Service beschrieb Thalif Deen in einem Beitrag am 16. August 2013, dass die US-Rüstungskonzerne die tatsächlichen Nutznießer der jährlichen 1,3 Milliarden Dollar für das ägyptische Militär sind. Der Großteil dieser Gelder fließe zurück an die US-Unternehmen wie Lockheed Martin, Northrop Grumman, General Electric, Boeing, Sikorsky, General Dynamics, United Defence, Raytheon, und andere, die Waffen nach Ägypten liefern und die ägyptischen Soldaten ausbilden. Um deren Interessen gehe es eigentlich, wenn die US-Regierung fälschlich behaupte, sie müsse weiter Waffen an den Nil liefern, um die Stabilität in der Region zu sichern.

"Aber das Geld kommt nie nach Ägypten", stellte Julia Simon am 8. August 2013 in einem Beitrag für das National Public Radio (NPR) fest. Es gehe an die Federal Reserve Bank of New York, dann in einen Treuhandfonds im Finanzministerium und schließlich an die US-Produzenten der Panzer und Kampfjets für Ägypten, die das Land am Nil eigentlich nicht brauche.

In einem zweiten dem Deen-Text beigefügten Beitrag bei IPS beschrieb Ökonomieprofessor Paul Sullivan die Wurzeln der US-Militär"hilfe". Diese folgte dem Camp David-Abkommen von 1978. Die USA und Ägypten bräuchten einander u.a. in Fragen der Sicherheit, der Wirtschaft und des Schutzes der Seewege. Ägypten sei wichtig auch für Überflüge von US-Flugzeugen und der Suezkanal für US-Schiffe. Sullivan erinnerte daran, dass "mehr als 15 Millionen Ägypter" gegen Mursi protestierten. Würde ähnliches in den USA, England und anderswo geschehen, würden die dortigen Führungen "entweder zurücktreten oder zum Rücktritt aufgefordert oder ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet". Sullivan bezeichnete den Sturz Mursis als "Revo-Coup". "Die Menschen hatten ihre Revolution. Millionen sprachen. Warum wird darüber nicht geschrieben?"

In dem Zusammenhang sei an etwas erinnert, was angesichts des aktuellen Geschehens unterzugehen droht und u.a. im Toronto Star am 4. Juli 2013 zu lesen war: "Brot und Butter, Fleisch und Kartoffeln, ein Dach über dem Kopf. Diese grundlegenden wirtschaftlichen Fragen sind ebenso verantwortlich für die aktuelle Krise in Ägypten wie die Unzufriedenheit mit dem autokratischen Stil des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi und mit der wachsenden Macht seiner religiösen Anhänger." Neben der Angst vor den (inzwischen eingetretenen) Auseinandersetzungen zwischen Militär und Muslimbrüdern präge die Angst um das tägliche Überleben das arme Land, das die schlimmste Finanzkrise seit den 1930er Jahren erlebe. 30 Prozent der ägyptischen Kinder litten an Wachstumsstörungen in Folge von Unterernährung, zitierte das Blatt Abeer Etefa vom Büro des UN-Welternährungsprogramms WFP in Kairo. Die von der Organisation im Mai 2013 veröffentlichte Studie habe diese Ergebniss für die Jahre 2009 bis 2011, also vor dem Sturz Hosni Mubaraks, herausgefunden. "Wir wissen, dass die Situation jetzt wahrscheinlich viel schlimmer ist", so Etefa im Juli. Die Wirtschaftsleistung sei gesunken, die Arbeitslosigkeit gestiegen wie auch die Preise vor allem für Grundnahrungsmittel wie Öl und Hülsenfrüchte. "Mehr Ägypter sind in einem Kreislauf von Armut und Hunger gefangen." Die Schulden Ägyptens seien unter Mursi gestiegen und die Devisenreserven gesunken. Die Wirtschaftspolitik der Muslimbrüder habe auch den Armen geschadet und sei das gleiche neoliberale Programm wie unter Mubarak gewesen. Die Bruderschaft sei bekannt für ihre Wohltätigkeit, stattdessen seien die Muslimbrüder aber "Über-Kapitalisten", zitierte die Zeitung Sherief Gaber vom Mosireen Independent Media Collective in Kairo. "Wenn es weiter steigende Preise, weniger Arbeitsplätze und keinen Versuch, wesentliche Veränderungen zu schaffen, gibt, werden die Proteste nicht enden", sagt Gaber. "Wenn es um soziale Gerechtigkeit und Wohlfahrt geht, halten die Menschen nicht still. Es wird noch einmal passieren." 

aktualisiert: 20:12 Uhr 

Dienstag, 20. August 2013

Ägypten: Roll back oder Renaissance?

