Bitte beachten:

Mit deutsch- und volkstümelndem sowie rechtsextremem und faschistischem Gedankengut habe ich nichts am Hut und nichts zu tun!

Freitag, 28. Juni 2013

Die prismatische temporare Demokratur

Gedankensplitter zur Totalüberwachung in der vermeintlich offenen Gesellschaft durch jene, die anderswo Krieg für Freiheit und Demokratie führen und führen lassen

• Zu Recht wird weiter diskutiert über das, was dank Edward Snowden über "Prism" und "Tempora" bekannt wurde. Nicht anders als widerlich kann und muss bezeichnet werden, was sich in der Debatte deutsche Mainstream-Medien leisten. Mit den unwichtigsten Details über Snowdens Flucht vor den US-Häschern wird Platz und Zeit verschwendet, die notwendig wären, um Leser, Hörer und Zuschauer darüber aufzuklären, was Snowden da tatsächlich aufgedeckt hat und wie das der ganzen Freiheits- und Demokratie-Propaganda der Regierenden widerspricht.

• Frank Rawel hat auf freitag.de auf das Beispiel Tagesspiegel hingewiesen. Das ist nicht überraschend, nicht nur, weil das Berliner Blatt einst nach Kriegsende seine Lizenz von den US-Besatzungsbehörden erhielt. Heute gehört die Zeitung Dieter von Hotzbrinck und der gehört zur Atlantik-Brücke e.V., der nach eigenen Worten "ältesten deutschen Vereinigung zur Förderung der deutsch-amerikanischen Beziehungen", die "keine Mühe scheuen" will, "damit dieses Band zwischen Deutschland und Amerika künftigen Generationen erhalten bleibt". Da dürfen die Tagesspiegel-Redakteure gar nichts anderes als gegen Snowden hetzen ... Nichts mit freien und unabhängigen Medien, was eine Verlinkung zur DDR ergeben könnte ... Aber das führt zu weit an dieser Stelle.

• Ja, und während das Schauspiel um die elektronische Überwachung läuft, samt medialer Claqeure nicht nur beim Tagesspiegel, können weiterhin Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes der Bundesrepublik bis zum Jahr 2019 daraufhin überprüft werden, ob sie in der Vergangenheit für das Ministerum für Staatssicherheit der DDR (MfS = "die Stasi") gearbeitet haben. Das wurde erst 2011 beschlossen und dabei der Kreis der zu überprüfenden Personen wieder ausgeweitet.
Weil diese Menschen eine Gefahr für die prismatische temporare Demokratie sind ... Vielleicht weil einige von ihnen, nicht die Köche, Wachsoldaten, Chauffeure usw., wissen, wie sowas geht.

• "Im Vergleich dazu war die Stasi ein Wassertropfen im Meer.", so Guido Rudolphi, Experte für Sicherheit im Internet, am 8. Juni 2013 im Tages-Anzeiger. " ... diese Abhör- und Mitleseoperationen sind weder in den USA noch im Ausland erlaubt. Für den amerikanischen Kongress ist es hochnotpeinlich, dass er nun zugeben muss, Hand geboten zu haben dafür, dass Hunderte Millionen Menschen bespitzelt werden konnten."

•Die Frage von Freitag-Vizechefredakteur Philipp Grassmann "Wo bleibt die Entrüstung?" ist berechtigt. Auch das Erstaunen über das geringe Interesse auch der Ausspionierten. Die Regierenden und die Herrschenden werden sicher darüber erfreut sein ebenso über das größere Interesse an den Details von Snowdens Flucht vor den Häschern der US-Regierung.
Ich gehöre nicht zu jenen, die glauben, dass ich nicht betroffen bin, weil ich ja nichts zu verbergen hätte ... Dazu habe ich zu lange in der DDR gelebt. Ich war nicht erstaunt über den Fakt der Netzkontrolle durch NSA & Co. an sich, den Snowden öffentlich gemacht hat, nur darüber, dass die Details öffentlich gemacht werden konnten. Ich halte auch schon lange die den Mythos vom herrschaftsfreien Internet eben für einen realitäsfernen Mythos.
Die Frage ist, was können die Bürger als Opfer des Kontrollwahns der Herrschenden und der in deren Auftrag Regierenden dagegen tun. Vor allem, wo die Regierenden z.B. hierzulande dabei bewußt außer acht lassen, was in Art. 20 GG (2) steht: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus." In Absatz (4) des Artikels steht auch: "Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist." Doch wer weiß das überhaupt? Welcher Journalist weist daraufhin, wo doch dieser Überwachungswahn nichts anderes ist als ein Angriff auf Demokratie, Freiheit und Grundrechte, eben ein Angriff auf die demokratische Ordnung z.B. der Bundesrepublik? Vielleicht ist das Desinteresse der Öffentlichkeit und der Einzelnen nur die Reaktion auf das Ohnmachtsgefühl angesichts solchen Herrschaftshandelns, bei allem Recht auf Widerstand.

• Michel Foucaults Erkenntnisse über die Internalisierung der Macht könnten u.a.Anregung für das Verständnis des ausbleibenden Protestes geben. Stefan Huber, Student an der Zürcher Hochschulder Künste, hat vor etwa einem Jahr dazu eine passende Seminararbeit über Foucaults Werk "Überwachen und Strafen" abgeliefert: "Die allsehende Macht"

• James Bamford, Autor des Buches "NSA. Die Anatomie des mächtigsten Geheimdienstes der Welt", hat u.a. 2005 in einem Beitrag für die New York Times festgestellt, dass die NSA der Orwellsche "Große Bruder" sein könnte.
Passend ist ja auch der Film "Der Staatsfeind Nr. 1" aus dem Jahr 1998, in dem die Fähigkeiten der NSA mindestens angedeutet werden.
Falls nicht längst bekannt, hier noch der Link zum ZEIT-Interview mit Bamford vom 20. Juni 2013

• Wie gut das alles hierzulande schon funktioniert zeigt ein absurdes Beispiel aus dem Umfeld des Skandals um den Umgang mit Gustl Mollath, auf das Richard Gutjahr aufmerksam gemacht hat. Danach hatte Anfang Juni die Medizinprofessorin Ursula Gresser bei Twitter auf eine Veranstaltung am 10. Juni 2013 mit der bayrischen Justizministerin Beate Merk hingewiesen mit dem Zusatz, da könne Merk gefragt werden, wann Mollath freikommt. Die Reaktion darauf war nicht die Antwort auf diese Frage, sondern der Besuch zweier Zivilpolizisten, die Gresser nach ihrem Tweet fragen. worauf diese den Text löschte. Das Absurdeste an der ganzen Geschichte ist, dass Justizministerin Merk bei der Veranstaltung über folgendes Thema sprach: "Facebook & Co. – sicher surfen in sozialen Netzwerken".

Sparpolitik gefährdet Sozialversicherung

Eine Expertenrunde beschäftigte sich am 25. Juni in Berlin mit dem EU-Fiskalpakt und seinen sozialen Folgen.
 
Die Auswirkungen des Fiskalpaktes auf die Daseinsvorsorge und die soziale Sicherung waren Thema der Veranstaltung. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) und die Volkssolidarität hatten dazu gemeinsam eingeladen.

Auf der Homepage der Volkssolidarität ist ein Bericht dazu zu finden:
"Prof. Dr. Gustav Horn, Wissenschaftlicher Direktor des Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung, erläuterte Ursachen und Entstehung des Fiskalpaktes, den es ohne die Krise des Euro-Raumes nicht gegeben hätte. Die Krise, die fälschlich als 'Staatsschuldenkrise' interpretiert werde, sei wiederum eine Folge der Ungleichgewichte im innereuropäischen Handel, betonte Horn. Mit dem Pakt werde versucht, die Schulden der öffentlichen Haushalte abzubauen und neue Schulden zwangsweise zu verhindern. Ergebnis sei aber, dass die wirtschaftliche Entwicklung behindert werde, so der Ökonom, und die Sparpolitik ihr Ziel verfehle. Statt des starren Fiskalpaktes ohne demokratische Kontrolle sei eine gesamtwirtschaflich orientierte Politik notwendig. ...

Die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) sei jetzt schon betroffen, erklärte Dr. Herbert Rische, Präsident der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV). Es komme zu einer "direkten Einwirkung der Fiskalpolitik auf die Sozialpolitik". Der Haushalt der Rentenversicherung gelte als Teil des öffentlichen Haushaltes und werde deshalb einbezogen, um das öffentliche Defizit abzubauen. Die GRV müsse ihre bisherige Nachhaltigkeitsrücklage um vier Milliarden Euro abbauen, meinte der DRV-Präsident. Er verwies auf Pläne der EU-Kommission, Mehrwertsteuervergünstigungen für öffentliche und gemeinnützige Einrichtungen abzuschaffen. Das könne für die Rentenversicherung im nächsten Jahr drei Milliarden Euro Mehrkosten bedeuten, so Rische, und für alle Sozialversicherungen bis zu 34 Milliarden Euro sowie einen Anstieg der Versicherungsbeiträge um drei Prozent. Der DRV-Präsident warnte vor einem möglichen Leistungsabbau und davor, dass die im Fiskalpakt vorgeschriebenen kurzen Berichterstattungszeiträume politisch genutzt werden könnten, beispielsweise das System der Rentenversicherung in Misskredit zu bringen. 'Die fiskalpolitische Perspektive darf die sozialpolitische Dimension nicht verdrängen.' ...

Für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) spiele der Fiskalpakt nicht die gleiche Rolle wie für die Rentenversicherung, so Prof. Dr. Klaus Jacobs vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO). Die GKV werde bisher nicht als Teil des öffentlichen Haushaltes behandelt. Damit trage sie auch nicht zum strukturellen Defizit des Gesamtstaates bei, das dieser dem Pakt gemäß abbauen muss. Trotzdem gebe aus Auswirkungen, so Jacobs, wie die sinkende Bereitschaft der Länder zu Investitionen im Krankenhausbereich, während gleichzeitig die von der GKV zu tragenden Betriebskosten stiegen. Auch die Mehrwertsteuerpläne der EU-Kommission würde die Kranken- und die Pflegeversicherung treffen mit Zusatzkosten bis zu insgesamt 29 Milliarden Euro, wenn die bisherige Vergünstigung bei Arzneimitteln wegfalle. Der Sozialwissenschaftler machte darauf aufmerksam, dass FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr de facto mit den Beiträgen der Krankenversicherten den Bundeshaushalt saniert und das mit dem Fiskalpakt begründet. Das geschehe, indem der gesetzlich auf rund 14 Milliarden Euro festgelegte Bundeszuschuss für die GKV für versicherungsfremde Leistungen 2013/14 um 4,5 Milliarden Euro gekürzt werde. Argument von Bahr und der FDP seien die derzeitigen hohen Rücklagen des Gesundheitsfonds von rund 28 Milliarden Euro, die nicht vorgesehen waren und laut Jacobs nicht dauerhaft sind. So würden die Steuerzahler begünstigt, statt die Beitragszahler der Krankenversicherung von hohen Beiträgen zu entlasten. ...

