Bitte beachten:

Mit deutsch- und volkstümelndem sowie rechtsextremem und faschistischem Gedankengut habe ich nichts am Hut und nichts zu tun!

Montag, 27. August 2012

Noch ein Nachtrag zum PR-Theater in Russland

Der Rechtswissenschaftler Klaus Volk hat am 27. August auf sueddeutsche.de eine passende Antwort auf zahlreiche tendenziöse Beiträge zum "Pussy Riot"(=PR)-Theater gegeben: "In Deutschland wäre eine Verurteilung wie die der russischen Punkband "Pussy Riot" kaum vorstellbar. Oder doch? Auch hier macht sich strafbar, wer "beschimpfenden Unfug" auf Kirchengrund verübt. Und drohen dafür auch zwei Jahre Freiheitsstrafe? Nein - bis zu drei. Die Empörung über das Urteil gegen die drei jungen Frauen von Pussy Riot ist allgemein. Empörung 2.0. Ein Sprecher des Weißen Hauses, das unter Präsident George W. Bush wenig Mühe hatte, Guantanamo als rechtsstaatlich und Folterungen wie das sogenannte Waterboarding als verhältnismäßig zu etikettieren, nannte die Strafen unverhältnismäßig. ...
Seit Oktober 2011 traten Pussy Riot dort vielfach auf öffentlichen Plätzen auf, kritisierten Putin scharf und stellten die Clips auf YouTube ins Netz. Nichts geschah. Ihr "Fehler" war, in die Kirche zu gehen und dort dagegen zu protestieren, dass deren Patriarch nach ihrer Ansicht zur Wahl Putins aufgerufen hatte. Meinungsfreiheit endet an der Kirchentüre. ...
Es bleibt der Argwohn, in Russland habe man sogenanntes politisches Strafrecht praktiziert. Unterdrückung, Repression ist das Wesen des Strafrechts. Und jedes Strafrecht ist politisch, weil es Ziele verfolgt. Die Sicherung von Herrschaft gehört dazu bei uns nicht. Gegen die Perversion von Strafrecht, die in Deutschland nicht zu befürchten ist, hilft in einer Demokratie am Ende nur die Empörung. Man sollte aber wissen, worüber man sich aufregt."
Es ist peinlich, dass hierzulande in Politik und Medien die von Volk beschriebene Unwissenheit vorzuherrschen scheint.

Wzbw: Der Euro als deutsches Projekt

In der Süddeutschen Zeitung online habe ich einen sehr interessanten Beitrag entdeckt: "Der Euro war ein Rettungsprogramm für die deutsche Wirtschaft". Der auf Fragen antwortende griechische Finanzexperte Panos Panagiotou würde aufgrund solcher Aussagen anderswo wahrscheinlich glatt als "Kommunist" diffamiert werden. Er ist das aber nicht und auch nicht für Sympathien für das griechische radikale Linksbündnis Syriza bekannt, soweit ich weiß.

Das Interview sprang mir gewissermaßen ins Auge, hatte ich doch in Diskussionen zur Finanz- und Eurokrise immer darauf hingewiesen, dass der Euro ein deutsches Projekt ist und hauptsächlich den Interessen der deutschen Wirtschaft dient. Diese Erkenntnisse sind eigentlich ziemlich einfach zu erlangen mit einem ökonomischen Grundwissen (bei mir u.a. durch fünf Semester Volkswirtschaftslehre) und historischen Kenntnissen, unterstützt durch aktuelle Beobachtung der Entwicklung. Dazu gehören auch entsprechende Beiträge von den wenigen Ökonomen mit klarem Blick wie z.B. Gustav Horn, Heiner Flassbeck, Rudolf Hickel und Peter Bofinger. Umso mehr freut mich die aktuelle Bestätigung aus berufenem Munde. Nicht nur, weil schon die Überschrift des Interviews meine Sicht bestätigt, sondern weil es eine interessante griechische Perspektive wiedergibt, sei hier auf den Text hingewiesen.

In dem Interview gibt es mehrere hochinteressante Aussagen: "Ein aktueller Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) zum Thema "Entwicklung und Austerität" zeigt, dass drastisches Sparen in wirtschaftlich schwachen Ländern wie Griechenland langfristige Schäden in der Wirtschaft hinterlässt. Dieser Bericht kommt zu dem Schluss, dass bei solchen Staaten die Umsetzung der Sparmaßnahmen erst erfolgen sollte, sobald die Wirtschaft wieder im Aufschwung ist, und nicht während einer Rezession. Eine solche Form der "Entwicklungsausterität" scheint eine realistische Lösung für Länder wie Griechenland zu sein, die ihre Staatshaushalte in Ordnung bringen müssen. Sie ist ohne Abwertung der Währung möglich. Allerdings braucht es hierzu den politischen Willen in der EU. Gerade wird in der EU eher übersehen, dass Griechenland das einzige Land weltweit ist, das ohne parallele Entwertung seiner Währung in so kurzer Zeit sein Haushaltsdefizit so weit reduziert hat."

Zur Rolle der Bundesrepublik ist zu lesen: "Zum einen hat Deutschland eine weltweit führende Industrie, zum anderen hat der Euro lange auch als Rettungsprogramm für die deutsche Wirtschaft fungiert - zu Lasten der südeuropäischen Staaten. Während einer Phase weltweiten Aufschwungs wurden die Zinsen der EZB auf einem historischen Rekordtief gehalten, um Deutschlands schwächelnde Exportwirtschaft zu stabilisieren. Als die Rezession begann, hob die EZB die Zinsen an. In den südeuropäischen Staaten führte diese Zinspolitik erst zu Aufschwungsblasen und danach zu finanzieller Erstickung. Als 2000 die Technologieblase platzte, folgte eine finanzwirtschaftliche Krise. Investitionskapital floss aus Deutschland ab, das Land rutschte in eine Rezession - auch die Wiedervereinigung war teuer. ...
Um diese Krise zu überwinden, hat Deutschland zugelassen, dass in sehr kurzer Zeit so viele Staaten wie möglich in die Euro-Zone aufgenommen wurden. Die EZB hat die neuaufgenommen Länder mit billigem Geld vollgepumpt, so dass sie sich deutsche Produkte leisten konnten. Im Rahmen dieser Politik hat die EZB in den Jahren 2003 bis 2006 ihre Zinsen auf zwei Prozent abgesenkt, entgegen der makroökonomischen Bedürfnisse der Eurozone. ...
2005 wies der Finanzdirektor der Investmentfirma Nomura einen führenden Beamten der EZB darauf hin, dass es unfair sei, die südeuropäischen Staaten ohne ihr Wissen zur Rettung Deutschlands heranzuziehen. Der Beamte antwortete: 'Das ist der Zweck einer Währungsunion: Weil Deutschland als eine Ausnahme ohne Hilfe von außen seiner Wirtschaft kein stärkendes Paket verabreichen kann, hat es keine andere Wahl sich durch eine entsprechende Währungspolitik der ganzen Union helfen zu lassen.' ...
1998, also vor dem Eintritt in den Euro hat Griechenland Waren im Wert von 7,7 Milliarden Euro, aus Deutschland importiert. Zehn Jahre später waren es Waren im Wert von 21,5 Milliarden Euro. Parallel haben die Importe Deutschlands aus Griechenland abgenommen: vor dem Eintritt in den Euro lagen sie bei 2,2 Milliarden Euro, im Jahr 2002 waren es bereits nur noch 1,7 Milliarden Euro. Die gestiegenen Importe deutscher Produkte hätten im Süden Europas vielleicht nicht so ein großes Problem verursacht, wenn Deutschland den Gefallen erwidert hätte. Aber Deutschland hat das Gegenteil gemacht, nämlich seinen Markt durch eine Politik der Desinflation geschützt. ..." Wzbw ...

Die Abkürzung Wzbw steht für "Was zu beweisen war". Diese Floskel habe ich einst oft in der Schule, im Unterrichtsfach Mathematik, gehört. Die lateinische Formel heißt „quod erat demonstrandum“ (q. e. d.). Ich habe längst kaum noch was mit Mathematik zu tun, bis auf das Kopfrechnen im Alltag. Aber diese Floskel habe ich nie vergessen. Und sie fiel mir sofort ein, als ich den Beitrag darüber las, wem der Euro am meisten nutzt.

In dem Zusammenhang empfehle ich ein weiteres Mal einen Blick in die Geschichte zum besseren Verständnis der Gegenwart mit Hilfe des Buches "Europastrategien des deutschen Kapitals 1900-1945", herausgegeben von Reinhard Opitz, 1994.

Sonntag, 26. August 2012

Blick nach Afghanistan

Alle guten Dinge sind drei! Deshalb folgt hier ein weiterer Hinweis auf einen interessanten Text zu einem interessanten Thema.
Die aktuelle Ausgabe 08/2012 der Monatszeitung Le Monde diplomatique bringt einen Text über Afghanistan und erinnert an Mohammed Nadschibullah, den letzten kommunistischen Präsidenten des Landes.
"Nicht selten sieht man in einem Teehaus oder einem kleinen Laden von Kabul ein Bild an der Wand, das einen ernst blickenden Mann mit rundem Gesicht, dunklem Haar und Schnurrbart zeigt. Es ist das Porträt von Mohammed Nadschibullah, dem letzten kommunistischen Präsidenten Afghanistans. Nadschibullah war erst 1986 ins Amt gekommen, davor hatte er jahrelang die straff durchorganisierte Geheimpolizei KHAD geleitet. Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen konnte er sich noch drei Jahre an der Macht halten, bis er 1996 von Talibankämpfern auf grauenhafte Weise umgebracht wurde.
Wenn man Afghanen auf die Nadschibullah-Poster anspricht, hört man Sätze wie: "Er war ein starker Präsident, und wir hatten damals eine starke Armee." Oder: "Kabul war sauber, und alles war in Ordnung." Ein Teehausbetreiber meinte nur: "Nadschib hat gegen Pakistan gekämpft." In der Erinnerung erscheint Nadschibullah also weniger als Sozialist - für viele Afghanen ohnehin ein nebelhafter Begriff -, sondern als Patriot und Modernisierer. ..."
Autor Christian Parenti wertet zwei englische Bücher aus, die sich u.a. mit der sowjetischen Besatzung des Landes am Hindukusch von 1979 bis 1989 beschäftigen. Das eine, "Afgantsy", hat Rodric Braithwaite geschrieben. Er ist ein Veteran der Diplomatie des Kalten Krieges, der als britischer Botschafter in Moskau den Zerfall der Sowjetunion beobachtet hat. In seinem Buch schildert er laut Parenti detailliert und mit viel Gespür die russische Invasion und Besatzungszeit in Afghanistan. "Braithwaites nüchterne und ausgewogene Darstellung kontert zugleich die propagandistisch verzerrten und falschen Informationen, die er selbst als britischer Diplomat in Moskau verbreiten half." Für seine Forschungen habe er Zugang zu Archiven der russischen Regierung, mit Zeitzeugen gesprochen, die im sowjetisch-afghanischen Krieg eine Schlüsselrolle gespielt haben, und sei nach Kabul gereist, um seine Kenntnisse vor Ort zu vertiefen.
Das andere Buch, "Ghosts of Afghanistan", stammt von Jonathan Steele. "Als langjähriger Auslandskorrespondent des Guardian hat er dreißig Jahre lang über Afghanistan berichtet: über die sowjetische Intervention, die Nadschibullah-Ära, die Schreckenszeit unter den Mudschaheddin, den Bürgerkrieg, den Aufstieg der Taliban und die US-amerikanische Besatzung. Steele zeichnet ein umfassendes und nuanciertes Bild von Afghanistan, wobei sein journalistischer Blick für aktuelle Details und Zusammenhänge durch eine langfristige historische Betrachtungsweise ergänzt wird."
Parenti schreibt, dass die sowjetische Führung zwar die Kommunisten in Afghanistan unterstützte. Aber was in dem Land Ende der 70er Jahre passierte, habe Moskau laut Braithwaite gar nicht gefallen. Afghanistan galt weder als reif für den Sozialismus, noch die kommunistische DVPA reif für die Führung des Landes. "Im Laufe des Krisenjahrs 1979 hat die kommunistische Regierung Afghanistans die Sowjetunion ganze dreizehnmal dazu aufgefordert, militärisch einzugreifen. Doch Moskau verweigerte sich mit Verweis auf alle möglichen plausiblen Gründe: 'Wir haben alle Aspekte dieses Vorgehens geprüft', erklärte ein sowjetischer Regierungsvertreter, 'und sind zu dem Schluss gekommen, dass sich durch das Eingreifen unserer Truppen die Situation in ihrem Land nicht nur nicht verbessern, sondern sogar verschlimmern würde.' Erst die Ermordung Tarakis scheint ein Umdenken in Moskau bewirkt zu haben. ..."
Alles Weitere ist Geschichte und kann in dem Beitrag von Le Monde diplomatique weitergelesen werden.