Sind die Ereignisse im Land am Nil zu verstehen, wenn das überhaupt von außen möglich ist? Und wenn ja, wie sind sie zu verstehen?
 
Handelt es sich einfach um ein „Roll back“ der „Revolution“ von 2011, die den damaligen Präsidenten Hosni Mubarak zu Fall brachte? Nach Letzterem sieht es aus, wozu die aktuellen Meldungen passen, dass der Ex-Präsident aus der Untersuchungshaft entlassen werden soll.
Ausgangspunkt der Unruhen in Ägypten und anderen nordafrikanischen und arabischen Ländern unter dem Etikett „Arabischer Frühling“ waren und sind die massiven sozialen Probleme in der Region u.a. durch hohe Arbeitslosigkeit und steigende Lebensmittelpreise. Die bisherigen Regierungen und Machtapparate konnten nicht mehr so weiter herrschen wie bisher und die Menschen wollten und wollen nicht mehr so weiter leben wie bisher. In Ägypten führte das u.a. zum Sturz Mubaraks und brachte in der Folge als Ergebnis von Wahlen die Muslimbrüder an die Macht und einen der ihren, Mohammed Mursi, im Juni 2012 ins Präsidentenamt. Ungefähr ein Jahr später wurde er nach immer stärker werdenden landesweiten Protesten gegen die Politik der Muslimbrüder und Mursis durch die ägyptische Militärführung für abgesetzt erklärt.

Ich gebe zu, dass ich es für möglich hielt, dass das eine Chance für tatsächliche Veränderungen in Ägypten hätte sein können. Anlass dazu war aus meiner Sicht, dass die Militärführung ihr Vorgehen mit der Opposition des Landes ebenso absprach wie mit der geistlichen Führung. Die Proteste der Muslimbrüder und ihrer Anhänger waren wiederum zu erwarten und verständlich, denn wer lässt sich schon unfreiwillig von der Macht entfernen? Auch die Gewaltausbrüche aus ihren Reihen waren für mich nicht überraschend, da die Geschichte der Muslimbrüder belegt, dass sie bereit sind, für ihre Ziele auch Gewalt anzuwenden. Hinzu kommt die Märtyrer-Ideologie der extremistischen Islamisten: Wer im Kampf fällt, kommt ins Paradies. Angesichts der sozialen Lage und der Perspektivlosigkeit für junge Menschen finde ich es verständlich und wenig überraschend, wenn junge Araber sich von solchen Heilsversprechungen verlocken lassen. Ich dachte für einen Moment, dass die USA die Muslimbrüder bei ihren Protesten unterstützen. Der ZDF-Korrespondent Bernhard Lichte hatte es in der Berichterstattung von Phoenix am 3. Juli über die Ereignisse in Ägypten so formuliert: Die USA werden darauf achten, dass da niemand aus dem Ruder läuft. Manches deutete darauf hin, dass die ägyptische Militärführung unter Verteidigungsminister Abdel Fattah al-Sisi, die ohne die US-Hilfe nichts wäre, diesmal nicht nach der Pfeife Washingtons tanzt. Zu diesen Anzeichen gehörte für mich die Kritik von General al-Sisi an der US-Administration in einem Interview mit der Washington Post, veröffentlicht am 3. August 2013. Der Militär sagte dabei u.a.: “Die US-Regierung hat großen Einfluss auf die Muslimbrüder sowie viele Möglichkeiten, Druck auszuüben, und ich würde es sehr begrüßen, wenn sie dies nutzte, um den Konflikt zu lösen.“ Damit soll nicht die Möglichkeit ignoriert werden, dass die führenden ägyptischen Militärs selbst ein Interesse daran haben, dass es zu gewalttätigen Protestene kommt, weil sie sich dann wieder als "Hüter der Ordnung" und einzige Garanten für "Stabilität" zeigen können. Sie sind sicher genauso wenig die unschuldigen Waisenknaben in dem gegenwärtigen Konflikt in Ägypten wie die Muslimbrüder und deren Führung.