In einer abschließenden Diskussionsrunde, moderiert von Prof. Dr. Ursula Engelen-Kefer, Vorsitzende des Arbeitskreises Sozialversicherung des SoVD, betonte die Experten, dass die Politik in der Pflicht stehe. Diese müsse die sozialen Auswirkungen des Fiskalpaktes beachten und entsprechende Korrekturen vornehmen. DRV-Präsident Rische betonte, dass es nicht sein könne, dass der Bundeshaushalt durch Beiträge der Sozialversicherungen saniert werde. Für ein einheitliches Krankenversicherungssystem und eine sichere Beitragsfinanzierung sprach sich WIdO-Geschäftsführer Jacobs aus. ... BA-Abteilungsleiter Schubert hielt mehr Investitionen in Bildung für erforderlich. Der Niedriglohnbereich sollte arbeitsmarktpolitisch wieder weniger gefördert werden.

'Jetzt geht die Arbeit weiter, im Einzelnen darüber zu reden, was das für uns bedeutet', schloß der Vizepräsident der Volkssolidarität Dr. Frank-Michael Pietzsch die Runde. Es gehe um mehr als nur die Finanzen. Der Fiskalpakt dürfe kein Thema nur für Stammtische werden, so Pietzsch. Er fügte hinzu, dass Sparen aber auch für den Sozialstaat eine Tugend sei und mehr Schulden machen keine Alternative sei."

Erstaunlich ist es schon, dass dem Bericht zu Folge ein Vertreter eines Sozialverbandes am Ende nach aller Kritik an der Sparpolitik aufgrund von deren Folgen das Sparen tatsächlich als "Tugend" bezeichnet und der "Schuldenbremse" das Wort redet. Zu verstehen ist das wahrscheinlich nur, wenn berücksichtigt wird, dass Pietzsch mal CDU-Sozialminister in Thüringen war. Seine Worte klingen so, als würde ihm selbst als Vizepräsident eines Sozialverbandes die Politik seiner Partei wichtiger scheint als das Soziale. Ob das für das soziale Anliegen seines Verbandes und dessen Glaubwürdigkeit passend ist, muss dieser selbst entscheiden.

aktualisiert: 17:38 Uhr

Mittwoch, 26. Juni 2013

Nachtrag zu "Syrien: Krieg, Waffen, Zerstörung und kein Frieden"

Mehr als 100.000 Menschen sollen bisher in Folge des Krieges gegen und in Syrien ihr Leben verloren haben, ein Großteil von ihnen auf Regierungsseite.

In dem Nachrichtenmosaik vom 25. Juni 2013 habe ich zwar auf die wirtschaftlichen Verwüstungen in Folge des Krieges in Syrien hingewiesen, aber nicht auf die vielen Toten, Verwundeten und Flüchtlinge. Diese werden zumindest immer wieder in den Mainstream-Nachrichten erwähnt. Ich bin da etwas vorsichtig, weil auch hier die Quellenlage schwierig ist und zum Teil ein zynisches Spiel mit den Opferzahlen betrieben wird, worauf ich am 14. Februar 2013 hingewiesen hatte. "Nur die Flüchtlinge und die Toten dieses Krieges in und gegen Syrien scheinen nützlich zu sein. Sie dienen als Propagandamunition gegen Assad, der für all das verantwortlich gemacht wird." Das hatte ich drei Tage zuvor geschrieben, wofür es leider immer wieder neue Bestätigungen gab und gibt.

Nun hat ausgerechnet die "Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte" von Rami Abdurrahman in London Zahlen veröffentlicht, die Zweifel an der Propgandabehauptung bestätigen, dass Syriens Präsident Baschar al-Assad für die vielen Toten verantwortlich ist. Das US-Onlinenachrichtenportal McClatchy hat am 3. Juni 2013 erstmals darauf hingewiesen: Von den bis dahin mindestens gemeldeten 96.431 Toten seit März 2011 seien 24.617 Angehörige der syrischen Armee und Sicherheitskräfte sowie 17.031 Mitglieder der Pro-Regierungs-Milizen gewesen. Sie machten danach allein 43,2 Prozent der Kriegsopfer aus. An den Kämpfen unbeteiligte Zivilisten stellten die nächstgrößere Gruppe mit 35.479 Toten (36,8 Prozent). Dem Bericht nach gab es bei den "Rebellen" bis dahin 16.699 Tote (17,3 Prozent), unter ihnen 2.119 Ausländer.

McClatchy-Redakteur David Enders verweist darauf, dass es keine offiziellen Opferzahlen aus Syrien gibt und die Zahlen von Abdurrahman streitbar seien. Aber die Ein-Mann-Beobachtungsstelle in London sei die am meisten zitierte Quelle zum Krieg in Syrien und die einzige, die regelmäßig versuche, die Opferzahlen zu erfassen. Er selbst habe 2012 in Damaskus recherchiert und die damaligen Zahlen zu den getöteten "Rebellen" und Zivilisten bestätigt gefunden. Enders schreibt, dass die neuen Zahlen der Beobachtungsstelle zeigen, dass zum Beispiel die US-Regierung "zu stark vereinfacht", wenn sie die Gewalt des Krieges in Syrien be- bzw. verurteilt. Darauf hatte schon Joachim Guilliard am 6. Februar 2013 in der jungen Welt hingewiesen: "Indem stets der Eindruck erweckt wird, es handele sich bei den gemeldeten Toten um unbewaffnete Zivilisten, die vorwiegend der Regierungsgewalt zum Opfer fielen, dienen die Opferzahlen vor allem dem Zweck, die Forderung nach einem Umsturz zu unterfüttern und der Forderung nach einer massiveren Intervention Nachdruck zu verleihen." Daran habe sich auch die UN-Kommissarin für Menschenrechte und Chefin des OHCHR (Office of the High Commissioner for Human Rights), Navi Pillay, in dem sie u.a. am 2. Januar 2013 erklärte: "Dieser massive Verlust von Menschenleben hätte vermieden werden können, wenn die syrische Regierung einen anderen Weg als die skrupellose Unterdrückung der ursprünglich friedlichen und legitimen Proteste unbewaffneter Zivilisten gewählt hätte." Pillay blende die frühe Gewalt bewaffneter Regierungsgegner aus und "ignoriert geflissentlich die Bewaffnung und sonstige Unterstützung der Aufständischen durch NATO-Mächte und Golfmonarchen, ohne die es den mörderischen Krieg nicht gäbe".

Inzwischen ist auch in deutschen Mainstream-Medien wie u.a. beim Tagesspiegel am 26. Juni 2013 zu lesen, dass zu den inzwischen gemeldeten getöteten 100.191 Menschen nach Angaben der Londoner Beobachtungsstelle 3330 Frauen und 5144 Kinder, 18.072 Rebellen, aber auch 25.407 Soldaten und 17.311 regierungstreue Milizionäre gezählt werden Der Hinweis auf den hohen Anteil auf Seiten der syrischen Regierungskräfte unterbleibt weiter. Wahrscheinlich wird darauf gesetzt, dass die Leser, Hörer und Zuschauer sich das selber ausrechnen können ... Der Propgandaaufgabe wird aber treu geblieben, wenn zum Beispiel im Anriss zu lesen ist, dass die Toten in Folge des "Aufstandes" gegen Assad und nicht durch den Krieg zu verzeichnen seien.

Festzustellen bleibt, was ich schon mehrmals betonte: Es ist um jeden Menschen schade, der sein Leben in diesem von außen angeheizten Krieg lassen muss, egal auf welcher Seite. Keines der Opfer ist mehr oder weniger wert als ein anderes – die Verantwortlichen dafür sitzen in den westlichen und arabischen Regierungen, die weiter nichts anderes als den Regimewechsel in Damaskus anstreben.

Syrien: Krieg, Waffen, Zerstörung und kein Frieden

Ein weiteres Nachrichten-Mosaik zum Krieg gegen und in Syrien

• Das russische Verteidigungsministerium hat das gesamte Militärpersonal aus Syrien abgezogen, berichtet RIA Novosti am 25. Juni 2013 und beruft sich auf die Online-Ausgabe der Tageszeitung Wedomosti. Danach haben die russischen Militärs den materiell-technischen Versorgungspunkt in der syrischen Hafenstadt Tartus verlassen. „Das russische Verteidigungsministerium hat heute keinen einzigen Mann in Syrien“, erklärte der russische Vizeaußenminister Michail Bogdanow laut RIA Novosti der in London erscheinenden arabischen Zeitung Al Hayat. „Der Punkt (in Tartus) hat keine strategische bzw. militärische Bedeutung.“

• Die geplante Friedenskonferenz für Syrien in Genf könne nicht wie vorgesehen im Juli stattfinden, gibt die Neue Zürcher Zeitung am 25. Juni 2013 eine dpa-Meldung wieder. Das habe der Sondergesandte der UNO und der Arabischen Liga, Lakhdar Brahimi, vor Reportern in Genf gesagt. „Zur Begründung verwies er darauf, dass die syrische Opposition noch immer nicht bereit sei.“ Die von den USA und Russland gemeinsam vorgeschlagene Konferenz sollte ursprünglich spätestens im Juni stattfinden.

• Israel habe auf Bitte der USA moderne Waffen an die syrischen Regimegegner geliefert. Das berichtet laut RIA Novosti vom 25. Juni 2013 das syrische Internetportal Damas Post unter Berufung auf eigene Quellen. Die Waffen aus israelischer Produktion seien in zwei Lieferungen mit israelischen Militärtransportflugzeugen in die Türkei gebracht worden und dann nach Damaskus, wo sie an die „Rebellen“ verteilt würden. „Es handle sich um diverse Raketen, leichte Schusswaffen und Scharfschützengewehre, so das Nachrichtenportal weiter. Der Plan der Lieferungen sei von US-Geheimdiensten in Kooperation mit Top-Vertretern der türkischen Sicherheitsdienste konzipiert worden.“

• Der Iran unterstütze die syrische Armee mit Elitesoldaten, meldet die Zeitung Die Presse aus Österreich am 25. Juni 2013. Das habe inoffiziell ein syrischer Offizier bestätigt. Die logistische, personelle und finanzielle Hilfe sei eine Antwort auf die Unterstützung der „Rebellen“ durch westliche Staaten und deren arabische Verbündete.

• Unter der Überschrift „Syrien-Konflikt greift auf den Libanon über“ berichtete u.a. der Schweizer Tages-Anzeiger am 24. Juni 2013, dass sunnitische Extremisten im Libanon in der Stadt Sidon Armeeposten angriffen. Aber nicht die syrische Armee oder sie unterstützende Kräfte tragen den Krieg ins Nachbarland: „Die Unruhen begannen am Sonntag, als nach Angaben der Streitkräfte Anhänger des Geistlichen Scheich Ahmad al-Assir das Feuer auf Soldaten eröffneten. Al-Assir rief seine Anhänger am Montag über den Kurzmitteilungsdienst Twitter auf, sich dem Aufstand anzuschliessen. Er gilt als entschiedener Kritiker der schiitischen Hisbollah-Miliz, die an der libanesischen Regierung beteiligt ist und im syrischen Bürgerkrieg an der Seite von Präsident Baschar al-Assad kämpft.“ Inzwischen gebe es auch solche Angriffe in der Hafenstadt Tripoli. Schuld daran soll aber die schiitische Hisbollah sein, meint der libanesische Präsident Michel Suleiman, wie u.a. der österreichische Standard schon am 20. Juni 2013 meldete. Suleiman habe die Hisbollah-Miliz in seinem Land aufgefordert, aus Syrien abzuziehen. Wenn sie weiter die syrische Armee unterstütze, verschärfe das die Instabilität im Libanon. Das Land „steht zum einen unter dem Einfluss des schiitischen Iran, zum anderen des sunnitischen Saudi-Arabien“, so Libanon-Kenner Abdel Mottaleb el Husseini  gegenüber dem Schweizer Sender SRF am 22. Oktober 2012.

