Eine befürchtete "Afghanisierung" des syrischen Konfliktes
scheint längst Realität, wie Berichte über die Einmischung anderer
Staaten zeigen.
Wenn Syriens Präsident Bashar al-Assad
auf die ausländische Einmischung in sein Land hinweist, wird das meist
als Verschwörungstheorie oder -angst abgetan.
Belege dafür werden ignoriert. Dabei ist längst offensichtlich, dass es
sich um einen von außen geförderten und zum Teil gesteuerten Krieg in
und gegen Syrien handelt. Nachweise dafür gibt es eine ganze Reihe, auf die
schon mehrmals hingewiesen
wurde, u.a. auch
frühzeitig von Joachim Guilliard. Inzwischen gibt es weitere Belege dafür, dass der Westen und
seine arabischen Verbündeten aktiv in Syrien mitmischen und kämpfen
lassen. Dabei mehren sich die Anzeichen, dass eine
befürchtete „Afghanisierung“ des Krieges in Syrien längst stattfindet.
Scott Stewart vom privaten Nachrichtendienst
Stratfor schrieb
in einem am 31. Januar 2013 veröffentlichten Beitrag
von einer "ausländischen Intervention in Syrien". Ihn beschäftigen die
Folgen derselben. Im Gegensatz zu Libyen und Mali habe der Westen mit
seinen arabischen Partnern diesmal den "Mittelweg" einer indirekten
Intervention gewählt. "Seit mehr als einem Jahr unterstützen Länder wie
die Vereinigten Staaten, die Türkei, Saudi-Arabien, Katar und
europäische Staaten die syrischen Rebellen." Das reiche von humanitärer
Hilfe wie Unterkunft, Nahrung und medizinische Versorgung für
Flüchtlinge bis zu "nichttödlicher" militärischer Ausrüstung wie Radios
oder Schutzwesten. Doch zeige eine Analyse der in Syrien von den
"Rebellen" eingesetzten Waffen, dass zunehmend auch solche geliefert
werden, stellt Stewart fest und verweist auf Videos in denen Waffen zu
sehen sind, die nicht aus erbeuteten Arsenalen der syrischen Armee
stammen. Dazu gehörten Waffen, die aus Kroatien kommen, österreichische
Gewehre sowie schweizerische Handgranaten, finanziert von arabischen
Staaten. Die Vielfalt und die Konzentration dieser Waffen belege, dass
es sich nicht um einen Zufall handele.
Für den
Stratfor-Analysten hat die äußere Einmischung in
Syrien das Niveau der Unterstützung für die afghanischen Mudschaheddin
gegen die sowjetische Armee erreicht. Es werde nicht nur mit Ausbildung,
Geheimdiensterkenntnissen und Unterstützung geholfen, sondern auch mit
Waffen, deren Herkunft offensichtlich ist. "Es ist auch interessant,
dass in Syrien wie in Afghanistan zwei der wichtigsten äusseren
Unterstützer Washington und Riad sind", die diesmal mit regionalen
Mächte wie der Türkei, Jordanien, Katar und den Vereinigten Arabischen
Emiraten (VAE) zusammenarbeiten. Ähnlich wie in Afghanistan würden in
Syrien jene Gruppen mit Geld und Waffen unterstützt, die "am
erfolgreichsten auf dem Schlachtfeld" seien. Wie am Hindukusch seien das
Dschihad-orientierte Gruppen wie Jabhat al-Nusra, die von den Saudis,
aus Katar und den Emiraten Hilfe erhielten. Es handele sich dadurch und
infolge der Radikalisierung durch die Dauer des Krieges inzwischen um
"eine Kraft, mit der in der Zukunft zu rechnen sein wird".
Saudi-Arabien nutze es, wenn die Dschihadisten in Syrien, darunter
Gruppen, die wie die Jabhat al-Nusra im Irak gegen die USA-Truppen
kämpften, unterstützt werden. Mit ihrer Hilfe soll der iranische
Einfluss in der Region gebrochen werden und ein sunnitisches Regime in
Syrien errichtet werden, so Stewart. Zugleich zeige das saudische
Königshaus damit, dass interne Kritik, es sei zu weltlich und westlich,
falsch sei und dass es Muslimen beim Kampf helfe. Zugleich nutzen die
Saudis aus Sicht des
Stratfor-Analysten die Möglichkeit, ihre
eigenen Radikalen bzw. Extremisten nach Syrien zu schicken, "wo sie
kämpfen und möglicherweise sterben". "Angesichts einer großen Zahl von
Arbeitslosen, unterbeschäftigten und radikalisierten jungen Männern
bietet der Dschihad in Syrien ein Druckventil ähnlich wie bei den
letzten Kämpfen im Irak, Tschetschenien, Bosnien und Afghanistan." Die
Saudis rekrutierten aber nicht nur "ihre eigene unruhige Jugend",
sondern sorgen nach
Stratfor-Informationen auch dafür,
Nachwuchs aus dem Jemen in Trainingslagern in der Türkei auszubilden und
dann nach Syrien in den Kampf zu schicken. Die jungen Jemeniten
erhielten freie Fahrt und ein Stipendium für ihren "Dienst", wenn sie
überleben.
Stewart warnt vor den Folgen des „taktischen Darwinismus“ der Saudis.