Samstag, 25. August 2012

Die Hartz-Verschwörung

Das zehnjährige Jubiläum der "Hartz-Reformen" scheint isgesamt etwas unterbelichtet zu sein, vor allem die Folgen für die Betroffenen. Deshalb der Hinweis auf eine interessante Analyse:
"Wenn heute an die Übergabe des Berichts »Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt« im Französischen Dom in Berlin vor genau zehn Jahren erinnert wird, dann denken viele an Hartz IV, jenes Grundsicherungssystem, in das Millionen Menschen samt Partnern und Kindern ohne Rücksicht auf Qualifikation oder Berufserfahrung hineingepreßt werden und das Hunderttausende in unterwertige Arbeitsplätze gezwungen hat, ohne ihnen sozialen Schutz zu bieten." Das schrieb Helga Spindler am 16. August in der jungen Welt. Die Autorin arbeitet an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. In ihrem Beitrag analysiert sie die Hintergründe der "Hartz-Reformen" und deren Zustandekommen. Dabei zeigen sich alle Zutaten für eine veritable "Verschwörung" gegen den Sozialstaat und die auf ihn Angewiesenen.
Im Folgenden einige Auszüge aus dem Text in der jW: "... Schon immer war auffällig, daß diejenigen, die die damaligen Vorgänge erforschen, weniger auf die Analyse von öffentlich zugänglichen Dokumenten zurückgreifen konnten, sondern auf die Auswertung von Insiderinformationen, meist anonymisierte Interviews mit Akteuren der damaligen Zeit, angewiesen waren. ...
Speziell Hartz IV sowie die verbliebene Restarbeitslosenversicherung und Restsozialhilfe haben wir nicht in erster Linie der Hartz-Kommission oder gar dem Namensgeber Peter Hartz persönlich zu verdanken, sondern einer geheimen Staatsaktion, einer recht undemokratischen, handstreichartigen Hintergrundarbeit aus dem Bundesarbeitsministerium (BMA) und dem Bundeskanzleramt – einverständlich koordiniert und gelenkt durch die Bertelsmann Stiftung. ...
»Tragende Akteure« dieses Prozesses seien im Bundeskanzleramt Frank Walter Steinmeier und im BMA Staatssekretär Gerd Andres gewesen. Walter Riester, damals Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, erinnert sich nach dem Vermittlungsskandal an ein Gespräch mit Steinmeier: »Walter, wir müssen das eigentlich mit einem massiven eigenen Schlag lösen. Wir stehen jetzt vor der Bundestagswahl. Und seine (Steinmeiers) erste Vorstellung war, McKinsey einzusetzen.« Vermutlich dachte Steinmeier schon damals an den befreundeten McKinsey-Berater Markus Klimmer, verantwortlich für den Bereich »Public Sector« und Promoter für technologiedominierte Verwaltung und Privatisierung, den er 2008 für sein Wahlkampfteam engagierte und der bis heute IZA Policy Fellow, Mitglied im Managerkreis der Ebert-Stiftung, in der SPD sowie in deren Wirtschaftsrat ist und neuerdings im gleichen Feld für das Managementberatungsunternehmen Accenture arbeitet.
Steinmeier teilte diese Vorliebe für die »Meckis« mit Peter Hartz, der aber wegen gemeinsamer Projekte bei VW den McKinsey-Direktor Peter Kraljic für seine Kommission vorzog. Später stießen Florian Gerster (heute ebenfalls Mitglied im Managerkreis der Ebert-Stiftung und in der SPD, IZA Policy Fellow, Präsident des Bundesverbands Briefdienste, Botschafter der »Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft« und Unternehmensberater; damals kurzzeitig Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit) und Wolfgang Clement (heute konsequenterweise bei der FDP) zu dieser Gruppe. ...
Das alles ist für sich genommen noch nicht anstößig. Nur wurde die weitere Arbeit nach außen und von demokratischer Auseinandersetzung und Kontrolle abgeschottet. Denn man baute nichtöffentlich mit der Bertelsmann-Stiftung einen Arbeitskreis »Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe« auf, der dann an zentraler Stelle an der Politikformulierung beteiligt wurde.
Ich selbst war dem breiten Akteursgeflecht, das die Öffentlichkeit nicht so wahrgenommen hatte, nur mit viel Mühe auf die Spur gekommen, als ich den Aktivitäten der Bertelsmann-Stiftung und der von ihr beauftragten Mitarbeiter (Frank Frick, Werner Eichhorst, Helga Hackenberg) nachging, 2 deren Dokumente nur teilweise zugänglich und dann plötzlich auch im Netz verschwunden waren. ...
Die »Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe« war für sie von Anfang an die Chiffre für die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, erheblichen Leistungsabbau in der Arbeitslosenversicherung und ein neues System einer rechtloseren Sozialhilfe, die nicht mehr dem Ziel der Schaffung menschenwürdiger Lebens- und Arbeitsverhältnisse verpflichtet ist – was letztlich auch einer Abschaffung der bisherigen Sozialhilfe gleichkam. Die damals durchaus vorhandenen Schwachstellen bei der Verwaltung von Leistungen für Erwerbslose hätte man auch ohne eine Systemänderung beheben können. Konzeptionell zwingend war die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe nur für diejenigen, die den Druck auf arbeitserfahrene, deshalb oft selbstbewußtere und etwas teurere Arbeitslose verschärfen wollten. ..."
Mehr gibt es hier zum Lesen und Nachdenken.

Wissenswertes über Julia Timoschenko

Über eine der Lieblingsoppositionellen des Westens auf dem Gebiet der einstigen Sowjetunion, Julia Timoschenko, ist demnächst in einem Buch mehr zu erfahren.

Die junge Welt brachte am 24. August einen Vorabdruck aus dem Buch von Frank Schumann "Die Gauklerin - Der Fall ­Timoschenko", aus dem ich wiederum einen Auszug zitiere:
"Die ehemalige Regierungschefin der Ukraine, Julia Timoschenko (51), wurde 2011 zu sieben Jahren Haft verurteilt – wegen der gleichen Delikte, deretwegen Timoschenkos Protegé Pawlo Lasarenko, 1996/97 Ministerpräsident der Ukraine, in den USA neun Jahre bekam: nämlich wegen Geldwäsche, Korruption und Amtsmißbrauch. Nun steht eine weitere Klage ins Haus: Beihilfe zum Mord. Über Timoschenkos Konten sollen jene Millionen geflossen sein, mit der eine elfköpfige Bande bezahlt wurde, die 1996 in Donezk einen politischen Konkurrenten aus dem Weg räumte.
Der Umstand, daß in der Bundesrepublik Timoschenko erstaunlicherweise und sehr apodiktisch als unschuldiges Opfer und nicht als kriminelle Strippenzieherin dargestellt wird, veranlaßte den Berliner Verleger und Publizisten Frank Schumann, sich in der Ukraine umzuschauen. Er sprach mit Juristen, Parlamentariern, Ärzten, Ermittlern, Häftlingen und Zeugen, war in Gefängnissen, Gerichtssälen und auch in der neunten Etage des Eisenbahnerkrankenhauses in Charkow, in denen aktuell Timoschenko behandelt wird. Und machte sich ein eigenes Bild. Im September erscheint in der edition ost sein Buch »Die Gauklerin. Der Fall Timoschenko« ...

Anderentags bin ich in der Riznytska-Straße, in einem gewaltigen Gebäude mit einem alten und neuen Teil. Hier sitzt die Instanz, die »Rechtsstaatlichkeit« herstellen soll. Ohne den Mann, der mich an der Wache abholt und über viele Treppen und verwinkelte Gänge, in denen dicke Teppiche jeden Tritt schlucken, in das Zimmer von Renat Kuzmin führt, hätte ich das Büro des 1. Stellvertretenden Generalstaatsanwalts der Ukraine nie gefunden. Der Mittvierziger mit dem grauen Dreitagebart schaut ernst, er wirkt älter. Er gilt als Schlüsselfigur auch im Fall Timoschenko. Der 1991er Absolvent der Ukrainischen Akademie der Rechtswissenschaften, ist, wie es heißt, offiziell zuständig für die unmittelbare Beaufsichtigung des Außenministeriums sowie für internationale Zusammenarbeit und Rechtshilfe. Ihn steuern darum vorrangig die protestierenden Politiker des Westens an, wenn sie Klage im Fall Timoschenko führen. ...