• Nach dem Ende der bisher größten gemeinsamen Militärübung „Eager Lion“ von westlichen und arabischen Truppen in Jordanien bleiben US-Patriot-Raketen und F-16-Kampfflugzeuge sowie Experten für Chemiewaffen in dem Nachbarland Syriens, bestätigt die arabische Zeitung Al Hayat in einem Bericht vom 21. Juni 2013. Das habe  der Stabschef der jordanischen Streitkräfte, Generalleutnant Mashal al-Zabin, angekündigt, nachdem es zuvor von der jordanischen Regierung dementiert worden war. Das arabische Nachrichtenportal Al Monitor hat den Text ins Englische übersetzt. Offiziell soll die Übung nichts mit dem syrischen Konflikt zu tun habe, aber dem Bericht zufolge bezeichneten arabische Militärs sie als „Warnung an Damaskus“. Es sei ein nicht-konventioneller Krieg trainiert worden, so Al Hayat, darunter "Terrorismusbekämpfung, Widerstand von Rebellen, strategischer Transport und Krisen durch Flüchtlingsströme". Die Zeitung erinnert auch daran, dass US-Kriegsschiffe mit „Tomahawk“-Cruise Missiles im östlichen Mittelmeer und in der Nähe der jordanischen Küste stationiert sind.

• „Syriens Kulturschätze sind durch den seit über zwei Jahren andauernden Bürgerkrieg akut bedroht“, stellt die UNESCO am 20. Juni 2013 fest. „Das Welterbekomitee hat daher entschieden, alle sechs Weltkulturdenkmäler des Landes auf die Liste des gefährdeten Welterbes zu setzen. Betroffen sind die Altstädte von Damaskus, Bosra und Aleppo, die Ruinen von Palmyra, die Burg Krak des Chevaliers und die antiken Dörfer in Nordsyrien.“ Vor allem Aleppo habe durch den Bürgerkrieg schwere Zerstörungen erlitten. Im April wurde bei Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Aufständischen die Umayyaden-Moschee massiv beschädigt. Auch große Teile des weltberühmten Basars von Aleppo wurden im vergangenen Jahr durch einen verheerenden Brand verwüstet.

• Saudi-Arabien soll vor zwei Monaten schultergestützte Luftabwehrraketen an die syrischen Aufständischen geliefert haben, berichtet u.a. der Schweizer Tages-Anzeiger am 19. Juni 2013. Es habe sich um eine Lieferung von Raketen in begrenztem Umfang gehandelt, wird die oppositionelle syrische Website «Zaman al-Wasl» zitiert. Die Waffen seien von Kontaktpersonen in Belgien und Frankreich beschafft worden.

• Der russische Präsident Wladimir Putin hat am 18. Juni 2013 beim G8-Gipfel russische Waffenlieferungen an Syrien gerechtfertigt und neue Deals mit der Regierung in Damaskus nicht ausgeschlossen, so RIA Novosti. „Wir liefern Waffen nach legalen Verträgen an die legale Regierung von Präsident Assad“, sagte Putin laut der Agentur auf einer Pressekonferenz in Lough Erne. Wenn neue Verträge geschlossen werden sollten, „werden wir weiter liefern“.

• US-Präsident Barack Obama habe dem Druck derjenigen nachgegeben, die in Syrien einen Sieg der schiitischen Achse Teheran - Bagdad - Damaskus – Hizbollah verhindern wollen, schreibt der USA-Korrespondent des Schweizer Tages-Anzeiger Martin Kilian am 16. Juni 2013. Es sei so, dass sich „in Washington ausgerechnet jene durchsetzten, die Obama bei Wahlen unterlegen waren: Hillary Clinton und der republikanische Senator John McCain nämlich“. Aus Sicht des einflussreichen Bloggers und Obama-Freundes Andrew Sullivan werde der „schlimmer als schwach“ aussehende US-Präsident „wie eine Stoffpuppe herumgezerrt“: Vom türkischen Premier Erdogan sowie vom saudischen Aussenminister Saud al-Faisal, aber vor allem Jordaniens König Abdullah II, der vor einem zerfallenden Syrien gewarnt habe. Laut Kilian seien es in den USA Befürworter einer „humanitären Intervention wie die neue US-Botschafterin bei der UNO Samantha Power, aber auch Neokonservative in Medien und Thinktanks. Deren Propagandastrategie habe der ehemalige CIA-Analytiker und Nahost-Experte Paul Pillar so beschrieben: „In einem ersten Schritt wird agitiert, bis Gewalt angedroht wird; danach wird argumentiert, dass die amerikanische Glaubwürdigkeit leidet, wenn die Gewaltandrohung nicht umgesetzt wird.“ Vizepräsident Bidens aussenpolitischer Experte Tony Blinken, seit Januar stellvertretender Sicherheitsberater von Obama, habe internen Syrien-Beratungen stets gewarnt, eine Supermacht dürfe „nicht bluffen“, sondern müsse zu ihren Drohungen stehen, so der Tages-Anzeiger-Korrespondent. „Auch Aussenminister John Kerry setzte sich für Waffenlieferungen an die syrischen Rebellen ein, während sich das Pentagon und General Martin Dempsey, der Chef des Generalstabs, dagegen sperrten.“ Der US-Präsident wolle nun mit den Waffenlieferungen eine politische Lösung im Sinne des Westens erzwingen: „Hatte Bill Clintons Eingreifen in den Bosnien-Konflikt Mitte der Neunzigerjahre die Serben an den Verhandlungstisch gebracht, so soll jetzt Bashar al-Assad durch das amerikanische Engagement zum Einlenken gezwungen werden.“ Dass die syrische Regierung und auch Assad schon zuvor ihre Bereitschaft zu Verhandlungen erklärten, bleibt in dem Bericht unerwähnt. Die Entscheidung von US-Präsident Obama am 14. Juni 2013, die „Rebellen“ in Syrien nun auch offiziell mit Waffen zu unterstützen, sei schon Wochen zuvor gefallen, berichtet die Washington Post am 15. Juni 2013.

• Laut einer syrischen Studie beträgt der wirtschaftliche Schaden des Krieges gegen und in Syrien bis zum ersten Quartal 2013 rund 85 Milliarden Dollar. Das berichtet die libanesische Zeitung As Safir am 14. Juni 2013. In dem Bericht, auf englisch zu finden in dem Nachrichtenprotal Al Monitor, heißt es, dass gleichzeitig der Wert des syrischen Lira gegenüber anderen harten Währung wie dem Dollar um das Dreifache gefallen sei, was Importe deutlich verteuert habe. Ende 2012 hätten die Verluste noch bei rund 48 Milliarden Dollar gelegen. Rund ein Drittel der Syrer lebe inzwischen in Armut. Die Regierung versuche mit Importen, die Bevölkerung weiter versorgen zu können, auch durch Unterstützung privater Händler beim Import.

• Eine politische Lösung des syrischen Konflikts fordert der griechisch-katholische (melchitische) Erzbischof von Aleppo, Jean-Clement Jeanbart, in einem Interview mit der katholischen Nachrichtenagentur Fides am 3. Juni 2013. „Wir sehen nur noch Chaos und Verwüstung in einem Konflikt, bei dem alle verlieren.“ Der Erzbischof sei besorgt und traurig, „denn ich sehe ein Land, das nur noch aus Trümmern besteht“ und „wo es Gewalt, schreckliche Morde an Zivilsten und Kindern und Entführungen kommt, die das Gesicht des syrischen Volkes entstellen“ und beklage ein „Schwinden der Menschlichkeit“. Es gebe nichts Neues zum Schicksal der beiden Bischöfe aus Aleppo und zweier Priester: „Die Entführten waren für humanitäre Programme verantwortlich und halfen den Menschen in dieser tragischen Situation zu überleben. Dies ist sehr besorgniserregend, wie werden wir enden?“ Angesichts des unsäglichen Leids „befürchten wir, dass christliche Gläubige auch künftig das Land auf der Suche nach einem würdigeren Leben verlassen werden“. „Es gibt weder Waren noch Treibstoff oder Strom und oft fehlen auch Lebensmittel. Doch, was am meisten Sorge bereitet, ist dass die Zukunft zunehmend finster erscheint. Wenn die Zukunft für uns Christen und für alle Syrer nicht auf der Staatsbürgerschaft, auf Freiheit und Würde und auf gegenseitiger Achtung gründen, was wird dann geschehen?“, fragt der Erzbischof laut Fides.

Montag, 24. Juni 2013

Es bleibt dabei: Kein Frieden für Syrien

Die führenden westlichen Staaten und ihre arabischen Verbündeten bleiben bei ihrem Ziel: Regimewechsel in Damaskus. Dafür lassen sie weiter kämpfen und Syrien zerstören.

• Die selbsternannten “Freunde des syrischen Volkes“ aus den führenden westlichen Staaten und deren arabischen Verbündeten wollen keine friedliche Lösung des syrischen Konfliktes und keinen Frieden für die Menschen in Syrien. Sie wollen den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad immer noch stürzen, koste es, was es wolle. Deshalb haben sie am Wochenende auf ihrem Außenministertreffen in Dohar/Katar weitere Waffenlieferungen an die „Rebellen“ beschlossen, wie Karin Leukefeld in der Zeitung junge Welt am 24. Juni 2013 berichtet. Die Bundesregierung mischt dabei aktiv mit, bloß Waffen will sie nicht liefern, was manche schon als „Akt des Friedens“ mißverstehen. Leukefeld verweist auf einen Bericht der New York Times vom 21. Juni 2013 , der bestätigt, dass die „Rebellen“ in Syrien schon lange Munition und auch schwere Waffen aus Libyen erhielten. „Das New York Times-Reporterteam wertete über einen längeren Zeitraum Flugkontrolldaten und Interviews mit Aufständischen, Schmugglern und Beamten in verschiedenen Ländern aus. Daraus ergebe sich das Bild einer »komplexen Operation, an der verschiedene Staaten aktiv beteiligt sind und die zum größten Teil von Katar finanziert« wird, heißt es in dem Bericht.“

• Wie es um die Bereitschaft der US-Regierung, eine friedliche Lösung des syrischen Konfliktes zu erreichen bestellt ist, zeigte US-Außenminister John Kerry bei dem Treffen in Dohar: Das militärische „Ungleichgewicht“ zugunsten der Assad-Truppen müsse beendet werden, wird er in Medienberichten am 22. Juni 2013 zitiert. Vom Kriegs- statt Friedenswillen der USA künden auch Berichte wie der, den die Los Angeles Times am 21. Juni 2013 veröffentlichte. Dieser bestätigte erneut, dass die CIA und US-Special Forces seit Herbst 2012 in Jordanien und in der Türkei „Rebellen“ ausbilden, die in Syrien kämpfen. Bei dem jeweils zweiwöchigen Training werde den „Rebellen“ der „Freien Syrischen Armee“ (FSA) unter anderem der Umgang mit Panzer- und Luftabwehrraketen beigebracht, so die Zeitung, die sich auf einen US-Regierungsbeamten und einen syrischen „Rebellen“-Kommandeur beruft. Letztere habe erzählt, dass ihnen „genug panzerbrechende Anti-Panzer und andere Waffen“ versprochen wurden, um einen militärischen Vorteil über die besser ausgerüstete Armee und Sicherheitskräfte Syriens zu gewinnen. Einer dpa-Meldung vom 22. Juni 2013 zufolge seien die ersten „modernen Waffen“ für die „Rebellen“ schon bei diesen angekommen. Mit dem Training und den Waffen soll die FSA in die Lage versetzt werden, eine "Flugverbotszone" und "Pufferzonen" entlang der jordanisch-syrischen Grenze zu verteidigen, sagte ein jordanischer Armeeangehöriger u.a. laut dem österreichischen Standard vom 22. Juni 2013. Seinen Angaben zufolge habe die US-Regierung dafür in der vergangenen Woche rund 2000 zusätzliche Berater und Ausbilder nach Jordanien geschickt.