Die extremistischen Islamisten wie die Muslimbrüder oder die Salafisten sind nur in der politischen Propaganda der Herrschenden im Westen und ihrer Mainstream-Medien so etwas wie der Belzebub. Tatsächlich sind sie nützliche Partner und auch Kanonenfutter, wie sich nicht nur in Afghanistan ab 1979 gezeigt hat, als der gemeinsame Feind die Sowjetunion war. Die antikommunistische Haltung war schon Jahrzehnten vorher Grundlage für mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes. Tim Weiner hat in seinem Buch über die CIA-Geschichte dazu Folgendes geschrieben: „Präsident Eisenhower erklärte, er wolle die Idee eines islamischen Dschihad gegen den gottlosen Kommunismus voranbringen. „Wir sollten alles nur Denkbare tun, um diesen Aspekt des ‚Heiligen Krieges‘ hervorzuheben“ äußerte er im September 1957 bei einem Treffen im Weißen Haus, …“. Die Nützlichkeit der Muslimbrüder zeigte sich vorher schon: Sie „hatten sich in den zwanziger Jahren in Ägypten als Rammbock gegen die sich entwickelnde Arbeiterbewegung gegründet“, erinnert Harri Grünberg in seinem Beitrag in dem Buch „Syrien – Wie man einen säkularen Staat zerstört und eine Gesellschaft islamisiert“ (S. 14 f.). „Sie sind erklärte Gegner des Kommunismus, darin unterstützt sie die britische Kolonialregierung.“ Aktuell scheinen die Muslimbrüder auch in Syrien dem Westen nützlich und dienlich zu sein: Die CIA arbeitet bei der Kontrolle der Waffenlieferungen an syrische "Rebellen" auch mit der Muslimbruderschaft zusammen, wie die New York Times am 21. Juni 2012 berichtete.

Das ließ es mir möglich erscheinen, dass die Behauptung von al-Sisi, die US-Regierung hätte mehr Einfluss auf die ägyptischen Muslimbrüder als offiziell zugegeben, auch bei den Protesten derselben nach Mursis Sturz eine Rolle spielen könnte. Hinzu kam für mich die Möglichkeit, dass in Ägypten als Folge der Probleme auch eine Renaissance eines nationalistischen progressiven Kurses à la Gamal Abdel Nasser möglich sein könnte, wie es Hussein Agha und Robert Malley in ihrem Text „Das ist keine Revolution“ in Heft 1/2013 der Zeitschrift Internationale Politik über die Rolle des politischen Islam im „Arabischen Frühling“ schrieben. Denkbar hielt und halte ich, dass eine solche Entwicklung, al-Sisi quasi als neuer Nasser, der auch aus dem Militär kam, nicht im Interesse des Westens und allen voran der USA wäre und deshalb die Muslimbrüder unterstützt werden könnten, um eine Renaissance eines selbstbewußten unabhängigen Ägyptens zu verhindern. Das Schüren innerer Konflikte nach dem Prinzip „Teile und herrsche“ gehört zum bewährten Repertoire verdeckter Operationen westlicher Geheimdienste in anderen Ländern und wäre auch deshalb alles andere als überraschend. Auch die kurzzeitige Drohung der USA, nach dem Sturz Mursis  die Lieferung von vier neuen F 16-Kampfflugzeugen an Ägypten auszusetzen, zählte zu den entsprechenden Anzeichen, dass al-Sisi gewissermaßen mal die Instrumente gezeigt wurden, falls er aus dem Ruder laufen sollte.