Zurück auf Anfang: Kuzmin kennt die Vorhaltungen zur Genüge. Im Vorgriff auf meine erwartete erste Frage, die ich aber nicht auf den Lippen hatte, erklärt er mir, daß die ukrainische Justiz bereits seit anderthalb Jahrzehnten gegen Frau Timoschenko ermittle, praktisch unter allen Präsidenten. Es habe zehn strafrechtliche Ermittlungen gegeben, das erste Mal seien sie, ihr Mann und der Buchhalter 2000 inhaftiert worden. Das Verfahren, welches im Vorjahr zum im Westen kritisierten Urteil führte, gehe auf den Gasvertrag mit Rußland von 2009 zurück. Seinerzeit habe Präsident Juschtschenko auf einer außerordentlichen Sitzung des nationalen Sicherheitsrates die Justiz aufgefordert, der Sache nachzugehen. Die Ermittlungen seien aber erst abgeschlossen worden, als bereits Janukowitsch, der aktuelle Präsident, im Amt war. Mithin: Es sei eine Mär, Frau Timoschenko sei aus politischen Gründen von ihren Gegnern kriminalisiert worden; als sie noch Ministerpräsidentin war, sei sie keine Heilige mit weißer Weste gewesen. ...
Ich wechsle das Thema. Sein Name stehe auf einer sogenannten Schwarzen Liste, welche die – natürlich von Timoschenko geführte – Opposition in Westeuropa und in den USA verbreitet. Darauf aufgeführt seien die »Feinde der Demokratie« in der Ukraine. Was er davon halte? Nichts, sagt Kuzmin, das sei nur Futter für die Presse. Ein namhafter Feind der Demokratie befinde sich derzeit in der neunten Etage des Eisenbahnerkrankenhauses in Charkow. »Timoschenko ist eine Verbrecherin. Diese Tatsache unterliegt keinem Zweifel.«

Nun hat aber jeder Strafprozeß gegen einen Politiker zwangsläufig eine politische Dimension, werfe ich ein, denn er wird ja nicht als Krimineller, sondern als Politiker verurteilt, weshalb es leicht sei, von politischer Repression zu sprechen.

Vor dem Gesetz sind zwar alle gleich, aber die, die die Gesetze machen, möchten dann doch ein wenig anders und nicht wie alle anderen behandelt werden, ergänzt Kuzmin lächelnd. Man habe zwar im ersten Verfahren juristisch gesiegt, aber politisch scheint noch immer Timoschenko zu gewinnen. ...
Was Diktatur und was Demokratie ist, bestimmen die in Westeuropa herrschenden Kreise und ihre Medien.
Es gibt bei uns ein Sprichwort: Wer etwas erreichen möchte, sucht nach Wegen. Wer nicht will, sucht nach Ausreden. Wir wollen mit der Ukraine nach Europa, ohne unsere Brückenfunktion zu Rußland aufzugeben. Timoschenko hat Ja zu EU und zur NATO gesagt, die jetzige Administration hingegen sieht das ein wenig anders. Das ist der Kern des Problems. Man braucht im Westen Timoschenko, um uns die kalte Schulter zeigen zu können. Und wenn es diesen Fall nicht gäbe, hätte man etwas anderes gefunden, etwa daß unsere Autos stinken und gegen die Umweltrichtlinien der EU verstießen. Insofern ist Timoschenko ein Instrument des Westens. Und sie wiederum instrumentalisiert den Westen, seine Medien und die dortige Öffentlichkeit für ihre eigenen Interessen. Sie ist eine ziemlich clevere und kluge Geschäftsfrau und als Politikerin noch lange nicht erledigt. ..."

Mehr gibt es hier zum Lesen und Nachdenken, auch angesichts des russischen PR(=Pussy Riot)-Theaters.

Nachtrag: Passend dazu ist ein Beitrag von Eckart Spoo, der in Ossietzky 14/2012 erschien: "Milliardäre in Haft". Spoo stellt ein Buch der russischen Journalisten Viktor Timtschenko vor, das sich mit dem Fall des russischen Milliardärs Michail Chodorkowskij beschäftigt, einem weiteren Lieblingsoppositionellen des Westens und "Lichtgestalt" im Kampf gegen den "Diktator" Wladimir Putin. "Das Ergebnis seiner Recherche liegt jetzt vor, eingeleitet von der langjährigen ARD-Korrespondentin in Moskau, Gabriele Krone-Schmalz, die das Buch besonders all denen zur Lektüre empfiehlt, »die immer schon wußten, daß Chodorkowskij ein Opfer russischer Willkürjustiz ist, und die nicht müde werden, ihre Wertungen mit der in solchen Fällen üblichen Mischung aus Abscheu und Empörung in die bereitstehenden Kameras zu schleudern, ohne die geringste Hemmung oder den leisesten Zweifel, vielleicht doch nicht so genau zu wissen, geschweige denn zu begreifen, was da vor sich geht«. ...
Der schnelle Verkauf Rußlands an US-Konzerne und vielleicht auch an einige deutsche und britische wurde verhindert – nicht allein durch die Inhaftierung Chodorkowskijs bald nach seiner Rückkehr von einem Treffen mit dem damaligen US-Vizepräsidenten Dick Cheney und durch seine Verurteilung in zwei Verfahren, sondern offenkundig durch die Politik Wladimir Putins. Darum die bitterbösen Behauptungen über Putins Eingreifen in dieses Verfahren, wofür es keinerlei Belege gibt. Uns für das Geflecht politischer Interessen rund um den Kriminalfall Chodorkowskij, an dessen gerichtlicher Aufklärung allem Anschein nach wenig auszusetzen ist, die Augen zu öffnen, ist Timtschenkos wichtigstes Verdienst. ..."

Mehr zu Timtschenkos Buch kann hier nachgelesen werden.

aktualisiert: 26.8.12, 19.49 Uhr

Freitag, 24. August 2012

Nachtrag zu "Mosaiksteine zur Lage in Syrien"

"Der neue UN-Bericht über das Massaker in Hula klärt die offenen Fragen nicht. Die Aussagen von Augenzeugen bleiben widersprüchlich, Satellitenbilder wenig aussagekräftig. Über die Täter ist das letzte Wort noch nicht gesprochen." (FAZ vom 20.8.12)

Donnerstag, 23. August 2012

Obamas Zündeln an der Lunte

Lutz Herden von Freitag hat einen interessanten Beitrag über die jüngste Kriegsdrohung von US-Präsident Barack Obama gegen Syrien geschrieben. In dem Beitrag "Getrampel vor der roten Linie" heißt es unter anderem: "Obamas Ankündigung mutet an wie die berühmte Flucht nach vorn. Die Drohung der Regierung in Damaskus, sie werde sich einer Aggression notfalls durch den Einsatz chemischer Waffen widersetzen, ist bereits vor Wochen formuliert worden. Dass der US-Präsident jetzt plötzlich reagiert, scheint mehr dem Wahlkampf und dem aggressiven Gebaren seines Konkurrenten Romney geschuldet als dem jäh erwachten Willen, per Intervention die Entscheidung in Syrien zu suchen. Die rote Linie ist nicht überschritten, aber müsste notfalls überschritten werden. Gesagt ist gesagt. ..."

Herden meint, die USA hätten für eine mögliche völkerrechtswidrige Flugverbotszone über Syrien "mit der Türkei vorerst nur einen hundertprozentig sicheren Verbündeten". Ob Großbritannien und vor allem Frankreich sich an der Durchsetzung einer Flugverbotszone und darüber hinausgehenden Operationen beteiligen, sei nicht garantiert.Er verweist außer dem auf einen interessanten Aspekt zur Rolle Frankreichs in dem Krieg gegen Syrien hin: "Es war der bis zur Unabhängigkeit von 1946 in Damaskus herrschenden französischen Kolonialmacht zu verdanken, dass Alawiten in der sich formierenden Nationalarmee die Kommandohöhen einnahmen und ebenso in der Verwaltung des neuen Staates ein Übergewicht besaßen. Sie waren willkommen, um die sunnitische Mehrheit in Schach zu halten."

Nicht weniger interessant ist Herdens Feststellung "Wer an das positive Völkerrecht denkt oder sogar glaubt, stößt erneut auf den nonchalanten Umgang mächtiger Staaten mit Normen, die regulierbare und berechenbare zwischenstaatliche Beziehungen zum Ziel haben." Er erinnert daran, dass bereits 1986 der Internationale Gerichtshof in Den Haag entschied, daß die USA kein Recht hätten, sich in die inneren Kämpfe zwischen sandinistischer Regierung und Contra-Rebellen in Nicaragua einzumischen und die Häfen des Landes zu verminen.

Ich habe den Text auf freitag.de folgendermaßen kommentiert: 
Herr Herden,
ein weiteres Dankeschön für einen weiteren guten analytischen Beitrag zum Krieg in und gegen Syrien, der für mich längst mehr als ein "Konflikt" ist. Gut und interessant finde ich den Hinweis auf Den Haag 1986.
Nur an einem Punkt habe ich eine kleine Differenz zu Ihrer Sicht: "Die USA hätten dabei nach Lage der Dinge mit der Türkei vorerst nur einen hundertprozentig sicheren Verbündeten ..." Das mag vielleicht für die konkrete Variante Flugverbotszone gelten, aber ansonsten unterstützen die anderen westlichen Staaten wie Großbritannien, Frankreich und auch die Bundesrepublik ja in verschiedenster Weise ganz aktiv den verdeckten Krieg gegen Syrien für das Ziel des Regimewechsels und die US-Politik dabei. Das gilt ja auch bekanntermaßen für arabische Staaten wie Saudi-Arabien, Katar usw.
Im Schweizer Tages-Anzeiger erschien am 22. August ein interessanter Beitrag, der sich auch mit der Frage der Flugverbotszone beschäftigt.
Der Autor schreibt u.a., die syrischen Soldaten seien durch die Guerilla-Aktionen der "Rebellen" "zermürbt". Das gehört sicher auch zur Strategie des Krieges für den regimewechsel, die syrische Armee mit ihrer Widerstandskraft mürbe zu kämpfen, sie in zu zerreiben in nicht endenden Kleingefechten, für die sie eigentlich so nicht ausgebildet und ausgerichtet ist/war. Dafür werden die "Rebellen" immer wieder mit Waffen und Technik und anderen Mitteln von außen versorgt und das Waffenembargo gegen die syrische Regierung durchgedrückt bzw. letzteres versucht.
Es ist eigentlich kein "Getrampel", sondern ein weiteres Zündeln an diesem Krieg, aus welchem Motiv heraus auch immer. Wenn Obamas Kriegsdrohung nur dem Wahlkampf geschuldet sein sollte, sagt das Einiges aus über den US-Präsidentenwahlkampf und seine Qualität, wie pervers es da zugeht.