Donnerstag, 20. Juni 2013

Was Obama nicht gesagt hat

Vor dem Auftritt des US-Präsidenten Barack Obama in Berlin am 19. Juni 2013, vor dem Brandenburger Tor und hinter dickem Panzerglas, hatte ich geschrieben "Was Obama nicht sagen wird". Das wurde bestätigt, die (Nicht)Erwartungen erfüllt. Eine gute Beschreibung und Analyse des Obama-Auftritts gibt Wolfgang Lieb auf den NachDenkSeiten am 20. Juni 2013: "Politik braucht Darstellung, zur Demokratie gehören Massenversammlungen, große Reden brauchen Sätze, die sich ins kollektive Gedächtnis eingraben. Nichts davon, war gestern bei Obamas und Merkels Auftritt auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor ausfindig zu machen. Die ganze Inszenierung war wie eine bombastische Attrappe, die jeden Augenblick zu zerbersten drohte. Da saßen die Hauptakteure wie in einem Aquarium hinter einer riesigen schusssicheren Glaswand. Auf den umstehenden Dächern wachten unverkennbar Scharfschützen. Der Platz auf der westlichen Seite des Brandenburger Tors war leergefegt und die Straße des 17. Juni war menschenleer. ..."

"Historisch war einzig der Ort", stellt Patrick Marcolli im Schweizer Tages-Anzeiger am 20. Juni 2013 fest. Und weil vieles fehlte, was Obama hätte sagen können, hier noch ein Nachtrag dazu:

Auch das, was John F. Kennedy am 27. April 1961 in New York vor den US-Zeitungsverlegern sagte, war nicht im Ansatz von Obama am 19. Juni 2013 in Berlin zu hören. Weil es so passt, sei nochmal daraus zitiert: Kennedy sprach damals u.a. von der "Notwendigkeit für weitreichende öffentliche Information; und erst in zweiter Linie die Notwendigkeit für weitergehende Geheimhaltung."
Und weiter: "Schon vor langer Zeit haben wir entschieden, daß die Nachteile einer übermäßigen Geheimhaltung die Gefahren übersteigen, mit denen diese gerechtfertigt wird. Es macht wenig Sinn, einer unfreien Gesellschaft zu begegnen, indem man ihre Beschränkungen imitiert.
Auch heute hat das Überleben unserer Nation keinen Wert, wenn unsere (freiheitlichen) Traditionen nicht ebenfalls fortbestehen. Es gibt eine sehr ernste Gefahr, daß der Vorwand der Sicherheit mißbraucht wird, um Zensur und Geheimhaltung auszudehnen.
...
Diese Administration beabsichtigt, freimütig zu ihren Irrtümern zu stehen. Denn wie ein weiser Mann einst sagte: "Ein Irrtum wird erst zu einem Fehler, wenn man sich weigert, ihn zu korrigieren." Wir beabsichtigen, die volle Verantwortwortung für unsere Irrtümer zu übernehmen; und wir erwarten von Ihnen, diese aufzeigen, wenn wir dies versäumen. ..."
Im Gegensatz zu vielen, die von der Rede erzählen und gar für eines der Motive für Kennedys Ermordung halten, halte ich sie nicht für eine Warnung vor einer inneren Gefahr, eine Verschwörung vielleicht des Militärisch-Industriellen Komplexes in den USA, vor dem Kennedy-Vorgänger Dwight D. Eisenhower warnte. Kennedy schien eher vor den Spionage-Aktivitäten des Ostens gegen die USA zu warnen bzw. diese als Ausgangspunkt zu nehmen. Es sind eher Warnungen vor den inneren Folgen des "Kalten Krieges" gewesen. Dennoch bleiben seine Schlußfolgerungen interessant, weil sie eben andere sind, als diejenigen, die das US-Machtsystem heute, mit welchem Präsident auch immer an der Spitze, zum Beispiel aus dem "Krieg gegen den Terror" zieht. Und das gehört zu den Unterschieden zwischen Kennedy und Obama.

Mittwoch, 19. Juni 2013

Was Obama nicht sagen wird

Die Rede von US-Präsident Barack Obama vor dem Brandenburger Tor in Berlin wird mit Interesse erwartet. Was er nicht sagen wird, zeigt eine Rede von John F. Kennedy.
Der einstige und ermordete US-Präsident Kennedy wird immer wieder als Vorgänger und Vorbild für Barack Obama bezeichnet bzw. Obama als dessen Wiedergänger. Doch an diesen dürfte er nicht herankommen, auch nicht mit seiner Rede, die für 15 Uhr am heutigen Mittwoch angekündigt ist.
Wie weit Obama von Kennedy entfernt ist, zeigt eine Rede, die der im November vor 50 Jahren ermordete US-Präsident am 10. Juni 1963 vor der "American University" in Washington hielt. Knut Mellenthin hat vor einigen Tagen in der jungen Welt daran einnert: "Kennedys Rede in der American University kreiste nach den üblichen höflichen Einleitungsworten ausschließlich um ein Thema, »über das allzu oft Ignoranz herrscht und zu selten die Wahrheit wahrgenommen wird, obwohl es das wichtigste Thema der Erde ist: der Weltfrieden«. »Ich spreche von echtem Frieden«, sagte der Präsident, »die Art von Frieden, die das Leben auf Erden lebenswert macht, die Art, die Menschen und Nationen ermöglicht zu wachsen, zu hoffen und ein besseres Leben für ihre Kinder aufzubauen. Nicht nur Frieden für die Amerikaner, sondern Frieden für alle Männer und Frauen. Nicht nur Frieden in unserer Zeit, sondern Frieden für alle Zeiten.« ...
Nicht nur die Führer der Sowjetunion müßten ihre Einstellung ändern, betonte Kennedy im erstaunlichsten Teil seiner Rede, sondern »auch wir müssen unser Verhalten überprüfen – als Individuen und als Nation –, denn unser Verhalten ist ebenso wesentlich wie ihres«. ..."
Mellenthin erinnert auch daran, dass den guten Worten wenig an realen politischen Schritten folgte, aber immerhin: "Am 5. August 1963 unterzeichneten die Vertreter der Sowjetunion, der USA und Großbritanniens das sogenannte Begrenzte Teststoppabkommen.". Doch: "Dieser Vertrag ist jedoch bis heute nicht in Kraft getreten, weil ihn unter anderem die USA nicht ratifiziert haben."
Ob Obama in Seiner Rede vor dem Brandenburger Tor unter Ausschluss der Öffentlichkeit und vor ausgesuchtem Publikum Russland u.a. anbietet, nicht nur atomar (ein wenig) abzurüsten, sondern auch diesen Vertrag endlich umzusetzen? Sicher wird er wieder von Frieden und Freiheit und der weltweiten Förderung von demokratischen Werten reden, so wie diese die USA bzw. die US-Regierung und die hinter ihnen stehenden real Herrschenden und Mächtigen verstehen und meinen. Kennedys Worte "auch wir müssen unser Verhalten überprüfen", werden von Obama höchstwahrscheinlich nicht wiederholt.

Dienstag, 18. Juni 2013

Fundstück Nr. 31 – Obama und der Apparat

Der US-amerikanische Soziologe Norman Birnbaum äußerte sich am 18. Juni 2013 in einem Interview über die Macht des politischen Apparates der USA über den US-Präsident.

Norman Birnbaum gab eine interessante Antwort auf DeutschlandRadio Kultur auf die Frage "Obama hatte "Change" versprochen, Wandel, aber was hat sich geändert, also abgesehen davon, dass er besser aussieht als Bush und besser reden kann?":
"Ja, Sie können gut fragen, das fragen wir uns auch. Aber das führt zu dem Schluss, dass Schuld an dieser … Schuld, die Ursache … von dieser Ursache … Grund für diese Geschehnisse ist nicht das Verfehlen von dieser oder jener politischen … (Anmerkung der Redaktion: Wort nicht verständlich.) Präsident, aber ein Apparat, der sozusagen seine eigene Gesetze hat. Und der weiß genau, wie Leute, die aus der Reihe treten, zu disziplinieren sind. Wir haben bald die 50-jährige Feier von dem berühmten Kennedy-Besuch in Berlin, als unser junger Präsident damals ein Freiheitsheld war. Kennedy ist einige Monate danach getötet worden.
Niemand glaubt wirklich, dass dieser Oswald alleine gehandelt hat, es gibt jetzt genug Vermutungen, dass da eine große Verschwörung war. Das war danach, fünf Jahre später, als sich sein begabter jüngerer Bruder angeschickt hat, wieder ein reformistischer Präsident zu werden, und der große Führer Martin Luther King. Also, es gibt Arten und Weisen, wie Leute in unserem System sind gewarnt, nicht über gewisse Grenzen zu treten. Ich glaube, dass in Obamas Fall, ohne dass er das ausspricht oder zugibt, diese Lektüre von unserer Geschichte hat er sich zu eigen gemacht. Der hat eine große innere Hemmung, sozusagen zu viel Konfliktstoff auf einmal an die Oberfläche zu bringen, weil er glaubt, das nicht beherrschen zu können."

Dazu passt auch Folgendes:
Zitate aus dem Buch "Befehl von oben" von Tom Clancy (Taschenbuchausgabe 2001): "
"Es war, meinte er, ein Wunder, daß irgendein Präsident auch nur irgendwas an Arbeit erledigen konnte. Die wahren Aufgaben des Amtes waren schwierig genug, und sie wurden dennoch fast immer den >public relations< untergeordnet." (S. 464f.)
"Der Präsident konnte nicht alles überprüfen, was in seinem Namen geschah - selbst die Überprüfung eines Prozents wäre eine Heldentat -, und war trotzdem für alles verantwortlich. Dieses Wissen hatte manchen Präsidenten an der internen Führungsstruktur scheitern lassen." (S. 495)
"Die >Ich-bin-einervon-euch</Jedermann-Haltung reichte zurück bis Julius Cäsar. Sie war immer eine List, ein Schwindel, damit die Wähler dachten, der Typ wäre wirklich wie sie. Aber das war er nie. Normale Menschen kamen nicht so weit." (S. 572)
Das weist daraufhin, dass ein US-Präsident ohne den Apparat hinter ihm nichts ist, nichts tun kann und nicht die Macht hat, die er formal auf der politischen Bühne ausübt.
Zu Clancy sei gesagt, dass mir klar ist, das er ein US-Patriot und Fan von Ronald Reagan ist und seine Bücher davon künden. Insofern sehe ich ihn auch kritisch. Ich finde seine Bücher aber in dem Punkt hochinteressant, wo er eben die politischen Strukturen und Prozesse der USA beschreibt. Die diesbezügliche Faktentreue innerhalb von ausgedachten Geschichten basieren den Berichten über ihn zufolge auf Clancys eigenen Kenntnissen des Machtapparates und vieler dort Tätiger.

aktualisiert: 19.6.13, 13:14 Uhr, unter dem Kreisen der Polizei-Hubschrauber am berliner Himmel zur Sicherheit Obamas

Lang vorbereiteter Krieg gegen Syrien

Der ehemalige französische Aussenminister Roland Dumas erzählte am 10. Juni 2013 im französischen Parlaments-TV LCP von Kriegsplänen vor dem "Arabischen Frühling".
Darauf macht das Co-op Anti-War Café Berlin auf seiner Website aufmerksam. Die Originalsendung, eine Diskussionsrunde von LCP zu Syrien, kann hier nachgeschaut werden. Die Aktivisten zitieren Dumas aus der Diskussionsrunde:
”Ich werde Ihnen etwas sagen. Ich war zwei Jahre vor dem Beginn der Gewaltausbrüche in Syrien wegen anderer Unterredungen in England. Während meines Aufenthaltes dort traf ich mich mit britischen Spitzenbeamten, die mir gegenüber äusserten, dass man sich darauf vorbereite, etwas in Syrien zu unternehmen.”