Nun deutet aber alles auf eine andere Renaissance, die eben nur ein "Roll back" ist, hin: Die Rückkehr zu den Verhältnissen unter Mubarak. Darauf haben u.a. die Zeitschrift Hintergrund am 15. August 2013 auf ihrer Website und die junge Welt in ihrer Ausgabe vom 19. August 2013 hingewiesen. Die Meldungen über eine vorläufige Freilassung des Ex-Präsidenten könnten dazu passen. Zu den Gewinnern auch dieser Entwicklung gehören die USA, die mit ihren jährlichen Hilfen von etwa 1,3 Milliarden Dollar die ägyptische Armee und ihre Macht stützen. So oder so geschieht am Nil nichts ohne deren direkte und indirekte Einflussnahme. Ich denke im Gegensatz zu Lutz Herden vom Freitag, dass die US-Administration unter Barack Obama sehr wohl begrüßt und gutheißt, wenn sich in Ägypten nach dem Machtchaos der vergangenen Wochen nun die Machtpartei durchsetzt, weil es in ihrem Sinne und Interesse ist. "Die USA und ihre Verbündeten werden alles tun, um Demokratie in der arabischen Welt zu verhindern", stellte Noam Chomsky schon 2011 fest. Die Menschen in Ägypten bleiben die Verlierer, denn eine Lösung ihrer sozialen Probleme, die nicht kurzfristig möglich ist, steht weiter aus und ist immer noch nicht in Sicht. Ihre Menschenrechte, die politischen wie die sozialen, spielen die geringste Rolle in dem gegenwärtigen Konflikt.

Nachtrag von 11:33 Uhr: Die Rolle der Golf-Staaten im ägyptischen Konflikt habe ich bisher zu wenig beachtet. Interessantes schrieb dazu die FAZ am 18. August 2013, wonach einige Golf-Staaten anscheinend selbst die US-Interessen zu hintertreiben scheinen. Der interessante Konflikt zwischen den sunnitischen Muslim-Brüdern und dem eigentlich auf sunnitischer Seite stehenden Saudi-Arabien ließ bei mir ebenso Fragezeichen aufkommen. Eine möglich Antwort fand ich in der Welt vom 5. Juli 2013: "Die Saudis haben den Muslimbrüdern nie vergeben, dass diese sich während der Besetzung Kuwaits durch Saddam Hussein 1990 ausgerechnet auf die Seite des irakischen Diktators stellten. Und das, nachdem Saudi-Arabien den beispielsweise in Syrien und Ägypten verfolgten Anhängern der Bruderschaft jahrzehntelang Asyl gewährt hatte. Die Erinnerung an diesen 'Verrat' wirkt bis heute nach." Gibt es tatsächlich einen wachsenden Konflikt zwischen den USA und den Öl-Scheichs, die doch so eng miteinander verküpft und voneinander abhängig sind? Es bleiben neue Fragen ...Sollte al-Sisis sich tatsächlich von den USA ab- und z.B. Saudi-Arabien zugewandt haben, gewinnt die mögliche nationalistische Renaissance in Ägypten eine andere, allerdings keine progressive Bedeutung. Wiederum würde so ein mögliches US-Interesse an zugespitzten inneren Konflikten in dem Land am Nil doch plausibel.

Nachtrag von 15:53 Uhr: Hier der Hinweis auf zwei passende Texte auf der Blog-Site des Neuen Deutschland, vorhin gefunden:
"General Al-Sisi: der neue Nasser?" von Pedram Shahyar, 8.8.2013
"Kairo und das digitale Ende der Menschlichkeit" von Fabian Köhler, 17.8.2013

Sonntag, 4. August 2013

Syrien: Kriegspläne, Brandstifter und Geiselnahmen

Ein weiteres Nachrichten-Mosaik zum Krieg gegen und in Syrien und dessen Hintergründe:

• Die Interventionspläne gegen Syrien bleiben weiter auf dem Tisch der westlichen Kriegstreiber. Darauf machte RIA Novosti am 3. August 2013 aufmerksam und verwies dabei auf eine aktuelle Studie des Ex-US-Militärs Christopher Harmer. In dem am 31. Juli 2013 veröffentlichten Material schreibt Harmer, dass drei Schiffe und 24 Kampfflugzeuge der USA ausreichen würden, um die syrische Luftwaffe so zu treffen, dass sie nicht mehr gegen die "Rebellen" agieren könne. "Da US-amerikanische Präzisionswaffen eine größere Reichweite haben als die syrische Luftabwehr, ist es gar nicht nötig, diese zu vernichten. Ein eingeschränkter Schlag, der die syrische Luftwaffe um die Möglichkeit bringt, die drei wichtigsten Funktionen zu erfüllen, sollte die Infrastruktur und unmittelbar Flugzeuge zum Ziel haben. Weitere Angriffe würden garantieren, dass die Luftwaffe ihr Potential nicht mehr wird wiederherstellen können", meint der Ex-Militär. „Die Studie wurde vor dem Hintergrund von Gegensätzen zwischen dem Weißen Haus und Kongressabgeordneten hinsichtlich einer möglichen Einmischung der USA in den Syrien-Konflikt veröffentlicht“, stellte RIA Novosti fest.

Meldungen vom 3. August 2013 zu Folge sind bei einem Angriff syrischer Kampfflugzeuge an der Grenze zwischen Syrien und Libanon neun Flüchtlinge getötet und mehrere verletzt worden. Erste Angriffe der syrischen Armee auf „Rebellen“ in derselben Region im Grenzgebiet wurden im März 2013 gemeldet. Damals hieß es noch von Vertretern der libanesischen Armee, dass unklar sei, ob tatsächlich libanesisches Gebiet getroffen worden sei oder ob die Einschläge auf syrischer Seite erfolgt seien. Aus dem Norden Libanons werden seit langem Waffen und „Rebellen“ nach Syrien eingeschleust, wie u.a. RIA Novosti am 2. September 2012 berichtete.

• Der Westen ist in Syrien „Brandstifter einer Katastrophe“. Das war in einem Beitrag des Rechtswissenschaftlers Reinhard Merkel in der Online-Ausgabe der FAZ am 2. August 2013 zu lesen. "Es gibt keine Rechtfertigung für diesen Bürgerkrieg", stellte Merkel fest. Die führenden westlichen Staaten hätten "schwere Schuld auf sich geladen", weil sie die Wandlung der anfänglichen Proteste in Syrien im Frühjahr 2011  "zu einem mörderischen Bürgerkrieg ermöglicht, gefördert, betrieben" haben. "Mehr als hunderttausend Menschen, darunter Zehntausende Zivilisten, haben diese vermeintlich moralische Parteinahme mit dem Leben bezahlt." Die westliche Einmischung in Syrien sei "eine Variante dessen, was seit der Invasion des Irak vor zehn Jahren ‚demokratischer Interventionismus‘ heißt: das Betreiben eines Regimewechsels mit militärischen Mitteln zum Zweck der Etablierung einer demokratischen Herrschaft." Im Unterschied zum Irak erscheine die indirekte Intervention in Syrien als "mildere Form des Eingriffs", da für den Regimewechsel "Rebellen" im Land selbst von außen aufgerüstet "- und freilich auch angestiftet –" wurden und werden. Merkel bezeichnet das aber als "die verwerflichste Spielart", weil sie nicht nur das Töten und das Getötetwerden anderen überlässt, sondern vor allem dabei "die in jedem Belang verheerendste Form des Krieges entfesseln hilft: den Bürgerkrieg". Der Wissenschaftler bezeichnet hunderttausend Tote als "viel zu hohen Preis für eine erfolgreiche demokratische Revolution". "Für eine erfolglose sind sie eine politische, ethische, menschliche Katastrophe." Merkel glaubt nicht, dass die künftige Geschichtsschreibung den Westen vom Vorwurf der Mitschuld daran freisprechen wird.
Der Beitrag bestätigt, was ich am 25. Juli 2013 in einem Kommentar auf freitag.de zum wiederholten Male festgestellt hatte: "Der syrische Konflikt mit seinen sozialen und politischen Ursachen sowie die verständlichen Wünsche in der syrischen Bevölkerung nach politischen und sozialen Veränderungen sind keine Rechtfertigung für den von außen geschürten und finanzierten Krieg, der nur dem Ziel dient, Bashar al-Assad zu stürzen und das Land dem westlichen Einfluss wieder voll unterzuordnen und unter Kontrolle zu bringen, auch nach dem Prinzip 'Teile und herrsche'."
In einem Text in der Online-Ausgabe der Zeitschrift Zenith, veröffentlicht am 1. August 2013, setzte sich der Ex-Diplomat Gerhard Fulda am Beispiel Libyens und Syriens mit dem Konzept der „Schutzverantwortung“ („responsibility to protect“) auseinander. Er stellt fest: „…für das Ziel, eine Regierung zu stürzen, kann man sich auf diese Grundsätze bisher überhaupt nicht berufen.“