Dienstag, 21. August 2012

Judaslöhne für den Regimewechsel

Es ist schon erstaunlich, mit welchen Mitteln die führenden westlichen Staaten ihr Ziel, den syrischen Präsidenten zu stürzen, zu erreichen versuchen.
Als ich von den Überläufern von der syrischen Regierungs- auf die vermeintliche Oppositionsseite hörte, fragte ich mich, was diejenigen bewogen haben könnte, die das tun. Ich überlegte, warum zum Beispiel der von Präsident Bashar al-Assad vor nicht allzu langer Zeit erst ernannte Premierminister  Riyad Hijab nach Jordanien flüchtete. Eine möglich Erklärung sah ich darin, dass diese syrischen Regierungsfunktionäre trotz der bisher standhaften Abwehr der syrischen Armee nicht ernsthaft daran glaubten, dass ihr Land auf Dauer eine Chance gegen den verdeckten Krieg des Westens habe. Mit den Beispielen Irak und Libyen vor Augen könnte sie das verständliche Motiv bewegt haben, ihr eigenes und das Leben ihrer Familie in Sicherheit zu bringen, bevor die vom Westen geförderten "Rebellen" in Damaskus einmarschieren.
Zum anderen fragte ich mich, wer diesen Überläufern was geboten, wer sie eventuell mit Geld oder anderen Versprechungen gelockt hatte. Ich erinnerte mich daran, dass die CIA 2003 irakische Offiziere mit Dollars zum Überlaufen überredet und so den Widerstand der irakischen Armee gegen die US-Truppen geschwächt hatte. Bewährte Methoden werden ja gern wieder angewandt.
Und prompt kam die Meldung, dass laut der britischen Times europäische und arabische Regierungen hohe syrische Funktionäre gekauft und sie so zum Überlaufen gebracht haben. Leider ist der Originalbeitrag "West bribes officials to defect from Assad regime" nicht frei online zugänglich, so dass ich mich auf die Meldung von Spiegel online stützen muss. "Europäische Länder haben demnach mit einigen Golfstaaten gemeinsam Schmiergelder an syrische Amtsträger gezahlt, um sie dazu zu bringen, sich vom Assad-Regime abzuwenden." Die dabei erreichten Erfolge wurden uns als Zeichen des sich ausbreitenden Widerstandes gegen den "Diktator Assad", der sein eigenes Volk abschlachte, verkauft.
Wieder einmal zeigt sich, dass in dem Krieg in und gegen Syrien nichts unversucht gelassen wird, das Ziel des Regimewechsels zu erreichen. Dazu gehört auch, dass entsprechenden Meldungen zu Folge die "Rebellen" inzwischen wie einst in Afghanistan die Mudschahedin "Stinger"-Boden-Luft-Raketen erhalten haben, die "Rebellen" russische Waffen aus Libyen geliefert bekommen, die deutsche Marine vor der syrischen Küste spioniert, in Berlin siegessicher die Zeit nach Assad geplant wird und US-Präsident Barack Obama Syrien wegen der Chemiewaffen mit einem Angriff droht, auch wenn die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) keine sicheren Beweise dafür hat, dass es in Syrien Chemiewaffen gibt. Wen kümmert schon die Wahrheit in diesem wie in allen anderen Kriegen? Selbst die Bilder davon sind manipulierbar und Handys sind Waffen in der Medienschlacht für den Regimewechsel.

Sonntag, 19. August 2012

Mosaiksteine zur Lage in Syrien

Die Nachrichtenlage zum Krieg in und gegen Syrien scheint derzeit etwas ruhiger. Das kann leicht über die tatsächliche Lage täuschen. Im Folgenden füge ich anhand verschiedener Nachrichten einige Mosaiksteine zu einem Bild von der Lage in Syrien zusammen, ohne dass ich dieses vollständig wiedergeben kann:

 "Die Weltgesundheitsorganisation schlägt Alarm: Zerstörte Spitäler und beschädigte Abwasserkanäle erhöhen in Syrien die Gefahr von Krankheiten. In Damaskus gibt es schon erste Anzeichen dafür. ..." (Tages-Anzeiger, 19.8.2012)

Bild.de meldete am 18.8.2012 ein weiteres Beispiel, wie die Bundesrepublik am Krieg gegen und in Syrien beteiligt ist: "Ein Spionageschiff der Deutschen Marine kreuzt vor der syrischen Küste. Dieses sogenannte „Flottendienstboot“ hat modernste Spionagetechnik des Bundesnachrichtendienstes (BND) an Bord. Damit lassen sich Truppenbewegungen bis zu 600 Kilometer tief in Syrien beobachten.
Die gewonnenen Erkenntnisse, etwa über militärische Operationen der Assad-Armee, werden an amerikanische und britische Geheimdienste weitergegeben. Von dort aus gelangen die Informationen an die syrische Befreiungsarmee. ..."

"Der neu ernannte Syrien-Gesandte Brahimi äusserte unterdessen bezüglich der Debatte über ein mögliches militärisches Eingreifen in dem Land grosse Skepsis. Über eine militärische Option zu sprechen, gleiche einem Eingeständnis des diplomatischen Versagens, sagte er der Nachrichtenagentur AP in einem Telefoninterview in Paris. Er hoffe sehr, dass eine militärische Intervention nicht nötig sei. ..." (Tages-Anzeiger, 18.8.2012)

"Mehr als ein Jahr nach Ausbruch der Revolution ist das arabische Land zum Hot Spot für Jihadisten aus aller Welt geworden", stellte Stefan Binder am 16.8.2012 im österreichischen Standard fest.

Die Neue Zürcher Zeitung schreibt am 16.8.2012: "Die unabhängige internationale Untersuchungskommission der Vereinten Nationen für Syrien (CoI) hat in einem am Mittwoch in Genf vorab veröffentlichten Bericht zur Lage der Menschenrechte in dem Land äusserst schwerwiegende Vorwürfe gegen die Machthaber in Syrien erhoben. Die syrische Armee und Angehörige der Shabiha-Milizen hätten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie Mord und Folter, begangen und seien für Kriegsverbrechen und schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, wie zum Beispiel willkürliche Hinrichtungen, wahllose Angriffe gegen die Zivilbevölkerung und sexuelle Übergriffe, verantwortlich. ..."

"Die Uno beschränkt ihre Präsenz in Syrien auf ein Koordinierungsbüro in Damaskus, das die internationale Beobachtermission nach Ablauf ihres Mandats am 19. August ablösen soll. Das sagte der Vorsitzende des Uno-Sicherheitsrates und französische Uno-Botschafter Gérard Araud am Donnerstag in New York nach Konsultationen zu Syrien, die im Uno-Sicherheitsrat hinter verschlossenen Türen stattfanden. ..." (RIA Novosti am 16.8.2012)

Die russische Nachrichtenagentur meldete am selben Tag, dass die USA die Waffenlieferungen anderer Staaten an die "Rebellen" in Syrien koordinieren: "Die USA erweisen der syrischen Opposition nur nichtmilitärische Hilfe und koordinieren dabei die Handlungen mit den Ländern, die Waffen an die Oppositionellen liefern. Das gab US-Außenamtssprecherin Victoria Nuland auf einem Briefing am Mittwoch bekannt.
Zuvor hatten Medien berichtet, dass die syrische Opposition militärische Hilfe zumindest von Katar und Saudi-Arabien erhält.
„Wir haben entschieden, nur nichtmilitärische Hilfe zu leisten. Aber wir koordinieren die Handlungen mit den Ländern, die andere Entscheidungen getroffen haben“, so Nuland.
Sie wich der Frage aus, ob die militärische Hilfe der US-Verbündeten für die Opposition nicht zu einem weiteren Schüren der Gewalt beiträgt, wogegen die USA auftreten."

"Die Vereinigten Staaten schließen einseitige Aktionen gegen die syrische Regierung aus, halten sich aber dennoch alle militärischen Optionen offen. Generalstabschef Martin Dempsey erklärte am Dienstag (Ortszeit) in Washington, mit der Türkei und Jordanien sei über die Einrichtung sicherer Zonen für Flüchtlinge gesprochen worden. „Und mit einem sicheren Hafen würde auch irgendeine Art Flugverbotszone kommen, aber wir planen nichts unilateral“, sagte Dempsey. Verteidigungsminister Leon Panetta sagte, das Thema Flugverbotszone sei für Amerika derzeit nicht vorrangig. ..." (FAZ, 15.8.2012)

Die FAZ veröffentlichte am 13.8.2012 einen Text der syrischen Journalistin Rosa Yassin Hassan, die von Damaskus aus einen Blog über den Alltag der Menschen in Syrien schreibt: "Ein Sumpf aus Gerüchten". Der Text macht erwartungsgemäß die Regierungsseite für fast alles verantwortlich in diesem Krieg, aber dennoch interessant als Sicht von innen.

Karin Leukefeld machte in einem Beitrag für die junge Welt am 11. August 2012 auf die propagandistische Rolle von Organisationen wie Amnesty International aufmerksam: "... Ein von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International veröffentlichtes Satellitenbild soll das brutale Vorgehen der syrischen Streitkräfte gegen die Zivilbevölkerung dokumentieren. Das vermutlich aus militärischen Quellen stammende Bild zeigt den Ort Anadan in der Provinz Aleppo, der tagelang Schauplatz heftiger Kämpfe war. Die gelb markierten Stellen auf dem Bild sollen ai zufolge Einschläge von Granaten der Armee zeigen. Sollte es stimmen, daß die markierten Stellen Granattreffer zeigen, kann einerseits festgestellt werden, daß das Gebiet massiv unter Artilleriebeschuß gewesen sein muß. Andererseits ist deutlich zu sehen, daß die gelben Punkte so gut wie ausschließlich in unbewohnten, freien Gebieten – vermutlich landwirtschaftliche Flächen – zu sehen sind. Der eigentliche Ort Anadan weist so gut wie keine gelben Punkte auf. ..."

Leukefeld hatte sich im Neuen Deutschland vom 4.8.2012 Gedanken über den "Syrienkonflikt und die tonangebenden Leitmedien" gemacht. Die Journalistin, die aus Syrien berichtet, brachte Beispiele, die vom Medienmainstream gewissermaßen "links" liegen gelassen werden: "Ein früher Werktag in Damaskus. Der populäre Markt Bab Srijeh am Rande des Viertels Midan erwacht langsam zum Leben. Ein Dutzend Menschen warten vor der staatlichen Bäckerei. Sorgfältig hängen sie die heißen Fladen zum Abkühlen über ein Gestell, bevor sie jeweils acht Brote in eine Plastiktüte packen und nach Hause tragen. 15 Syrische Pfund kostet eine solche Tüte, umgerechnet etwa 0,18 Eurocent. »90 Prozent der Syrer sind auf diesen Brotpreis angewiesen«, sagt Nabil, ein Agraringenieur. »Ohne die Subvention durch den Staat könnten viele sich Brot gar nicht leisten.« Wenige Schritte weiter sitzt ein Knirps hinter einem großen runden Tablett mit Kirschen und blickt gedankenverloren vor sich hin. Woran mag er denken? Welche Bilder ziehen an seinen in sich gekehrten Augen vorbei? »Nun lach doch mal, wenn du deine Kirschen verkaufen willst«, muntert ein vorbeigehender Mann ihn auf und schon richtet der Junge sich auf und strahlt in die Kamera.
Szenenwechsel. Die Jarmuk-Straße im gleichnamigen Viertel von Damaskus. Die Kämpfe der vergangenen Tage haben ihre Spuren hinterlassen, nach 18 Tagen haben die Straßenkehrer ihre Arbeit wieder aufgenommen. Zwei ältere Männer sitzen auf einer niedrigen Mauer und schauen den Fegenden zu. Ob sie Fragen beantworten würden, fragt die Autorin, doch sie winken ab: »Wir sind Palästinenser und mussten schon 2003 aus Irak fliehen. Wo sollen wir hin, wenn Syrien zerfällt?«
Szenenwechsel, Jdeideh Artuz. »Gestern haben sie in unserer Straße einen General und seine Begleiter erschossen«, erzählt der 20-jährige Mumtaz. Niemand habe sich getraut, die Leichen zu bergen und dabei womöglich auch in das Visier der Mörder zu geraten. Erst nach einer halben Stunde sei ein Rettungswagen gekommen. Polizei gebe es nicht mehr, seit die einzige Polizeistation im Ort von bewaffneten Aufständischen in Brand gesteckt wurde. Sieben Polizisten wurden getötet. »So etwas haben wir nie gekannt«, sagt der Student fassungslos. »Was soll aus unserem Land werden?«
Bilder und Geschichten aus dem syrischen Alltag, die die Menschen täglich erleben. Doch im ausländischen Fernsehen kommt so etwas nicht vor. ...
Solche Nachrichten erreichen westliches Publikum kaum. 
Dem zeigt man dafür dramatische Bilder wie das eines fliehenden Paares inmitten von Ruinen. Der Mann trägt das Baby im Arm, neben ihm geht seine komplett verschleierte Frau. Angeblich flieht das Paar aus dem völlig zerstörten Aleppo. Inzwischen wurde das Bild, das in der österreichischen »Kronenzeitung« erschienen war, als Fälschung entlarvt. Das Paar war in Aleppo fotografiert worden, die zerstörten Häuser sollen in Homs stehen. Der Chefredakteur entschuldigte sich auf seine Weise. Man habe versäumt, darauf hinzuweisen, dass es sich um »das journalistische Stilmittel einer Fotomontage« handelte.
Das also ist es, was uns den Konflikt in Syrien erklärt, eine »Fotomontage«. ..."