“Dies war in Großbritannien und nicht in den USA. Großbritannien bereitete die Organisation einer Invasion von Rebellen in Syrien vor. Sie fragten mich sogar, obwohl ich nicht mehr Außenminister war, ob ich mich an den Vorbereitungen beteiligen wolle.

Natürlich weigerte ich mich, ich sagte ihnen, ich bin aus Frankreich, das interessiert mich nicht.”
”Dieser Vorgang geht weit zurück. Alles war vorbereitet, vorausberechnet und geplant … in dieser Region ist es wichtig zu wissen, dass das syrische Regime eine sehr anti-israelische Haltung hat.”
“Nach diesem Schema bewegt sich alles, was in der Region geschieht, und ich habe dies vom ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten, der mir sagte: “Wir werden versuchen, wieder mit unseren Nachbarn auszukommen, aber diejenigen, die nicht mit uns einverstanden sind, werden vernichtet.”

Zu letzterem passt auch, dass Israels Präsident Shimon Peres die US-Pläne zur Bewaffnung syrischer Rebellen begrüßt. "Sie hatten keine andere Wahl", sagte er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters anlässlich seines kommenden 90. Geburtstags, berichtet der österreichische Standard am 18. Juni 2013.

Natürlich gilt: Ein zu welchem Zeitpunkt auch immer gefasster Plan bedeutet nicht, dass er dann auch gleich umgesetzt wird oder umgesetzt werden kann. Die entsprechende Situation muss meist erst "reifen", wenn sie sich nicht anders entwickelt und die Pläne unmöglich macht. Und es wird immer gern auch nachgeholfen, was die kritische Situation angeht, so weit das möglich ist: US-Organisationen haben die syrische Opposition mit Millionen Dollar seit 2005 unterstützt, zitierte selbst Die Welt am 18. April 2011 einen Beitrag der Washington Post, die sich wiederum auf Wikileaks-Doumente stützte. Ein Bericht des United States Government Accountability Office, des Rechnungshofes des US-Kongresses, über „Democracy Assistance“ weist für 2009 7,5 Millionen Dollar für "Demokratieförderung" in Syrien aus, der Großteil von der US-Regierung. Wenn die Situation dann aber "reif" ist, ist interesant zu beobachten, wie immer wieder alte Pläne umgesetzt werden, natürlich modifiziert und dass es sich z.B. bei der westlichen Politik und Einmischung in Syrien eben nicht um "spontane" Reaktion auf eine sich herausgebildete Situation handelt, sondern um das simple Zugreifen, wenn sie die Zeit dafür als reif einschätzen ...

Das lief ja auch bei Libyen schon so, wie vor zwei Jahren ein Bericht in der Neuen Rheinischen Zeitung zeigte: "Inzwischen gibt es auch Hinweise, dass der Krieg des Westens gegen Gaddafi schon vor der Rebellion in Ostlibyen vorbereitet wurde, wie Abou Hassan und Michael Opperskalski in der NRhZ berichteten(24). Joachim Guilliard hat in seinem Internet-Blog einen Text von Heinz Eckel veröffentlicht, in dem zahlreiche Fakten zusammengetragen werden, die darauf hindeuten, dass der Kriegseinsatz gegen Libyen schon vor dem Ausbruch der Unruhen im Februar nicht nur vorbereitet sondern sogar geübt wurde. Da wird nicht nur von dänischen Kampfflugzeugen berichtet, die in Italien den Einsatz gegen Libyen übten, sondern auch von einem von Frankreich und Großbritannien im November 2010 beschlossenen gemeinsamen Manöver im März 2011 unter dem Namen "Southern Mistral" ("Südlicher Mistral"). Szenario des Manövers sei der Einsatz auf Grundlage einer UNO-Resolution gegen eine Diktatur in einem imaginären Land namens "Southland“ ("Südland“), die „verantwortlich für einen Angriff auf Frankreichs nationale Interessen“ sei. Das sind nicht die einzigen "Zufälle“, auf die der Text aufmerksam macht.(25)"

Ergänzung: Ich habe die Originalaussagen von Dumas vom 10. Juni 2013 in der LCP-Sendung noch einmal von einer Journalistin, die schon bei der UNO in Genf arbeitete und Französisch quasi wie ihre Muttersprache beherrscht, übersetzen lassen. Das zeigt mir, dass die von mir im Juni zitierte Übersetzung der Friedensaktivisten vom Co-op Anti-War Café Berlin nicht ganz korrekt war. Dumas sagte tatsächlich, dass er die britischen Verantwortlichen erst 2011 traf: "Vor etwa zwei Jahren, bevor die ganzen Feindseligkeiten in Syrien ausgebrochen sind, da war ich in Großbritannien ..." Und weiter: "Die haben mir gesagt, dass sich in Syrien etwas vorbereite. Das war in Großbritannien, nicht in den USA. Großbritannien bereitete die Invasion von Rebellen in Syrien vor. Man hat mich gefragt, als ehemaligen Außenminister Frankreichs, ob ich mich beteiligen würde. Ich habe das Gegenteil gesagt, ich bin Franzose, dass mich das nicht interessieren würde. Dies nur um zu sagen, dass diese Operation von langer Hand vorbereitet wurde. Sie wurde vorbereit, geplant ..."
Nach der Zwischenfrage gibt Dumas die Äußerungen des israelischen Premiers zu den Nachbarstaaten so wieder: "Und die, mit denen wir uns nicht verstehen, werden wir erledigen." Das ist auch ein kleiner Unterschied. Auch zu dem "vernichten", wie es die Friedensaktivisten übersetzten.


aktualisiert: 19.2.14; 21:35 Uhr

Freitag, 14. Juni 2013

Obamas Strafe für Assads Widerstand

Angebliche US-Geheimdiensterkenntnisse über den angeblichen Chemiewaffeneinsatz durch die syrische Armee sind Grund für die Verlängerung des Krieges gegen und in Syrien.

Es ist nicht überraschend, dass US-Präsident Barack Obama nun doch Waffenlieferungen an die "Rebellen" in Syrien zulassen will und das mit dem angeblichen Chemiewaffeneinsatz durch die syrische Armee begründet. Es war lange genug angekündigt, das mit einer solchen Behauptung die bisherige indirekte US-Einmischung ausgeweitet wird. Angebliche US-Geheimdiensterkenntnisse müssen diesmal dafür herhalten. Auch das ist nicht neu und dafür werden wieder alle Warnungen von Experten, die u.a. schon im Irak vergeblich nach angeblichen Massenvernichtungswaffen suchten, vor solchen Schlussfolgerungen ohne ausreichende Analyse ignoriert. Einer von ihnen kommentiert die Entscheidung so: "Die USA tun es wieder: 2003 wurde der Irak-Krieg mit einer Biowaffenlüge begonnen. Jetzt konstruiert sich Obama einen Kriegsgrund für Syrien. Die Beweislage ist dünn, ganz dünn. Vor allem gibt es keinen Beweis dafür, dass ein möglicher Einsatz von Chemiewaffen von Assads Seite durchgeführt wurde." Selbst wenn tatsächlich Giftgas in Syrien eingesetzt wurde, bleibe völlig offen, wer es eingesetzt hat, betont Jan van Aken, ehemaliger UN-Biowaffenkontrolleur und heutiger Bundestagsabgeordneter in der Fraktion Die Linke, in einer Pressemitteilung vom 14. Juni.

Es war nur eine Frage der Zeit, wann Obama dem Druck der Interventionisten in seinem Umfeld nachgibt. Unlängst hat er erst zwei ihrer Vertreterinnen mit neuen einflussreichen Posten betraut. Der republikanische Senator und Ex-Präsidentschaftskandidat John McCain hatte lange schon für eine direkte US-Einmischung in Syrien getrommelt und kürzlich die "Rebellen" besucht. Die Erfolge der syrischen Armee in der letzten Zeit haben sie in Panik versetzt, dass sie ihr Ziel des Regimewechsels in Damaskus und den Sturz des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad vielleicht doch verfehlen könnten. Die Presse aus Österreich nennt es "die Angst der USA vor Assads Sieg".

Dieses Ziel haben sie trotz aller Beteuerungen, sie würden sich für eine friedliche Lösung einsetzen, nie aufgegeben. Auch darauf habe ich schon mehrmals hingewiesen. Dafür haben sie ihre angeblichen Erkenntnisse auch der russischen Regierung übergeben, denn "Russland stimmt immer noch nicht dem zu, dass Baschar al-Assad gehen muss", wie Ben Rhodes, stellvertretender Sicherheitsberater des US-Präsidenten, laut RIA Novosti vom 14. Juni erklärte. Aber diese Argumente kommen in Moskau bisher nicht recht an: „Die Angaben über einen C-Waffen-Einsatz durch Baschar al-Assad sind auf die gleiche Weise gefälscht wie seinerzeit Lügen über Massenvernichtungswaffen bei Hussein verbreitet wurden“, twitterte Alexej Puschkow, Chef des Auswärtigen Ausschusses der  russischen Staatsduma, laut RIA Novosti am 14. Juni. „Obama geht den Weg von George Bush.“ Schon am 5. Mai hieß es: „Russland hat Indizien der amerikanischen Geheimdienste für die Anwendung von C-Waffen durch die Regierung von Syriens Präsident Baschar al-Assad als nicht überzeugend eingestuft“, wie RIA Novosti am 5. Juni sich auf AP berufend berichtete.