• Einer der Verbündeten des Westen und Haupt-Brandtsifter in Syrien, Saudi-Arabien, hat am 31. Juli 2013 seinen Geheimdienstchef Prinz Bandar bin Sultan nach Moskau geschickt. Die libanesische Zeitung As-Safir wertete das in einem Beitrag vom 2. August 2013 als Zeichen für eine veränderte saudische Haltung, während Russland weiter Syrien unterstütze. Saudi-Arabien hatte Russland bisher sogar vorgeworfen, einen „Völkermord“ in Syrien zu unterstützen. Nebenbei bemerkt: Auch der israelische Vize-Premier Schaul Mofas sah schon im Juni 2012 einen „Völkermord“ im Nachbarland, der nur durch eine direkte Intervention gestoppt werden könne. Zurück zu Prinz Bandar in Moskau: Der „CIA-Favorit“, wie ihn die israelische Zeitung Haaretz nannte, suchte laut As-Safir einen Ausweg für die saudische Führung angesichts der Weigerung der westlichen Regierungen, die „Rebellen“ in Syrien direkt zu bewaffnen. Den Job erledigen bisher Saudi-Arabien, Katar und andere für die westlichen Regimewechsler. Bandars Besuch wird von der libanesischen Zeitung auch als Eingeständnis der Saudis gewertet, dass die syrische Armee die Kontrolle über die wichtigste Städte und Regionen des Landes zurückerobern kann.
Dass der saudische Geheimdienstchef neben US-Politikern zu den Haupt-Brandstiftern gegen Syrien gehört, darauf hatte Seymour Hersh schon 2007 hingewiesen. Jens Berger hatte den Beitrag aus dem New Yorker vom 5. März 2007 ins Deutsche übersetzt.

• Auf ein Massaker Ende Juli in dem syrischen Ort Khan al-Assal, einem Vorort von Aleppo,  machte Sebastian Range am 1. August 2013 in der Online-Ausgabe der Zeitschrift Hintergrund aufmerksam. Er wies daraufhin, dass die UN-Kontrolleure den Ort wegen eines vermeintlichen Chemiewaffeneinsatzes besuchen wollten, was aber durch eine „Rebellen“-Offensive verhindert wurde. Den geplanten Besuch hätten die bundesdeutschen Mainstream-Medien gemeldet, aber nicht das Massaker an Zivilisten und gefangenengenommenen Soldaten der syrischen Armee. „Das dürfte zweierlei Gründe haben“, vermutet Range. „Zum einen stehen die Rebellen zweifelsfrei als Urheber des Verbrechens fest. Schließlich haben sie ihre Taten gefilmt und ins Internet gestellt.“ Die  ARD hatte am 29. Juli 2013 eine Dokumentation („Wie Syrien stirbt“) gesendet. Darin seien die selben Terrorgruppen als sympathische Freiheitskämpfer dargestellt worden, so Range, die am Wochenende zuvor wahrscheinlich an der Offensive gegen Khan Al-Assal beteiligt waren. „Es erscheint daher verständlich, wenn die Tagesschau auf ihrer Webseite von dem Verbrechen nicht spricht, das die ARD-Doku als ein Machwerk einseitiger Kriegspropaganda entlarven würde.“ Der zweite Grund, warum das Massaker bislang keinerlei Erwähnung in den Mainstream-Medien gefunden hat, könne darin liegen, dass es möglicherweise mit dem Giftgas-Einsatz vom März zusammen hängt. „Denn der militärstrategische Nutzen der Operation der Rebellen, die bei der Eroberung selbst einen hohen Blutzoll gezahlt haben sollen, dürfte begrenzt sein.“ Schwerwiegender sind laut Range die Auswirkungen auf die UN-Untersuchung. „Solange die Ortschaft nicht von der syrischen Armee zurück erobert wird, die sich dort gerade schwere Gefechte mit den terroristischen Aufständischen liefert, kann die Sicherheit der UN-Inspekteure nicht gewährleistet werden. Eine Untersuchung vor Ort ist solange ausgeschlossen.“