Der traurige Zustand der Partei "Die Linke"

Die Partei, die sich selbst überschätzend "Die Linke" nennt, möchte gern mitregieren nach der Wahl 2013. Nicht nur das kündet vom Zustand dieser Partei.

Was der Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Stefan Liebich zu dem Urteil gegen die Pussy Riot sagt, verwundert mich nicht. Er meint: "'Free Pussy Riot' ist zu einem Synonym für den Kampf für Meinungsfreiheit und Menschenrechte geworden. Den Verurteilten und auch allen anderen politisch verfolgten Demokratinnen und Demokraten gilt unsere Solidarität. Sie müssen umgehend freigelassen werden. Ich fordere die Bundesregierung auf, sich stärker der sich verschlechternden Menschenrechtslage in Russland zu stellen." Das zeigt, dass er gar nichts verstanden und begriffen hat, auch nicht, dass Putin nur abschreibt. Da haben doch die herrschenden Kreise hierzulande die selbsternannte "Die Linke" wieder mal da, wo sie sie haben wollen. Das spiegelt den traurigen Zustand der Partei "Die Linke".

Meine Suche nach einer Pressemitteilung dieser Partei oder eines ihrer führenden Mitglieder zu den erschossenen 30 südafrikanischen Bergarbeitern, die für sichere Jobs und höhere Löhne streikten, blieb dagegen erfolglos. Dafür fand ich bei dieser Suche ausgerechnet das: "Die Linkspartei will ihr Verhältnis zu SPD und Grünen neu ordnen und entkrampfen - und wirbt für ein Dreierbündnis nach der Bundestagswahl 2013." (Quelle: Die Welt, 6.8.12). Durch meinen Urlaub hatte ich das bisher noch gar nicht gelesen.

Auch hier gilt:  Da haben doch die herrschenden Kreise hierzulande die selbsternannte "Die Linke" wieder mal da, wo sie sie haben wollen. Ausgerechnet mit den Hartz-Parteien SPD und Bündnisgrüne, die bis heute sich nicht selbstkritisch von dieser Politik des Sozialabbaus und der Verarmung distanziert haben, die sich bis heute nicht dafür entschuldigt haben, dass sie Krieg von deutschem Boden wieder möglich gemacht haben und die die führenden Vertreter dieser Politik bis heute nicht in den politischen Ruhestand versetzt haben, statt dessen genau mit diesen Steinmeiers, Steinbrücks, Gabriels und Trittins in den Bundestagswahlkampf ziehen wollen. Was glaubt die eine Linksparteivorsitzende Katja Kipping eigentlich, was bis zur Wahl von SPD und Bündnisgrünen zu erwarten ist? Sie glaubt doch nicht etwa ausgerechnet bei diesen Parteien an einen politischen Kurswechsel?

Ich war gespannt, wie Kipping sich macht als Vorsitzende. Ich habe befürchtet, dass sie eher zu den "Realos" und Möchtegernreformern in der "Linke" zu rechnen ist, auch wenn sie sich nie ausdrücklich zu diesen gerechnet hat. Es sieht so aus, als würden meine Befürchtungen bestätigt.

Ein Freund erzählte mir mal, dass ihm so um 2001 rum ein Journalist von der WELT (passenderweise) mal sagte, dass er damit rechnet, dass die Journalisten über die damalige PDS (und jetzige LINKE) viel schneller das berichten können, was bei den Grünen passierte, nämlich über den Anpassungsprozess. Und er scheint Recht gehabt zu haben. Dazu passt auch, dass derselbe Freund einige Zeit vor der letzten Bundestagswahl 2009 aus Kreisen der Linksfraktion hörte, dass es dort schon Gedankenspiele über eine Regierungsbeteiligung auf Bundesebene 2013 gab. Er hat nicht schlecht gestaunt, ich ebenso. Insofern ist das, was Katja Kipping da von sich gab, wirklich nichts Neues. Es hat nun bloß eine andere Bedeutung, wenn die neue Vorsitzende, die angeblich nicht irgendwelchen Flügeln dieser Partei zuzurechnen war, so etwas sagt. Und weil sie so fixiert auf diese Möglichkeit sind, werden sie alle politischen Aussagen dieser Vorstellung unterordnen und sich wirkliche linke Politik verkneifen, um SPD und Bündnisgrüne nicht zu verschrecken. Um am Ende nicht mit am Regierungstisch sitzen zu dürfen ... Aber dieses Ziel, dort mit sitzen zu dürfen, hat sie endgültig so gezähmt, dass die herrschenden Kreise hierzulande sich gelassen zurück lehnen können mit dem Gedanken: Wir kriegen sie alle!

Es gäbe viele Punkte oder Themen für eine alternative und in dem Sinn linke Politik. Dass diese nicht von heute und auch nicht durch Regierungsbeteiligung umsetzbar ist, ist klar. Die Arbeiterbewegung hat die sozialen Errungenschaften auch nicht in den Schoß gelegt bekommen, sondern durch bitteren und harten Kampf erstritten, den Profiteuren abgetrotzt. Aber die jungen "Linken" sind ja so modern und ständig bei Facebook zu finden, dass sie gar nicht mehr wissen, was kämpfen für ein Ziel bedeutet. Hauptsache sie wissen, wie Twittern geht. Usw. usf.

Ich finde den Namen "Die Linke" deshalb anmaßend, weil er schon sprachlich behauptet, dass es sich um "die Linke" handelt. Sind die linken Kräfte außerhalb dieser Partei dann nicht links? Muß jeder, der sich links politisch einordnet, dann Mitglied dieser Partei sein? Dem einfachen Gemüt wird es so erscheinen, wenn jemand sagt "Ich bin ein Linker", dass dieser dann gleich für ein Parteimitglied gehalten wird. Und ist dann nur links, was diese Partei macht, nur deren politischen Angebote? Es ist und bleibt für mich ein politischer Marketingstrick, sich so zu benennen. Und natürlich weiß ich auch, dass meine Meinung dazu keine tatsächliche Rolle spielt. Muss auch nicht. Ich ziehe nur meine persönlichen Schlußfolgerungen.

Warum schreibe ich das? Mich beschäftigt diese Partei immer mal wieder schubweise, weil da mal früher viel Hoffnung auf die Möglichkeiten alternativer Politik war in bezug auf diese Partei, bei mir. Und diese Hoffnung meldet sich vereinzelt rudimentär immer mal wieder ... Aber ich vergaß schon zu früh, dass diese Partei u.a. aus der Staatspartei SED stammt und schon deshalb nicht richtig gelernt hat, was Opposition eigentlich bedeutet und wie wichtig diese in einem demokratischen System ist, so unvollkommen es sein mag. Opposition ist eben mehr als die Wartebank für die Regierungsplätze, sondern entspringt schon dem dialektischen Prinzip, dass Entwicklung ohne Widerspruch nicht möglich ist.

Dazu passt auch der Hinweis von Andreas Schlüter darauf, "wie eine Thüringer MdL der Linkspartei auf eben den Prinzipien des Antimilitarismus bisher ungestraft ihre Füße abtritt".

Nachtrag vom 21. August 2012:  Leider disqualifiziert sich Frau Kipping weiter selbst, indem sie glaubt, unbedingt bei dem "Pussy Riot"-(PR-)Theater mitmachen zu müssen.

Und als kleine Nachhilfe für Liebich, Kipping & Co. ein Auszug aus dem Strafgesetzbuch:
§ 167
 Störung der Religionsausübung
(1) Wer
1. den Gottesdienst oder eine gottesdienstliche Handlung einer im Inland bestehenden Kirche oder anderen Religionsgesellschaft absichtlich und in grober Weise stört oder
2. an einem Ort, der dem Gottesdienst einer solchen Religionsgesellschaft gewidmet ist, beschimpfenden Unfug verübt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Dem Gottesdienst stehen entsprechende Feiern einer im Inland bestehenden Weltanschauungsvereinigung gleich.

Nachtrag zu einem PR-Theater

Das "Pussy Riot"-Theater in Russland lässt sich passenderweise "PR-Theater" abkürzen. Ich gebe an dieser Stelle einen Disput, den ich am 18. August 2012 mit Ulrich Heyden, der den Band-Anwalt Mark Fejgin interviewt hatte, auf freitag.de geführt habe:

UH: Die Realität in Russland sieht heute so aus: Im Organisationskomitee der Moskauer Protestbewegung, die Demonstrationen mit bis zu 100.000 Teilnehmern organisierte, sitzen Rechtsliberale von Solidarnost, Kommunisten von der Sjuganow-KP, Leute, die in ihrer Jugend Stalinisten war, wie Sergej Udalzow und Sozialisten wie Ilja Ponomarjow friedlich vereint. Dass diese Protestbewegung von Außen gesteuert wird, hört man von den staatlichen Fernsehkanäle. Belegt wird die angebliche Außensteuerung mit Bildern, wo Oppositionelle zu einem Treffen in der US-Botschaft in Moskau gehen. Für mich ist das kein Beleg. Jeder andere Russen dürfte sich mit Amerikanern treffen. Niemand würde sich daran stören. Wenn es ein Oppositioneller tut, wird gleich Verrat geschrieen. Wenn in Russland im großen und Ganzen alles in Ordnung wäre, kämen wohl nur ein paar Tausend Leute zu Demonstrationen aber nicht Hunderttausend.