Der Schritt Obamas, die bisherige indirekte US-Einmischung in eine direkte umzuwandeln, bestätigt Assads Befürchtung in dem Interview mit der argentinischen Zeitung Clarin am 19. Mai, dass die Behauptungen vom angeblichen Chemiewaffeneinsatz der syrischen Armee nur das direkte militärische Eingreifen vorbereiten sollen. Die Frage, was der angebliche Einsatz der Chemiewaffen mit den Waffenlieferungen zu tun hat, wird von Obama und den anderen Kriegstreibern gar nicht erst gestellt und beantwortet. Ebenso nicht die danach, auf welche Weise noch mehr Waffen in der Hand der „Rebellen“ einen nach US-Logik weiteren möglichen angeblichen Einsatz von Chemiewaffen durch die syrische Armee verhindern können sollen. Eine ernsthafte Antwort würde zeigen, wie absurd die Begründung dafür ist, nun auch offiziell Waffen an die „Rebellen“ zu liefern und damit den Krieg in und gegen Syrien zu verlängern. Oder hat Obama auch schon einen möglichen Luftschlag gegen Stellungen der Armee in Syrien vorbereiten lassen? Kriegstreiber McCain fordert das schon mal, wie RIA Novosti am 14. Juni meldet: „Der Präsident muss die internationale Koalition vereinen, um militärische Maßnahmen zu ergreifen und Assad die Möglichkeit zu nehmen, Fliegerkräfte und ballistische Raketen einzusetzen sowie Truppen zu verlegen und zu versorgen. Dies könnte, wie wir das mehrfach betont haben, mit Fernstreckenwaffen, etwa mit Cruise Missiles, gemacht werden.“ Nach einem Bericht des Wallstreet Journal vom 13. Juni gehört zu den Plänen der USA schon, über Syrien eine begrenzte Flugsperrzone einzurichten. "Flugzeuge der USA und der Nato sollen die Flugsperrzone von jordanischem Territorium aus sichern und dadurch die syrischen Flüchtlinge und Rebellen schützen, die dort ausgebildet werden sollen.“

Eines ist sicher: Die Entscheidung Obamas trägt nicht zu einer friedlichen Lösung des Konfliktes in Syrien bei, sondern verlängert den Krieg und damit das Leid der Opfer. Damit wird für noch mehr Tote, Verletzte und Flüchtlinge und noch mehr Zerstörung in dem kriegsgeschundenen Land gesorgt. Dafür tragen die westliche Kriegstreiber und Regimewechsler und ihre arabischen Verbündeten von Anfang an die Verantwortung. Dabei werden selbst die Warnungen ehemaliger NATO-Militärs und -Verantwortlicher und ihre Forderungen nach einer diplomatischen Lösung ignoriert. Es ist eine Schande, was führende westliche Politiker, allen voran Drohnenpräsident und Kriegsnobelpreisträger Obama, in und gegen Syrien betreiben und betreiben lassen. Das ist durch nichts zu rechtfertigen, nicht mit Freiheit und Demokratie, nicht mit Menschenrechten. Um so wichtiger ist es, die Interessen im Hintergrund zu beachten, um wenigsten zu verstehen, warum die Kakophonie des Krieges und der Gewalt in Syrien nicht endet bzw. nicht enden soll. Die führenden westlichen Staaten und ihre Politiker könnten zum Frieden beitragen, wenn sie wollten – sie wollen aber nicht zu einem Frieden beitragen, der nicht ihren Interessen entspricht, wie RIA Novosti schon am 28. August 2012 auf Grundlage eines Interviews des britischen Independent mit dem syrischen Außenminister zeigte: „Westliche Diplomaten haben laut Syriens Außenminister Walid Muallem Syrien versprochen, die Krise im Lande zu regeln, wenn Damaskus seine Beziehungen mit dem Iran und der schiitischen Gruppierung Hesbollah abbricht.“ Darauf hat Assad nicht gehört und das Gegenteil gemacht. Obamas Entscheidung ist die Antwort darauf.

aktualisiert 20.07 Uhr

Mittwoch, 12. Juni 2013

Syrien: Frieden oder Flugverbotszone

Die Vorbereitungen für neue Verhandlungen in Genf, um den Krieg in und gegen Syrien zu beenden, stocken. Die Kriegstreiber überrascht das Vorrücken der syrischen Armee.

„Multilaterale Konflikt-Mediation verliert ihren Sinn, wenn sie vom stummen Tumult eines unsichtbaren Krieges erfüllt ist und die Konfliktparteien glauben, den Gegner früher oder später doch schlagen zu können.“ Das hat Freitag-Redakteur Lutz Herden am 30. Mai 2013 mit Blick auf die geplanten neuen Verhandlungen in Genf zum syrischen Konflikt geschrieben. „Wer handeln will, muss verhandeln“, stellte er fest. Am 3. Juni 2013 war in einem Text von ihm zu lesen: "Je klarer die Optionen, je eindeutiger das Kräfteverhältnis, desto zielführender kann in Genf verhandelt werden." Und Herden meinte: „Dabei dürften Amerikaner und Russen letzten Endes vom gleichen Blatt singen.“

Doch alles, was derzeit geschieht und gemeldet wird, deutet daraufhin, dass es den gemeinsamen Chor und ein gemeinsames Friedenslied für Syrien gar nicht geben soll, weil es nicht gewollt ist. Dagegen scheint die Vermutung von FAZ-Redakteur Thomas Gutschker vom 11. Mai 2013 leider zutreffend ist: „„Vieles deutet darauf hin, dass das Weiße Haus mit seiner Friedensinitiative lediglich Zeit gewinnen will.“ Doch diese scheint den US-amerikanischen Regimewechslern davon zu laufen, nachdem die syrische Armee immer mehr Positionen von der „Rebellen“ zurückerobert. „Die US-Administration wird angesichts des schnellen Vorrückens der syrischen Regierungstruppen voraussichtlich noch in dieser Woche einen Beschluss über technische und finanzielle Unterstützung der bewaffneten Regimegegner treffen sowie die Notwendigkeit der Herstellung einer Flugsperre über Syrien erneut prüfen.“ Das berichtete RIA Novosti am 10. Juni 2013, sich auf eine Meldung der Nachrichtenagentur AP vom selben Tag berufend. AP stützt seine Meldung auf Aussagen von Beamten der US-Regierung, denen zufolge sich US-Präsident Barack Obama einer Waffenlieferung an die bedrängten „Rebellen“ „annähere“. Ein Einsatz von US-Soldaten am Boden werde weiter ausgeschlossen, der Einsatz der US-Luftwaffe und anderer luftgestützter Waffen sei aber ein „Option“.

Die vom Westen und seinen arabischen Verbündeten wie Saudi-Arabien und Katar unterstützte „Opposition“ will keinen Frieden für Syrien, sondern nur den Regimewechsel auf friedlichem Weg. Das hatten diese Kräfte zuvor klar gemacht weshalb es nicht überraschend ist, dass sie nun ankündigten, erst nach Genf zu kommen, wenn sie vorher neue Waffen und Munition bekommen. Das erklärte laut New York Times vom 8. Juni 2013 der Chef des Obersten Militärrates der „Freien Syrischen Armee“ (FSA), Salim Idris. Die Zeitung beschreibt als Strategie von US-Außenminister John Kerry, durch die Verhandlungen in Genf den Abtritt des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad  und die Machtübergabe an eine „Übergangsregierung“ zu erreichen. Während Idris in dem Bericht behauptet, die FSA als bewaffneter Arm der vom Westen zusammengezimmerten „Nationalen Koalition“ sei weiterhin schlagkräftig, gilt die Koalition selbst als zerstritten, so die New York Times.

In den von der syrischen Armee entschiedenen Kämpfen um Al Kusair  hätten die „Rebellen“ nur leichte Waffen, darunter Maschinenpistolen, Maschinengewehre, 120-Millimeter-Mörser und Panzerfäuste einsetzen können, gibt die Zeitung den FSA-Vertreter wieder. Die syrischen Regimegegner hätten in Al-Kusair Artillerie und Luftabwehrsysteme eingesetzt, erklärte dagegen der russische Außenminister Sergej Lawrow laut RIA Novosti vom 11. Juni 2013 in einem Interview mit dem TV-Sender CBS am Vortag.

Ein Bericht der US-Onlinezeitung World Tribune vom 31. Mai 2013 deutet daraufhin, dass die westlichen und arabischen Regimewechsler und deren als „Rebellen“ bezeichneten Bodentruppen inzwischen anscheinend nicht nur militärisch zunehmend das Nachsehen haben. Danach gewinne Assad den Krieg um die Köpfe und Herzen der Syrer, wie NATO-Untersuchungen zeigten. Das Material stütze sich auf Angaben vom Westen unterstützter Aktivisten und Organisationen, die in Syrien bei Hilfsprojekten arbeiteten. Danach würden bis zu 70 Prozent der Syrer inzwischen Assad und die syrische Regierung unterstützen, vor allem, nachdem islamistische Terrorgruppen die Oberhand bei den „Rebellen“ gewannen. Selbst Sunniten fänden inzwischen die Islamisten „weit schlimmer als Assad“ und hätten genug vom Krieg. Immer mehr von ihnen würden das Vorgehen der syrischen Armee gegen die „Rebellen“ unterstützen.


Gründe für diese Entwicklung scheint es genug zu geben. Der Terror der Islamisten wie der jüngste Mord an einem 14jährigen in Aleppo hat dazu beigetragen. Die brutale Vorgehensweise der Rebellen habe die Regierungsseite gestärkt, sagte der Nahostwissenschaftler Günter Meyer dem Schweizer Tages-Anzeiger am 23. Mai 2013. "Meldungen wie das Horrorvideo, das einen Aufständischen zeigt, wie er die Leiche eines Soldaten schändet, fördern die Unterstützung des Regimes." Dazu kommt das Verhalten der angeblich "gemäßigten" Gruppen, wie u.a. ein Bericht der Schweizer Wochenzeitung (WOZ) am 16. Mai 2013 zeigte: "In den kurdischen Gebieten im Norden Syriens investiert die syrische Opposition lieber in Waffen als in die Rettung von Menschenleben. Die geplante Aufhebung des EU-Ölembargos wird daran nichts ändern." Ein Arzt aus der nordsyrischen Stadt Ras al-Ayn berichtete darin, dass seine Notklinik nicht unterstützt werde von der FSA. Diese verspreche zwar stets, die Klinik zu unterstützen, aber die Gewinne, die sie aus dem Verkauf konfiszierter Waren erziele, würden ganz anders eingesetzt. "Die syrische Opposition beschlagnahmte Ölquellen genauso wie Geflügel und Kühe", wird der Arzt zitiert, "doch wir können uns in der Klinik nicht einmal einen Stromgenerator für 8000 Pfund leisten. Mit nur tausend Pfund von jedem Kämpfer könnten wir die Klinik gut betreiben, aber die FSA gibt ihr Geld lieber für Zigaretten, Bankette, Autos und Waffen aus." Sowohl die Al-Nusra-Front als auch der FSA-Militärrat hätten Krankenwagen, die er aber nicht benutzen dürfe. Schon im Januar hatte das Informationsprojekt Naher nund Mittlerer Osten (Inamo) auf seiner Website Nachrichten wiedergegeben, wonach allein in Aleppo 1000 Fabriken in Aleppo von den "Rebellen" und Milizen demontiert und in die Türkei verkauft worden seien. Im Dezember 2012 wurde berichtet, dass die FSA-"Rebellen" Weizensilos plündern und das Getreide in die Türkei verkaufen.

Der „entscheidende Fehler“ des Westens sei es, die Ergebnisse der ersten Verhandlungen in Genf im Juni 2012 nicht umgesetzt zu haben, stellte Nahost-Wissenschaftler Meyer in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger vom 6. Juni 2013 fest. „Damals waren sich die Veto-Staaten im UNO-Sicherheitsrat über eine klare Marschrichtung zur friedlichen Beilegung des Konfliktes einig, alle waren bereit, Kompromisse einzugehen.“ Die auf Basis dieser Vereinbarungen von Russland vorgelegt Resolution im Sicherheitsrat habe auch die Beteiligung der syrischen Regierung an den Friedensverhandlungen vorgesehen, erinnert Meyer. „Die USA ebenso wie Grossbritannien und Frankeich lehnten jedoch damals die zuvor vereinbarte Teilnahme Assads ab – das war der entscheidende Fehler.“ Der Wissenschaftler setzt darauf, dass nun den USA wie Russland „ein demokratischer Übergang nach den Wahlen 2014“ wichtiger sei als eine Machtübernahme durch radikale „Rebellen“. Es bleibt abzuwarten, ob das im Weißen Haus auch so gesehen wird und was bei den Beratungen in dieser Woche über Waffenlieferungen und eine mögliche Flugverbotszone herauskommt.