• Bei einem Raketen-Angriff der „Rebellen“ auf von syrischen Armee kontrollierte Stadtteile von Homs sollen mindestens 40 Menschen getötet und 120 verletzt worden seien, berichtete u.a. der Schweizer Tages-Anzeiger am 1. August 2013. Bei dem Angriff sollen Waffenlager der Armee getroffen worden sein. Einen Tag später warnte die UNO-Kinderhilfsorganisation UNICEF, dass in der umkämpften Stadt rund 400.000 Menschen in dem Stadtteil al-Waer eingeschlossen seien. Gerade die Situation von Frauen und Kindern verschlechtere sich immer schneller. In der Gegend eingerichtete neue Kontrollposten würden die Versorgung der eingeschlossenen Menschen  mit Hilfslieferungen verschlechtern. Wer diese Posten eingerichtet hat, wurde von UNICEF und den Medien, die die Meldung aufgriffen, nicht erwähnt. Bei Spiegel online wurde daraufhin hingewiesen, dass in den letzten Tagen immer mehr Stadtteile von Homs von der syrischen Armee zurückerobert wurden. Meldungen von März dieses Jahres berichteten, dass der Stadtteil al-Waer von der "Freien Syrischen Armee" (FSA) kontrolliert wird, die dort die Bevölkerung terrorisiere und mobile Kontrollposten eingerichtet habe.
Das Geschehen in Homs erinnert daran, dass die "Rebellen" nicht nur Opfer "produzieren" und Einzelne wie u.a. zwei christliche Bischöfe und jüngst einen italienischen Jesuiten, sondern Hunderttausende als Geiseln für ihre Ziele nehmen. Das belegten Meldungen vom Juli aus Aleppo, denen zu Folge "Rebellen" Lebensmittellieferungen an zwei Millionen Menschen in den von der syrischen Regierung gehaltenen Vierteln der Stadt blockierten. "Einige Rebellengruppen setzen zunehmend darauf, in den von der Regierung kontrollierten Gebieten militärisch Druck auf die Zivilbevölkerung auszuüben", gab u.a. die österreichische Zeitung Der Standard am 10. Juli 2013 eine Reuters-Nachricht wieder. „Einer ihrer Kommandeure an der Mittelmeerküste forderte den Beschuss von Wohngebieten, um den Druck auf Assad zu erhöhen.“

• Syrien hat sich mit der UNO darauf geeinigt, dass Experten den vermuteten Einsatz von Chemiewaffen an drei Orten untersuchen dürfen. Die Mission werde "sobald wie möglich nach Syrien reisen, um gleichzeitig drei der berichteten Vorfälle zu untersuchen", zitierte u.a. die österreichische Zeitung Der Standard am 1. August 2013 UN-Sprecher Martin Nesirky. In den Meldungen wurde erneut behauptet, dass die Untersuchungen bisher am „langen Widerstand“ des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad gescheitert seien. Wieder wurde weggelassen, dass die syrische Regierung die UN-Chemiewaffeninspektionen nie abgelehnt hatte und nur darauf bestand, bei den Modalitäten mitreden zu können. Das hatte der ständige syrische UN-Botschafter Baschar Dschafari laut RIA Novosti am 30. April 2013 in New York erklärt. Die Regierung Syriens habe Ende März 2013 Ban Ki-moon gebeten, eine Untersuchung in Aleppo durchzuführen, wo die "Rebellen" Kampfstoffe eingesetzt hätten. Doch der UN-Generalsekretär habe "auf Bitte" Großbritanniens und Frankreichs darauf bestanden, dass auch Gerüchte über die Anwendung chemischer Stoffe durch die syrischen Behörden im Dezember 2012 in anderen Regionen des Landes geprüft werden.