Ich: Herr Heyden,
ich habe nicht geschrieben, dass die US-Regierung mit ihren Organisationen die russische Opposition steuert. Ich habe auch nicht geschrieben, dass es keinen Anlass in Russland gibt, sich für bessere Verhältnisse einzusetzen.
Ich habe darauf hingewiesen, dass es Hinweise gibt, dass anscheinend u.a. die US-Regierung mit ihren Organisationen auch auf die Ereignisse in Russland Einfluss nimmt und das mindestens versucht. Die Hinweise habe ich tatsächlich nicht aus der russischen Botschaft. Ich habe dazu nicht mal RIA Novosti gelesen, eine für mich interresante Quelle sonst bei anderen Themen. Und ich habe darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Rummels um die "Pussy Riot" es solche Hinweise gibt. Und erzählen Sie mir bitte nicht, dass es solche Versuche überhaupt gar nicht gibt, dass das alles ganz frei und unabhängig von irgendwelchen westllichen Beratern und Unterstützern ist. Sollte das so sein, fände ich das gut. Aber die Geschichte zeigt wie schon erwähnt, dass die führenden westlichen Staaten doch nicht auf die verschiedensten Möglichkeiten verzichten, in anderen Ländern ihre Interessen ins Spiel zu bringen. Wäre ja auch verwunderlich, wenn sie das nicht täten, auch in Russland.
Und wenn die "Pussy Riot" Geschichte sind, wird uns das nächste ähnliche Medienspektakel geliefert. da bin ich mir sicher. Wer erinnert sich zum Beispiel noch an Gari Kasparows heldenmütigen Kampf zum Sturz Putins?

Ich: Herr Heyden,
noch ein Nachtrag: Sie selbst haben mir den Anlass gegeben, mal nachzuschauen, welche Verbindungen es bei Herrn Fejgin gibt, durch Ihre Anmerkungen zu ihm in den beiden Interviewfassungen. Dafür bin ich Ihnen dankbar. Ich wäre sonst gar nicht darauf gekommen.

UH: Ein Artikel darf schon mal ein paar Ecken haben. Glattgeschliffenes Material ist schon nach einer halben Stunde wieder vergessen. Aber ich verstehe einfach nicht, warum Sie sich so hinter Herrn P. stellen und ihm selbst die größte Dummheit verzeihen. Der Moskauer Publizist Boris Kagarlitzky fragt heute in seinem Blog bei Facebook, warum das Gericht die drei Frauen nach langer U-Haft nicht freiglassen hat, so wie auch die beiden Aktivisten, die wegen der Demonstration gegen den Autobahnbau im Chimki-Wald bei Moskau nach langer U-Haft freigelassen wurden. Mit dem Urteil gegen die Pussy-Frauen, werde die politische Situation in Russland ohne Not angeheizt, schreibt Boris, https://www.facebook.com/kagarlitsky, der kein Fan von Herrn P. ist. Ich finde, an diesem Gedanken ist was dran.

Ich: Natürlich ist nichts perfekt, auch Ihr Beitrag nicht. Aber was hat das mit den Hinweisen auf die Verbindungen zu US-Regimewechsler-Organisationen zu tun?
Und bitte sehr: ich habe nirgendwo geschrieben, dass ich mich vor oder hinter Putin stellen würde. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass er nicht der Dämon oder eben Diktator ist, als den uns die Mainstream-Medien ihn präsentieren, zu dem er gemacht wird von daran interessierten Kreisen. Das werde ich auch weiterhin tun, darauf hinweisen, dass er nicht besser oder schlechter ist als die westlichen Machthaber und Politikerdarsteller. Um nicht mehr und nicht weniger geht es mir. Und manches aus Russland erscheint mir auch klüger, weil realistischer.
Dass die Situation durch das "Pussy Riot"-Theater nicht verbessert wird, ist schon klar. Dass die juristische Reaktion nicht unbedingt der Entspannung dienlich ist, mag auch sein. Aber wer kann darüber wirklich richten, ohne vor Ort zu sein, ohne die Faktoren, die da wirken, wie u.a. die Rolle der russisch-orthodoxen Kirche und der Religion, richtig einschätzen zu können so von außen? Und wie gültig sind unsere westeuropäischen Maßstäbe bei der Analyse der russischen Situation? Und warum musste das ganze "Pussy Riot"-Theater überhaupt sein? Welcher Beitrag wird damit geleistet, eine Lösung der wirtschaftliichen und sozialen Probleme in Russland zu finden, die soziale und politische Lage zu verbessern? Um diese Interessen kümmern sich die westlichen Regimewechsler mit ihren Organisationen wie USAID, die nachgewiesenermaßen in Russland aktiv sind, garantiert nicht. Und das sind genau jene, die ein großes Interesse an einer verschärften Situation haben und die mit ihren Mitteln, wie begrenzt auch immer diese sein mögen, versuchen, die Lage zu verschärfen. Das haben sie schon so oft in der Vergangenheit getan.
Wessen Interessen dem Anwalt der durchgeknallten Mädchenband, Mark Fejgin, wichtig sind, bzw. für ihn entscheidend, zeigen Sie ja dankenswerter Weise auch in Ihrem Interviwe mit Fejgin für die Sächsische Zeitung: "Vor Kurzem haben Sie erklärt, Sie rechnen mit einer Revolution, die von der Elite ausgeht. Wie wird die aussehen? Die Oligarchen werden sich von Putin befreien. Ohne ihre Unterstützung hat Putin keine Macht. Ohne Putin wird das System demokratischer. Aber der letzte Schlüssel zur Macht, das Präsidentenamt, wird bleiben. Die Oligarchen könnten nicht in einem Land leben, in dem sich Koalitionen ständig ändern." Wunderbar. Die Demokratie kann kommen ...
Ja, und inzwischen wurde Gari Kasparow doch tatsächlich verhaftet. dass der Herr Putin diesem Schachspieler überhaupt noch Aufmerksamkeit widmet ...
Der Link zum Interview in der Sächsischen Zeitung fehlte.

Ich: Herr Heyden,
auch ein Kommentar hat Ecken ... Ich schrieb: "Aber wer kann darüber wirklich richten, ohne vor Ort zu sein, ohne die Faktoren, die da wirken, wie u.a. die Rolle der russisch-orthodoxen Kirche und der Religion, richtig einschätzen zu können so von außen?" Das ist im Zusammenhang mit Ihnen nicht ganz korrekt formuliert. Ich weiß natürlich, dass Sie vor Ort, in Moskau und Russland sind, meist und oft. Ob Sie die Faktoren in der russischen Gesellschaft und in der russischen Politik alle kennen und richtig einschätzen können, kann ich nicht beurteilen.

Ich: Herr Heyden,
die politischen und gesellschaftlichen Zustände, Zusammenhänge und Probleme Russland immer nur auf "Herrn P." und seine Rolle dabei zu reduzieren, wird der Realität nicht gerecht. Das ist aber ein beliebtes Prinzip westlicher Politik und Medien, komplexe Zusammenhänge so zu reduzieren. Das gilt auch für das "Pussy Riot"-Theater, übrigens passend abgekürzt "PR-Theater". Kann es vielleicht sein, dass die russische Justiz einfach von sich aus reagiert, ebenso die russischen zuständigen Behörden, auch bei der jetzigen Kasparow-Verhaftung, weil einfach gegen russische Gesetze verstoßen wird? Und dass der russische Präsident sich erst einschaltet, wenn es internationales Aufsehen dank westlicher Kameras darum gibt, und er sich sogar für mildere Urteile einsetzt, auch wenn wir "mild" anders definieren?
Wie gesagt, die Personalisierung ist ein beliebtes Mittel westlicher Politik und Medien im Umgang mit anderen Ländern. Als würde es reichen, den jeweiligen "Diktator" abzusetzen bzw. abzuschießen, als würde dann alles besser. Was dabei rauskommt sehen wir u.a. im Irak, in Libyen, ähnliches wird für Syrien vorbereitet. Auch der (noch unerklärte) Krieg gegen den Iran wird weitesgehend auf den iranischen Präsidenten und dessen Rolle reduziert. Usw. usf.
Und weil Sie diese Personalisierungsreduktion auch bei "Herrn P." mitmachen, zweifle ich Ihre Urteilsfähigkeit bezüglich dessen, was Sie vor Ort mitbekommen, etwas an und verweise als Alternative bezüglich der differenzierten Sicht u.a. auf die Texte von Kai Ehlers, der u.a. feststellte: "Putin hat leider recht …" Ohne dass ich Herrn Ehlers bedingungslos und immer zustimmen würde.



Freitag, 17. August 2012

Die "Pussy Riot" und der Zufall

Nachdem ich vor einem Tag über die "Angst der Macht" schrieb, wofür der Prozess gegen die russischen "Pussy Riot" Anlass bot, will ich mich an dieser Stelle nochmal dazu äußern.

Bevor ich zum Zufall bei der ganzen Geschichte komme: Ich finde das Urteil mit zwei Jahren Straflagern nicht gut und halte es für überzogen. Da stimmt aus meiner Sicht die Verhältnismäßgikeit nicht. Was die "Pussy Riot", für mich eine durchgeknallte Mädchenband, als Anlass dafür boten, ist solch ein Strafmaß nicht wert. Auch wenn selbst Tatjana Lokschina von der Human Rights Watch Russland meint, dass schon die beantragten drei Jahre Haft für Pussy Riot vielleicht schon die "mildere Strafe" sei. "Auf Rowdytum stünden bis zu sieben Jahre Straflager", wird sie u.a. vom österreichischen Kurier zitiert.

Es gibt eine Reihe von Dingen bei dieser Geschichte, die mich aber skeptisch werden lassen, wenn behauptet wird, dass es nur wieder um einen diktatorischen Akt des rusischen Präsidenten Wladimir Putin gegen die Freiheit, die Menschenrechte, die Demokratie und auch die Kunst geht. Die ganze Sache ist mir zum Beispiel zu sehr Medienspektakel. Ich bin mir da ganz sicher, dass die "Pussy Riot" längst wissen, wie Medien reagieren, dass dazu auch Inszenierungen nötig sind, um auf sich aufmerksam zu machen. Ist ja nicht so, dass in Russland und bei der dort tätigen ausländischen Presse andere Nachrichtenfaktoren als anderswo auf der Welt gelten. Und auch in Russland sind die Regeln der Mediengesellschaft schnell begriffen und gelernt worden. Funktioniert ja auch prima.

Die Rolle der Religion in Russland bei der Geschichte darf nicht vernachlässigt werden. Hierzulande spielt der Glaube (zum Glück) im gesellschaftlichen Leben nicht mehr eine so große Rolle wie in Russland und anderswo, aus welchem Grund auch immer. Hierzulande gehen gar nicht mehr so viele Menschen in die Kirche. Schon deshalb würde ein solcher Auftritt in der Bundesrepublik eher mit Ignoranz und Psychatrie beantwortet als mit eine Gefängnisstrafe. Aber auch hierzulande war das mal anders. Aber es müssten mal die deutschen Bischöfe gefragt werden, wie die das sehen würden und was sie tun würden, wenn sie könnten, wenn jemand nackt auf dem Altar tanzen würden ...