Statt einer klassischen Flugverbotszone mit hohen Kosten sei auch ein zeitlich begrenzter Angriff mit 250 Marschflugkörpern möglich, um die syrische Luftwaffe am Boden zu zerstören. Das hatte Christopher Harmer vom Institute for the Study of War in Washington am 7. Mai 2013 gegenüber der Zeitschrift Foreign Policy erklärt. Er hatte mit einer Gruppe von Wissenschaftlern die Kapazitäten der syrischen Luftwaffe und die Möglichkeiten, sie zu zerstören, untersucht. Innerhalb einer Stunde sei das möglich, behauptete Harmer gegenüber Foreign Policy, ohne dass die US-Bomber syrischen Luftraum überfliegen müssten. Die Zeitschrift meinte, es sei alles nur eine Frage der Kosten. Ob sich die US-Regimewechsler und ihre Partner diese anscheinend verlockenden Aussichten entgehen lassen, um die syrische Armee zu schwächen und die "Rebellen" zu unterstützen, wie 2011 in Libyen?

Samstag, 8. Juni 2013

Hinweise auf Israels Einmischung in Syrien

Aktuelle Nachrichten deuten erneut auf mindestens indirekte Einmischung Israels in den Krieg in und gegen Syrien.

"Israel muss sich schließlich verteidigen", ist immer wieder zu hören, wenn es um die völkerrechtswidrigen Angriffe der israelischen Armee wie zuletzt in Syrien geht. Damit wird alles entschuldigt, während gleichzeitig den Angegriffenen das Recht auf Selbstverteidigung abgesprochen wird. Das ließe sich auch als perverse Logik bezeichnen. Zu beobachten ist das unter anderem nicht nur beim israelisch-palästinensischen Konflikt, sondern auch bei der angekündigten Lieferung von S 300-Luftabwehrrakten aus Russland an Syrien.

Aktuelle Nachrichten künden ebenfalls davon und zeigen, dass Israel nicht nur zuschaut bei den Ereignissen in Syrien. RIA Novosti meldet am 8. Juni 2013: "Die syrische Regierungsarmee und Hesbollah-Milizen haben nach der Einnahme der Stadt al-Kusair in Syrien Waffen und Munition mit Aufschrift auf Hebräisch sichergestellt, berichtet der von Hesbollah kontrollierte Fernsehsender Al-Manar." In der Stadt seien laut dem Portal MIGnews unter anderem Sturmgewehre, Granaten und Raketen aus israelischer Produktion sowie israelische Telekommunikationsausrüstungen entdeckt worden. Israelische Militärs hätten das als Fälschungsversuche bezeichnet und behauptet, die gezeigten Munitionsstücke seien sicherlich nach dem Abzug der israelischen Armeeeinheiten aus dem Südlibanon 2000 in die Hände von Hesbollah-Milizen gefallen.

Der syrische Präsident Bashar al Assad hatte am 19. Mai 2013 in einem Interview mit der argeninischen Zeitung Clarin darauf hingewiesen, dass die "Rebellen" von Israel Hilfe durch Logistik und durch Ausbildung erhielten. So sei ihnen z.B. gezeigt worden, wie syrische Luftabwehranlagen sabotiert werden können, um die Abwehr israelischer Luftangriffe zu verhindern. Dazu passt, was der Radioreporter Aaaron Klein am 5. Mai 2013 auf seiner Website kleinonline.wnd.com schrieb: "Israels heutiger Luftangriff in Syrien wurde koordiniert mit der Türkei, welche wiederum Angriffe der Rebellen in ganz Syrien zeitgleich mit dem israelischen Angriff koordinierte, berichteten ägyptischen und jordanische Geheimdienst-Quellen KleinOnline." Danach wussten die "Rebellen" nicht nur im Voraus von dem israelischen Angriff, sondern erhielten genaue Anweisungen für den Zeitpunkt des Beginns der israelischen Angriffe Anfang Mai. Am 24. April 2013 berichtete CNN, dass Salim Idriss von der "Freien Syrischen Armee" gegenüber Christiane Amanpour gesagt habe, Israel sei eines der Länder, deren Geheimdienste in Syrien aktiv seien.
 

Ich habe an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass Israel längst in Syrien mitmischt und nur offiziell schweigt und wartet.

Freitag, 7. Juni 2013

Vom nicht gewollten, aber möglichen Frieden in Syrien

Ein Mosaik von Nachrichten und Informationen über Friedensmöglichkeiten und Kriegstreiberei in Syrien

• Die beiden ehemaligen NATO-Generalsekretäre Jaap de Hoop Scheffer und Javier Solana in Der Standard, 5. Juni 2013: "Wer ernsthaft an einer Lösung des Syrien-Problems interessiert ist, muss auch bereit sein, unpopuläre Kompromisse einzugehen: Plädoyer für eine diplomatische Offensive unter Einbeziehung aller Beteiligten - einschließlich des Regimes in Teheran ...
Die zwischen John Kerry und Sergej Lawrow getroffene Vereinbarung für eine neue diplomatische Initiative 'Genf II' ist eine riesige Chance, einen politischen Prozess in Gang zu bringen. Es ist nicht überraschend, dass diese Idee von allen Seiten schon wieder attackiert wird. Aber nach zwei Jahren der Zerstörung ist es unumgänglich, einen mutigen - und alle Akteure einschließenden - politischen Prozess anzustoßen. Eine diplomatische Lösung ist die wahrscheinlich einzige Möglichkeit, der leidenden Bevölkerung zu helfen, einer Radikalisierung des Konflikts vorzubeugen und die Region zu stabilisieren. ...
Um das zu schaffen, muss der Westen neue diplomatische Wege finden, den Konflikt zu beenden - und auch politische Ambitionen hintanstellen. Das bedeutet leider auch, unpopuläre Kompromisse einzugehen: Zum Beispiel darf die Klärung der Frage nach Assads künftigem Schicksal nicht als Vorbedingung für den Beginn von Verhandlungen definiert werden. Und auch der Iran muss an einer diplomatischen Lösung beteiligt werden. ...
Ein militärisches Eingreifen des Westens würde zur Eskalation auf allen Seiten führen: Der syrische Bürgerkrieg würde noch brutaler werden, Extremisten würden Aufwind bekommen, und das Land würde noch weiter im Chaos versinken.
Die Idee, dass der Westen von außen irgendwie die moderaten Kräfte in Syrien kontrollieren könnte, ist ein eher optimistischer Gedanke. Eine militärische Intervention führt immer zu einer Eskalation - und sie wird den Westen immer mehr in den Konflikt hineinziehen. ..."

Die Presse aus Österreich am 5. Juni 2013: "Marti Ahtisaari schüttelt noch heute den Kopf, wenn wenn er daran denkt. Im Februar 2012 sei leichtfertig eine Gelegenheit für Verhandlungen im Syrien-Konflikt verspielt worden, sagte der finnische Friedensnobelpreisträger Dienstagabend in Wien ...
Russland sei zu diesem Zeitpunkt bereit gewesen, mit den Konfliktparteien und den ständigen Sicherheitsratsmitgliedern über drei Kernpunkte zu reden: Erstens über Waffenlieferungen nach Syrien, zweitens über die Möglichkeit direkter Gespräche zwischen dem syrischen Regime und der Opposition und drittens auch über den vom Westen geforderten Rücktritt von Präsident Bashar al-Assad. ...
Doch die USA, Großbritannien und Frankreich hätten darauf nicht reagiert. ...
Die Syrer hätten selbst über die Zukunft ihres Landes entscheiden sollen, in einem Urnengang, der von Tausenden UN-Soldaten überwacht worden wäre. Jetzt jedoch sei der Bürgerkrieg schon zu weit fortgeschritten, um ihn mit demokratischen Mitteln zu beenden, so Ahtisaari. ..."

• "Die USA können laut Senator John McCain einen Sieg der Anhänger des Regimes von Baschar al-Assad über die syrische Opposition verhindern, indem sie Schläge mit Marschflugkörpern führen und für die Aufständischen mit Hilfe ihrer Luftabwehr Sicherheitszonen schaffen.
'Sie müssen nicht glauben, dass wir jedes Luftabwehrmittel vernichten oder tausende Soldaten schicken müssen, um die Situation in Syrien zu verändern. Wir können weitreichende Waffen, zum Beispiel Marschflugkörper, einsetzen, deren Ziel die Luftstreitkräfte Assads und Raketenstartrampen wären', sagte McCain bei einer Rede im Brookings-Institut.
Eine Übergangsregierung muss ihm zufolge die Möglichkeit bekommen, in einer Sicherheitszone zu arbeiten.
'Diese Zone können wir mit Patriot-Raketen schützen. Wir können auch die Ausbildung und die Ausrüstung der syrischen Oppositionskräfte organisieren', so der Senator.
McCain äußerte sich erneut für Waffenlieferungen an die syrische Opposition, die US-Administration hatte sich bisher dagegen ausgesprochen. ..." RIA Novosti, 7. Juni 2013

• Großbritanniens Außenminister William Hague im Gespräch mit der F.A.Z., 2. Juni 2013: "Unsere Priorität ist es, das Regime in Damaskus und die Opposition an den Verhandlungstisch in Genf zu bekommen. Eine Entscheidung, tödliche Waffen zu liefern, wird vom Verlauf dieser Verhandlungen abhängen sowie von der Haltung anderer Länder. Denn Waffen werden wir nur zusammen mit anderen liefern, in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht und unter sorgfältig kontrollierten Bedingungen. Unsere Entscheidung vom vergangenen Montag soll dem Regime und der Opposition zeigen, dass wir auf veränderte Umstände flexibel reagieren können. ...
Es kann nicht immer so weitergehen, dass dem Volk die Mittel verweigert werden, sich zu verteidigen, während das Regime nahezu unbegrenzten Zugang zu Waffen hat und die Extremisten auch Waffen haben. Der Konflikt in Syrien hat die Leute radikalisiert. Sie brauchen nur zu den Extremisten gehen, um Waffen und Ausbildung zu bekommen. Die gemäßigten Kräfte sind dazu nicht in der Lage. Deswegen müssen wird eben darüber nachdenken, Waffen an diese Leute zu liefern. ...
Was wir erreichen müssen, ist eine Übergangsregierung mit exekutiver Macht. Das ist unsere Ausgangsposition. Unsere Sorge ist, dass das Regime sich nicht unter den nötigen Druck gesetzt fühlt, um Zugeständnisse zu machen. ...
Ich sehe keine Lösung der Syrien-Krise, bei der Assad nicht von der Bühne abtritt. ..."

junge Welt am 7. Juni 2013, Titel: "Öl ins Feuer": "Die USA haben beschlossen, Patriot-Abwehrraketensysteme und F-16 Kampfjets nach Jordanien zu schicken. Die Waffen sollen dort während einer bevorstehenden Militärübung von mindestens 18 Staaten mit mehr als 15000 Soldaten zum Einsatz kommen und anschließend nach Auskunft des jordanischen Informa­tionsministeriums im Land verbleiben. Der Sprecher des russischen Außenministeriums, Alexander Lukaschewitsch, kritisierte die Verbringung weiterer Waffen in die »hochexplosive Region«. Rußland fürchtet die Durchsetzung von Flugverbotszonen im Norden und Süden Syriens und hat angekündigt, seinerseits Flugabwehrraketen und Kampfjets an Damaskus liefern. ..."