Die Überlebenden bildeten einen militanten Kern, mit denen es die
Saudis zu Hause zu tun haben werden. Die „Dschihad-Proxies“ bedrohten
ebenso die Stabilität Syriens nach dem Krieg wie einst die Mudschaheddin in Afghanistan
nach dem Rückzug der Sowjets und dem Sturz des Nadschibullah-Regimes
1992. Ein anderes Beispiel sei Libyen, wo die Dschihadisten nicht nur
eine innere Gefahr seien, sondern auch ausländische Interessen bedrohten
und ein regionales Problem darstellten, wie die Ereignisse in Mali und
Algerien zeigten. „Ähnliche langfristige und weitreichende Auswirkungen
sind in Folge der Intervention in Syrien zu erwarten“, meint Stewart.
Auf der englischen Seite der russischen
Prawda war am 6. Februar 2013 zu lesen, der saudische Botschafter in Jordanien, Fahad bin Abdul Mohsen al-Zaid, habe in einem Interview mit der Zeitung
Al-Hayat
bestätigt, dass Saudis in Syrien gegen Assad kämpfen. Soweit ich das
überprüfen konnte, hat der Diplomat das nicht gegenüber der Zeitung
gesagt. Er erwähnte nur, dass derzeit noch 2.500 Saudis in Syrien leben
und eine geringe Zahl von ihnen inhaftiert seien. (Quelle:
Al-Hayat, 3.2.2013) Es gibt aber
seit Dezember 2012 Informationen
darüber, dass Saudi-Arabien hunderte Kriminelle, die wegen
Drogenschmuggel, Mord und Vergewaltigung zum Tode verurteilt waren,
freiließ und nach Syrien schickte, damit sie sich dort den bewaffneten
Terrorgruppen anschließen. Christof Lehmann schrieb auch darüber
auf seiner Website nsnbc.
Über saudische Waffenlieferungen an die „Rebellen“ in Syrien gibt es seit längerem Berichte. Schon im März 2012 hatte selbst
die Welt gemeldet,
dass laut einem hochrangigen arabischen Diplomaten Saudi-Arabien über
Jordanien "Militärgüter" an die Freie Syrische Armee (FSA) liefere.
Im Dezember 2012 berichtete die iranische Nachrichtenagentur FARS News, dass die Saudis über die Grenze zum Irak Waffen, Bomben und militärische Ausrüstung nach Syrien bringen.
Dass das saudische Königshaus aktiv mitmischt im Krieg gegen und in
Syrien bestätigte Kronprinz und Kriegsminister Salman bin Abdul Aziz bei
der Konferenz der Organisation der Islamischen Zusammenarbeit (OIC) in
Kairo am 6. Februar 2013. Im Auftrag von König Abdullah forderte er von
der „internationalen Gemeinschaft“ und dem UN-Sicherheitsrat
für einen Regimewechsel in Syrien zu sorgen, „
mit allen möglichen Mitteln“. Welche neben den bisher eingesetzten dazu gehören sollen, beschrieb
Prinz Turki al Faisal Al Saud gegenüber der FAZ
im Januar 2013: „Panzerabwehrwaffen, Luftabwehrwaffen und Waffen gegen
Artillerie“. Dieser saudische Prinz, für den die Dschihadisten in Syrien
die "guten Jungs" sind, war übrigens 1977 bis 2001 Chef des wichtigsten
saudischen Auslandsgeheimdienstes, der maßgeblich an der Bewaffnung der
afghanischen Mudschaheddin gegen die Sowjetunion beteiligt war.
All das Beschriebene läuft nicht ohne Unterstützung der führenden
westlichen Staaten, insbesondere der USA. Darauf wurde ebenfalls schon
mehrfach hingewiesen. „Die saudische Politik in Bezug auf Syrien wird
eng mit den Vereinigten Staaten koordiniert“, stellte u.a. die
israelische Zeitung
Haaretz im Juli 2012 in einem Bericht
über den „CIA-Favoriten“ Prinz Bandar bin Sultan fest, der die
Grundlage für ein Syrien nach Assad gelegt habe. Beide Länder verfolgten
wie Israel damit das Ziel, den Iran von seiner „wichtigsten arabischen
Basis“ trennen und die Waffenlieferungen an die Hisbollah einzudämmen.
Übrigens hatte Präsident Assad schon im Oktober 2011 in einem
Interview mit der britischen Zeitung The Telegraph
gewarnt: "Wollt ihr noch ein Afghanistan – wollt ihr noch zehn
Afghanistans?" Seine damalige Warnung vor den Folgen einer Intervention
wurde ihm
erwartungsgemäß als Drohung ausgelegt.
David Ignatius wies
am 5. September 2012 in der Washington Post ebenfalls auf die "schaurigen Parallelen" zwischen Afghanistan in den 80ern und Syrien heute und
bestätigte, wie sich der Westen heute wieder einmischt. Natürlich ist er
dafür, die "Rebellen" zu unterstützen, warnte aber zumindest ebenfalls
vor den Folgen. Die
Wiener Zeitung hatte den Text
am 6. September 2012 auf deutsch veröffentlicht.
Geschichte wiederholt sich ... oder wird wiederholt, zum Teil von den gleichen Akteuren.
Hier geht's zum
Stratfor-Beitrag "
The Consequences of Intervening in Syria"
Der Text wurde am 7.2.13 aktualisiert
Nachtrag: "Das Pentagon hat laut US-Generalstabschef Martin Dempsey
den 2012 ausgearbeiteten CIA-Plan zur Bewaffnung der syrischen
Opposition über die US-Verbündeten in der Region gebilligt." (
RIA Novosti, 8.2.13)
Ich sehe also keinen Anlass, meine Bewertung von Biskys Ratschlägen an die PDL zu korrigieren oder gar zurückzunehmen.