Dieser Prozess gegen die durchgeknallte Mädchenband ist von beiden Seiten den Aufwand und den Rummel nicht wert, nicht von russischer und nicht von westlicher Seite. Es ist die Frage nach der Verhältnismäßigkeit zu stellen und die russische Justiz für das Urteil zu kritisieren. Aber eben nicht vergessen werden darf, dass nicht nur die russische Seite die ganze Angelegenheit symbolisch auflädt, sondern eben auch die westlichen Verteidiger von Demokratie, Menschenrechten und Freiheit, die eine durchgeknallte Mädchenpunktband zum Symbol von Freiheit und Demokratie machen (wollen). Als Atheist muss ich mal dazu sagen: Herrgott, wo leben wir denn? Gibt es keine anderen Probleme?

Warum die "Pussy Riot" gegen Putin sind und sich nackt oder wie auch immer für Demokratie einsetzen, mag ganz ehrliche Motive haben. Ich kenne sie nicht. Und zu jedem System, zu jeder Form von Macht gehört immer mindestens einer, der dagegen ist, schon weil er als Individuum zu gunsten der Gemeinschaft auf irgendwas verzichten muss, was er aber als Individuum ganz toll findet. Das ist ein Grundproblem jeder menschlichen Gemeinschaft.

Nun zum vermeintlichen Zufall bei der ganzen Geschichte: Als ich las, dass der Anwalt der Band Mark Fejgin sich als "liberalen Konservativen und Freund der CDU" bezeichnet, dachte ich, dass ich gern mal wissen würde, ob er sich schon mal mit den Vertretern der Konrad-Adenauer-Stiftung getroffen hat. Die "Gespenster", die ich in solchen Fällen sehe, rufe ich gar nicht. Die melden sich ganz von selbst."
 
Inzwischen hat das "Gespenst" Form angenommen: Der "Pussy Riot"-Anwalt Fejgin gehört zu den Gründern der Bewegung "Solidarnost", worauf Ulrich Heyden in einem Interview mit ihm für die Sächsische Zeitung hinweist. An der Gründung war auch Gari Kasparow, der politisierende Schachspieler, beteiligt. Zu Kasparow habe ich an anderer Stelle auf einige Informationen zu dessen "Kampf für Demokratie" und die Unterstützung dabei durch US-Regierungsorgansiationen wie u.a. die USAID hingewiesen.

Vielleicht alles nur Zufall. Auch Folgendes? (Der Zufall ist am Ende zu finden): "Am 16. Januar 2009 berichtete die elektronische Ausgabe der außenpolitischen US-Zeitschrift „Foreign Policy“ über die bevorstehende Ernennung von Michael McFaul zum Leiter des Arbeitsgebietes „Rußland“ im Nationalen Sicherheitsrat (NSC) beim Präsidenten (1) . Am 27. Januar 2009 konnte „Foreign Policy“ diese Meldung bestätigen. Michael McFaul wird im Apparat des NSC die Amtsbezeichnung „NSC senior director for Russia and Eurasian affairs“ führen (2) . ...
Am 11. und 12. Juli 2006 war McFaul unter den westlichen Teilnehmern einer (vom ehemaligen Schachweltmeister Garri Kasparow einberufenen) Anti-Putin-Konferenz des Bündnisses „Drugaja Rossija“ (einer Koalition aus Liberalen und Nationalbolschewisten) (9). Kasparow versucht seit 2006 vergeblich eine „Revolution“ in Rußland in Gang zu setzen. Das unter Leitung des Neokonservativen Bruce P. Jackson stehende Project on Transitional Democracies hatte damals eine Solidaritätserklärung westlicher Persönlichkeiten für Kasparows Konferenz organisiert, McFaul war unter den Unterzeichnern (10). McFaul nahm im März 2008 auch an einer vom neokonservativen American Enterprise Institute (AEI) organisierten Konferenz teil, bei der Möglichkeiten für die Einigung der russischen „Demokraten“ gegen Putin erörtert wurden (11). Diese Konferenz dürfte eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Ende 2008 proklamierten Gründung von Kasparows neuer politischer Firma „Solidarnost“ gewesen sein. ..." (Quelle)

Kann alles der reine Zufall sein, aber ich bin da skeptisch. Und deshalb bleibe ich dem ganzen Theater um die "Pussy Riot" gegenüber weiter skeptisch. Die durchgeknallten Mädels tun mir rein menschlich leid und ich hoffe, dass sie menschlich unbeschadet aus dem Theater rauskommen.

PS: Was der Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Stefan Liebich zu dem Urteil sagt, verwundert mich nicht. Er meint: "'Free Pussy Riot' ist zu einem Synonym für den Kampf für Meinungsfreiheit und Menschenrechte geworden. Den Verurteilten und auch allen anderen politisch verfolgten Demokratinnen und Demokraten gilt unsere Solidarität. Sie müssen umgehend freigelassen werden. Ich fordere die Bundesregierung auf, sich stärker der sich verschlechternden Menschenrechtslage in Russland zu stellen." Das zeigt, dass er gar nichts verstanden und begriffen hat, auch nicht, dass Putin nur abschreibt. Da haben doch die herrschenden Kreise hierzulande die selbsternannte "Die Linke" wieder mal da, wo sie sie haben wollen. Das spiegelt den traurigen Zustand der Partei "Die Linke".

Donnerstag, 16. August 2012

Die Angst der Macht

Der Blogger DenkII hat auf freitag.de einen interessanten und bedenkenswerten Beitrag zum Thema Meinungsfreiheit geschrieben: „Auf dem Weg in die lupenreine Diktatur“. Ich stimme seinen Aussagen weitestgehend zu: "Wir machen es uns zu leicht. Während wir anderswo für Meinungsfreiheit eintreten, hören wir unseren eigenen Oppositionellen nicht zu." Er macht auf die mediale Stimmungsmache gegen Russland wegen des Prozesses gegen die "Pussy Riot" aufmerksam und fragt zu Recht danach, wie hierzulande und in den führenden westlichen Staaten mit den eigenen Oppositionellen umgegangen wird.

Putin schreibt allerdings nur ab, wenn er das Demonstrationsrecht verschärfen lässt (und soweit er als Präsident das selbst vornimmt), worauf ich schon mal hingewiesen habe.

Die herrschenden Kreise in der vereinheitlichten Bundesrepublik wissen schon lange, dass sie die offene Unterdrückung gar nicht brauchen und dass der drohende und der tatsächliche soziale Ausschluss genauso und tiefer wirkt für die Disziplinierung der Bürger und jedes potenziell und tatsächlich Aufsässigen und Oppositionellen. Das Ergebnis ist die internalisierte Macht, u.a. beschrieben vom Michel Foucault. Das macht den Unterschied, aber es nicht besser.

Wenn es den hierzulande und heutzutage Herrschenden zu bunt wird, wenn sie tatsächlich Angst um ihre Macht haben, greifen sie gern auch zu offener Unterdrückung, siehe G-8 in Heiligendamm oder Blockupy in Frankfurt/Main. Da kennen sie keine Unterschiede. Welche Angst die hierzulande Herrschenden vor dem Kontrollverlust haben, zeigt sich am Inhalt solcher Meldungen: "Wild, unkontrolliert, ein bisschen anarchisch: Facebook-Partys sind für viele Jugendliche reizvoll, doch Ordnungshüter sehen sie als potentielle Gefahr. Wer auf "Teilnehmen" klickt, muss mit einem präventiven Hausbesuch rechnen." Das Unkontrollierte macht den Mächtigen Angst, nicht die Party mit Müll.

PS: Und wenn die "Pussy Riot" wie auf Fotos zu sehen das NO PASARAN der Verteidiger der spanischen Republik 1936 bis 1939 gegen die spanischen, italienischen und deutschen Faschisten für ihr Theater missbrauchen, wird mir übel ...

Dienstag, 14. August 2012

Nachträge zum Aleppo-Text vom 27. Juli

Im Folgenden einige Informationen und Hinweise auf Beiträge zu Aleppo in Fortsetzung meines Textes "Aleppo soll das neue Benghasi werden"

Die Zeitschrift inamo hat auf ihrer Homepage einen Text aus der libanesischen Zeitung An-Nahar zu Aleppo und wer den Krieg in diese Stadt brachte, übersetzt. Das Original ist auf arabisch. Dank an inamo fürs Übersetzen:
"Nicht nur das Regime ist verantwortlich für die Zerstörung von Damaskus und Aleppo (02.08.2012)
Wer ist verantwortlich für die Zerstörung von Damaskus und Aleppo, fragt an-Nahar (Libanon): “Innerhalb weniger Tage, wurden große Teile der syrischen Städte Damaskus und Aleppo zerstört“. Seit 500 Jahren hätte man dies nicht mehr gehabt, oder man würde das vergleichen mit dem Luftangriff Frankreichs auf Damaskus (1945). In der Tat, es ist eine Katastrophe. Wer ist aus ethischen Gründen dafür verantwortlich? Man soll nicht anfangen damit, das Regime für alles verantwortlich zu machen. Über dieses brutale Regime, seine Gewalt und seine kriminelle Energie und Tyrannei gäbe es gar nichts zu streiten, aber man müsste schon fragen – insbesondere seit Beginn der Konfrontationen in Damaskus und Aleppo: „who is responsible for this forced military intervention that turned into a disaster for the two cities?“
Da gäbe es eine klare Antwort drauf: Es wäre die bewaffnete syrische Opposition und die internationalen und regionalen Kräfte, die eine solche Konfrontation fördern. Der Autor fragt, ob das eine Bestrafung der zwei Städte sei, weil sie sich nicht am Protest beteiligt hätten? Die Verantwortlichen in Ankara, Washington, Doha und Riayd wüssten genau wie das Regime reagieren würde und dass das Resultat die Zerstörung der zwei Städte wäre. Es gäbe kein revolutionäres politisches Ziel das die Zerstörung der zwei Städte rechtfertigen würde. Aber, was den ethischen Aspekt betrifft: Wer kann garantieren, dass den ökonomisch reichen Ländern ein zerstörtes Syrien, gar nicht ungelegen käme? „Könnte, so der Autor weiter, eine Revolution durchgeführt werden, ohne Damaskus und Aleppo zu zerstören? „Wouldn’t have been ethically more correct to leave the regime in front of its responsibility for the oppression and destruction? Are two cities like Damascus and Aleppo not worthy of being given a priority for preserving their safety? All this criticism is of course based on a main position…: that of rejecting the militarization of a real and deep revolution stemming from Syrian society. This revolution included real youth members. We don’t know where these members are now that the rifle has entered into play. Who can offer guarantees now? No one can.” - An-Nahar, Lebanon"