• Gastkommentar von Peter Strutynski, Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag in Kassel, in junge Welt vom 6. Juni 2013 zum "Friedensgutachten 2013" und Syrien: "Die vier großen Friedensforschungsinstitute in Deutschland haben am Dienstag ihr »Friedensgutachten 2013« vorgestellt. Zu Recht lenken sie den Blick auf problematische Entwicklungen bei der weltweiten Rüstung und auf besonders kriegsanfällige Krisenherde. ...
Einen großen Raum im diesjährigen Friedensgutachten nimmt der Syrien-Konflikt ein. Die »Ratlosigkeit«, die dem Westen in der Syrien-Frage unterstellt wird, scheint sich auch in der Friedensforschung breit gemacht zu haben. Eine überzeugende Position, die mit dem Völkerrecht vereinbar (Artikel 2 UN-Charta: Souveränität der Staaten, Nichteinmischungsgebot, Gewaltverbot in den internationalen Beziehungen) und politisch durchsetzbar wäre, ist dem Gutachten nicht zu entnehmen. Statt dessen werden fünf Optionen angeboten, die offenbar alle ihre Vor- und Nachteile haben. Lediglich die letzte Option zielt auf einen Waffenstillstand und eine Verhandlungslösung. Aber auch sie wird an Bedingungen geknüpft, die für eine Seite kaum annehmbar sind und den grundsätzlichen Gedanken von »Verhandlungen ohne Vorbedingungen« unterläuft. Um es aus unserer Sicht klar zu sagen: Man muß kein Freund von Assad sein, um ihm – genauso wie der unbewaffneten und bewaffneten Opposition – zuzugestehen, im Verhandlungsprozeß eine Rolle zu spielen. Wer von vornherein seine Entmachtung und Verbannung ins Exil verlangt, also auf Regime Change setzt, darf sich nicht wundern, wenn sich die Fronten im syrischen Bürgerkrieg weiter verhärten. ..."

• "Nach Erhalt 'unwiderlegbarer Beweise' für einen Kampfstoffeinsatz in Syrien ruft Frankreich die internationale Gemeinschaft zum Handeln auf.
Das erklärte Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande am Mittwoch in Paris nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP. 'Wir haben Beweise präsentiert, die die Weltgemeinschaft jetzt zum Handeln verpflichten sollten... Aber hierbei dürfen wir ausschließlich im Rahmen des Völkerrechts vorgehen.' Dabei sagte Hollande nicht, welche Art Handeln er meint.
Die Sprecherin der französischen Regierung, Najat Vallaud-Belkacem, plädierte am Mittwoch dafür, dass Frankreich und die gesamte Völkergemeinschaft über ein militärisches Eingreifen in Syrien zur Vernichtung der chemischen Waffen entscheiden sollten. 'Es darf keine isolierte und einseitige Entscheidung Frankreichs sein… Dies wird von der Völkergemeinschaft erörtert', sagte so Vallaud-Belkacem am Mittwoch in Paris bei einem kurzen Pressegespräch nach einer Sitzung des französischen Ministerrates. ..." RIA Novosti, 5. Juni 2013
Zusatz: "Für den von Frankreich behaupteten Einsatz von Nervengas in Syrien gibt es nach Ansicht des zuständigen UN-Experten bislang keinen schlüssigen Beweis. Die Aussagekraft der französischen Erkenntnisse dazu reiche nicht aus, erklärte der schwedische Chemiewaffenexperten Åke Sellström laut einer am Donnerstag von den UN in Genf verbreiteten Mitteilung." dpa, 6. Juni 2013

Deutschlandfunk am 14. Mai 2013: "Der ehemalige Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, General a.D. Harald Kujat, sagt, er denke nicht, dass es möglich und richtig sei, in Syrien eine militärische Lösung herbeizuführen.  ...
Kujat: Nun, man kann zwar feststellen - dazu haben wir die Mittel -, ob chemische Waffen eingesetzt wurden, auch welche chemischen Waffen eingesetzt worden sind, aber wer diesen Einsatz nun tatsächlich durchgeführt hat, mit welchen Mitteln, das ist extrem schwierig.
Müller: Die Beweise, das ist das Problem, die Beweislast, das ist das andere Problem. Harald Kujat, darauf haben Sie hingewiesen. Wenn die Türken fest davon ausgehen, wenn sie behaupten, es geht auf den syrischen Geheimdienst zurück, der jüngste Bombenanschlag, ist das dann ein Angriff?
Kujat: Nein. Es ist ein Terroranschlag, der dort stattgefunden hat, und so bedauerlich das ist, es ist ja nicht der erste und die Situation verschärft sich ja offensichtlich auch zwischen der Türkei und Syrien. Aber auch hier gab es sehr, sehr schnell eine Festlegung auf Assad und seinen Geheimdienst. Die Lage gerade in diesem Gebiet ist äußerst kompliziert, äußerst verworren. Es gibt auch andere Optionen für einen solchen Anschlag und ich denke, das geht mir alles ein bisschen zu schnell und es geht immer in die gleiche Richtung, nämlich wir müssen etwas tun, um die Situation in Syrien zu beenden, und im Grunde genommen heißt das ja hinter vorgehaltener Hand, wir müssen militärisch etwas tun: Wir müssen Waffen liefern, oder wir müssen sogar uns sozusagen verteidigen gegen Syrien. Das ist für mich alles etwas schnell, um nicht zu sagen vorschnell. Man muss versuchen, mit dieser Initiative zwischen den Amerikanern und den Russen nun wirklich eine Lösung zu finden, und gerade haben wir ja auch erreicht, dass Russland sich beteiligen will. Diesem Ansatz muss man eine Chance geben jetzt und alles andere stört im Grunde genommen nur diese Initiative.
Müller: Für Sie - Sie haben das eben schon angedeutet - ist es definitiv als Militärexperte, als früherer NATO-General vollkommen ausgeschlossen, dass ein Militärschlag in irgendeiner Form weiterhelfen kann?
Kujat: Ich bin völlig davon überzeugt, dass das so ist, und ich denke auch, dass die große Zahl der Staaten in der NATO es ähnlich sehen. Deshalb hat die Türkei bisher auch keinen Versuch unternommen, einen wirklich ernsthaften Versuch unternommen, die NATO zu einem solchen Militärschlag zu bewegen. ...
Der syrische Regierungschef Assad hat doch ganz offenkundig kein Interesse, kann kein Interesse daran haben, sich noch mehr Feinde zu machen, noch mehr unter Druck zu geraten, vor allen Dingen sich mit Staaten anzulegen, die letztlich militärisch wesentlich stärker sind als die Aufständischen und die letztlich das Ende seines Regimes herbeiführen könnten. ..."

• Was der syrische Präsident Bashar al-Assad dazu meint, kann in der Übersetzung seines kürzlichen Interviews mit dem libanesischen TV Sender Al Manar nachgelesen werden, welche von der jungen Welt in zwei Teilen am 4. Juni 2013 und am 5. Juni 2013 veröffentlicht wurde.
"... Ich habe immer von einem Prinzip gesprochen, nämlich: Ob der Präsident bleibt oder geht, hängt vom syrischen Volk ab. Jeder, der über dieses Thema spricht, soll erklären, wen er repräsentiert. Gehört er zur syrischen Bevölkerung, repräsentiert er die syrische Bevölkerung? Wurde er von der syrischen Bevölkerung dazu ermächtigt, oder was? ...
Wir reden von der Konferenz »Genf 2« (die vom russischen Außenminister Sergej Lawrow und seinem US-amerikanischen Amtskollegen John Kerry Anfang Mai ausgehandelte zweite internationale Syrien-Konferenz, d. Red.). ...
Wir als Delegation werden in offizieller Eigenschaft zu dieser Konferenz gehen, als legitime Vertreter der syrischen Bevölkerung. Und wen werden sie repräsentieren? Nach Beendigung der Konferenz werden wir nach Syrien zurückkehren, in unsere Wohnungen und zu unserer Bevölkerung. Aber zu wem werden sie nach dem Ende der Konferenz zurückkehren? In die Fünf-Sterne-Hotels oder zu den Außenministerien der Staaten – natürlich nicht Syriens –, die sie vertreten, um ihnen Bericht zu erstatten? Oder zu den Geheimdiensten dieser Staaten?
Wenn wir zu dieser Konferenz gehen, müssen wir daher über einen Teil von denen, die sich an diesen Tisch setzen werden, etwas klar wissen. Ich sage »einen Teil«, weil die Form der Konferenz bis jetzt unklar ist. Was ist die Position der nationalen syrischen Opposition? Was ist der Standpunkt der Opposition und der anderen in Syrien vorhandenen Parteien? ...
Die einzige Bedingung ist, daß alles, was vor dem Hintergrund irgendeines Treffens umgesetzt wird, sei es im Inland oder im Ausland – einschließlich der Konferenz –, steht unter dem Vorbehalt der Meinung der syrischen Bevölkerung, unter dem Vorbehalt einer Volksabstimmung in Syrien. Das ist die einzige wirkliche Bedingung. Alles andere ist ohne Belang. ...
Sind Sie bereit, all Ihre Befugnisse an eine Übergangsregierung abzutreten? Wie verstehen Sie diesen Begriff »Unklarheit«, wenn dieser Ausdruck zutreffend ist?
... Sie sagen, sie wollten eine Übergangsregierung, in welcher der Präsident keine Rolle spielt. Der Präsident steht der Regierung natürlich nicht vor. In Syrien haben wir ein präsidiales System. Der Präsident steht der Republik vor, nicht der Regierung. ...
Was eine Änderung bei den Kompetenzen des Präsidenten angeht, so unterliegt dies der Verfassung, der Präsident kann seine Befugnisse nicht abtreten. Er besitzt die Verfassung nicht, und die Verfassung (vermutlich ist eine Veränderung der Verfassung gemeint, d. Red.) bedarf einer Volksabstimmung. ...
Daß sie aber im voraus die Änderung der Verfassung verlangen – das ist etwas, was weder der Präsident noch die Regierung nicht kann. Wir können dies nicht tun, wir haben verfassungsmäßig nicht das Recht, es zu machen. ...
Bei den arabischen Staaten registrieren wir vorübergehende Veränderungen im Zusammenhang mit ihrer Rhetorik, nicht im Zusammenhang mit ihren Taten. Die Staaten, die die Terroristen unterstützen, haben sich nicht verändert. Sie unterstützen die Terroristen nach wie vor im selben Maße. Auch bei der Türkei gibt es nichts Ernsthaftes. ...
Was geschieht, wenn die politischen Verhandlungen scheitern? Was sind die Auswirkungen, wenn die politischen Verhandlungen scheitern? Diese Möglichkeit besteht ernsthaft, das heißt, es gibt Staaten, die diesem Zusammentreffen grundlegende Hindernisse in den Weg legen. ...
Wenn die Konferenz scheitert, glaube ich nicht, daß dies an der Realität in Syrien viel ändert. Das heißt, jene Staaten werden weder mit der Konferenz noch ohne sie ihre Unterstützung einstellen. Und die Banden werden mit den Zerstörungen nicht aufhören. ...
Was meine Siegesgewißheit angeht: Wenn wir nicht siegessicher wären, könnten wir nicht standhaft sein. Und wir könnten, nach zwei Jahren internationaler, globaler Aggression, nicht weiter in dieser Schlacht kämpfen. Es ist kein dreifacher Feind wie 1956 (während der Suez-Krise, d. Red.), vielmehr ist dies in Wirklichkeit ein internationaler Krieg gegen Syrien und den Weg des Widerstandes. ..."