Selbst bei der Welt gibt es Zweifel an den "Rebellen": "... Umso unverständlicher ist es, dass die Rebellen nicht mehr Verantwortung gegenüber den Einwohnern von Aleppo zeigen. Ihr Hauptquartier in al-Sahur lag inmitten eines dicht besiedelten Wohngebiets, und ein Krankenhaus grenzte unmittelbar an die Militärbasis. Ein Standort, der elf Zivilisten das Leben kostete. Eine Bombe der syrischen Luftwaffe traf ein Wohnhaus hinter der Kommandozentrale. Ein Volltreffer der FSA-Basis hätte womöglich noch fatalere Folgen gehabt: Im Keller wurden dort Panzergranaten gestapelt.
Das neue Hauptquartier der FSA liegt kaum zehn Fahrminuten von der alten Basis entfernt - in einer ehemaligen Schule und mitten in einem Wohngebiet: Vierstöckige Häuser mit Balkonen. Zwischen den Wohnblöcken liegen Rasenflächen. Kleine Kinder spielen im Gras. Über ihnen kreist ein Kampfflugzeug. Diesmal dreht es ab, aber es wird kommen. Es scheint, als würde die FSA ihren Tod billigend in Kauf nehmen. ..." (Welt online, 10.8.2012)

Die junge Welt brachte am 10. August einen Bericht von Karin Leukefeld über den Kampf um Aleppo: "... »So viele junge Soldaten wurden von diesen Leuten entführt. Wer sich nicht anschließt, wird umgebracht.« Verschiedene Stadtteile von Aleppo seien von den Kämpfern »besetzt« worden, sagt Sores. Sie griffen Polizeistationen und Einrichtungen der Sicherheitskräfte an, seien mit Granatwerfern (RPG) und Schnellfeuergewehren ausgerüstet. Er habe sie selbst gesehen, seiner Meinung nach seien nur einige von den Männern Syrer, die anderen kämen »wer weiß woher«. Reden würde er mit ihnen nicht, die Aleppiner wollten sie nicht in der Stadt, ist sich Sores sicher. ..."

Passend auch dieser Ausschnitt aus einem Bericht des österreichischen Standard: "... Die Bevölkerung ist in Gegner und Anhänger gespalten. Zudem gibt es Berichte über wachsende Unstimmigkeit unter den Kämpfern sowie zwischen Rebellen und Bewohnern. Die Aufständischen regelten ihre Konflikte häufig durch Entführung rivalisierender Kämpfer, berichteten Einwohner. ..." (Der Standard, 3.8.2012)

Der Standard beschrieb am 5. August das Ziel der "Rebellen" in Aleppo: "... Am Sonntag stieß die FSA von ihrer wichtigsten Basis im Salaheddin-Quartier Richtung historische Altstadt vor. Ihr Ziel ist es, die mittelalterliche Zitadelle einzunehmen. Sie ist das Zentrum der Altstadt und gehört zum Unesco-Weltkulturgut. Die Rebellen erhoffen sich von der Einnahme dieses Burghügels, von dem aus man die ganze Stadt im Blick hat, dass sie ganz Aleppo kontrollieren können. ..."

Zum Thema gehört auch das: "UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat der bewaffneten syrischen Opposition die Eskalation von Gewalt in der Stadt Aleppo vorgeworfen." (Quelle: RIA Novosti, 11.8.2012)

Montag, 13. August 2012

Dschihadisten im Dienste des Westens

Mehrere Autoren beschreiben in aktuellen Beiträgen, wie der Westen in Syrien Dschihadisten für sich kämpfen lässt, um das Ziel des Regimewechsels zu erreichen.

Auch in Syrien benutzen die führenden westlichen Staaten bzw. deren Regierungen extremistische Islamisten, um ihre Ziele durchzusetzen. Sebastian Range beschreibt in dem Beitrag "Syrien: Schlachtfeld international agierender Dschihadisten" auf der Homepage der Zeitschrift Hintergrund, wie das geschieht und welche Traditionen das hat:
"Die militärische Unterstützung der Freien Syrischen Armee (FSA) seitens des Westens und der Golfdiktaturen wird inzwischen offen eingestanden. Ebenso die wachsende Präsenz von Gruppen, die Al-Qaeda nahestehen. Auch wird der Mantel des Schweigens über die von den „Rebellen“ begangenen Verbrechen in letzter Zeit häufiger in den Medien gelüftet. Das hilft dabei, ein realistischeres Bild über die Vorgänge in Syrien zeichnen zu können. Trotzdem bleibt das von den Massenmedien vermittelte Bild verschwommen und verwischt. Ein genauerer Blick auf die Vorgänge kommt hinsichtlich der Beteiligung Al-Qaedas am syrischen Konflikt zu einer anderen Schlussfolgerung, als der gemeinhin in den Medien vermittelten: Al-Qaedas wachsender Einfluss ist entgegen der üblichen Darstellung nicht einfach eine schreckliche Nebenwirkung des Krieges, sondern Ergebnis der strategischen Vorgehensweise der USA und ihrer Verbündeter."
Range belegt seine Aussagen mit zahlreichen Quellen. Interessant ist auch folgende Passage: "Wie Anfang August bekannt wurde, hat US-Präsident Barack Obama vor rund einem halben Jahr eine Direktive unterzeichnet, die die Unterstützung der „Rebellen“ in Syrien durch die US-Geheimdienste zum Inhalt hat. (1) Zudem sollen die Anstrengungen zur Förderung des Sturzes von Präsident Baschar al-Assad verstärkt werden. „Obamas Kriegsdirektive sieht den Angaben zufolge vor, dass die USA mit einer geheimen Kommandozentrale zusammenarbeiten, die von der Türkei und Verbündeten betrieben wird.“ (2)
Die Existenz jener Kommandozentrale war Tage zuvor bekannt geworden. Auf einem von Katar, Saudi-Arabien und der Türkei eingerichteten geheimen Stützpunkt in der südtürkischen Stadt Adana, nahe dem türkischen NATO-Luftwaffenstützpunkt Incirlik, dessen Hauptnutzer die US Air Force ist, werden „Rebellen“ ausgebildet und mit Waffen versorgt. Laut Aussagen von zwei ehemaligen hochrangigen Mitarbeitern der US-Sicherheitsdienste spiele die Türkei „eine wachsende Rolle für die militärische Ausbildung der Aufständischen“. (3)
Aufgrund der günstigen Lage dürfte der Stützpunkt bei den Kämpfen um Aleppo eine Schlüsselfunktion spielen. Die strategisch wichtige Rolle der Wirtschaftsmetropole hob die Financial Times Deutschland hervor: „Kontrollieren die Rebellen die Stadt und das Hinterland bis hin zum verbündeten Nachbarn, wären Rückzugs-, Flucht- und Nachschubwege gesichert.“ (4)"

Dem Thema widmet auch William Blum, ehemaliger Mitarbeiter des US-Außenministeriums, einen Beitrag auf seiner Homepage killinghope.org: "The United States and its comrade-in-arms, Al Qaeda. And other tales of an empire gone mad." Blum stellt Fragen: "Afghanistan in the 1980s and 90s ... Bosnia and Kosovo in the 1990s ... Libya 2011 ... Syria 2012 ... In military conflicts in each of these countries the United States and al Qaeda (or one of its associates) have been on the same side. 1
What does this tell us about the United States' "War On Terrorism"?
Regime change has been the American goal on each occasion: overthrowing communists (or "communists"), Serbians, Slobodan Milosevic, Moammar Gaddafi, Bashar al-Assad ... all heretics or infidels, all non-believers in the empire, all inconvenient to the empire.
Why, if the enemy is Islamic terrorism, has the United States invested so much blood and treasure against the PLO, Iraq, and Libya, and now Syria, all mideast secular governments?
Why are Washington's closest Arab allies in the Middle East the Islamic governments of Saudi Arabia, Qatar, Kuwait, Jordan, and Bahrain? Bahrain being the home of an American naval base; Saudi Arabia and Qatar being conduits to transfer arms to the Syrian rebels.
Why, if democracy means anything to the United States are these same close allies in the Middle East all monarchies?
Why, if the enemy is Islamic terrorism, did the United States shepherd Kosovo — 90% Islamist and perhaps the most gangsterish government in the world — to unilaterally declare independence from Serbia in 2008, an independence so illegitimate and artificial that the majority of the world's nations still have not recognized it? ..."
Seine Antwort: "So, if you want to understand this thing called United States foreign policy ... forget about the War on Terrorism, forget about September 11, forget about democracy, forget about freedom, forget about human rights, forget about religion, forget about the people of Libya and Syria ... keep your eyes on the prize ... Whatever advances American global domination. Whatever suits their goals at the moment. There is no moral factor built into the DNA of US foreign policy." Die auf deutsch übersetzte Fassung des Textes ist hier zu finden.

Die Zeitschrift inamo bringt auf ihrer Homepage die Zusammenfassung eines entsprechenden Beitrages von Radwan Mortada auf der Homepage von Al Akhbar, der aufzählt, welche islamistischen Gruppierungen in Syrien aktiv sind: "Die Jihadis, die zur Zeit in Syrien operieren kommen aus Jordanien, Palästina, Kuwait, Tunesien, Libyen, Saudi-Arabien und dem Jemen. Manche kommen auch aus Afghanistan und Pakistan. Das größte Kontingent ausländischer Kämpfer, so RM, ist zusammengesetzt aus Libanesen, Iraker, Jordanier und Palästinenser, die zuvor im Irak gekämpft hätten. Aber die Islamisten kämen aus verschiedenen Gruppen und Ideologien. Der al-Qaidas nahe steht die Abdullah Azzam Brigaden, aber auch die Jabhat al-Nusra li Bilad ash-Sham und die Doura Fighting Group (eine hardline takfiri Gruppe). Libysche Jihadisten kämpfen unter Liwaa al-Umma. Ihre Kommandeure sind die Scheikhs Mahdi al-Harati und Abdul Hakim al-Misi. Suqur al-Sham (Falken von Syrien), geführt von Abu Issam (Ahmad al-Scheikh) besteht aus 50 Kampfeinheiten, die in den Provinzen Idlib, Rif Dimashq, Latakia und Hama operieren, besonders in Jabal al-Zawiya, Khan Sheikhoun und „rural areas east and west of al-Maarah, Saraqeb, the town of Idlib, and Sarmin. These formations include: the Muhammad al-Khalaf Brigade; the Daoud Brigade led by Hassan al-Aboud; the Ansar al-Haq Brigade led by Rashid Abu-Abdu; The Dhi Qar Brigade headed by Abdul Aziz bin-Wassam; the al-Muhajerin wal-Asar Brigade, whose leader is known as Abu-Musaab; the al-Khansa Brigade, headed by an Abu Shayma; and the Martyr Muhammad al-Abdallah Brigade, commanded by Nidal al-Hajj Ali.”
Zu den prominenten Brigaden gehört die al-Ansar Brigade, gegründet von Abu-Ali al-Ansari, ehemaliges Mitglied von Fatah al-Islam im Lebanon. An der irakischen Grenze von Alboukamal operiert die Scheikh Hajjaj al-Ajami Brigade.
In Homs gibt es 23 Jihadgruppen, anscheinend unter dem Schirm des Homs Military Council, der wieder vom Majlis al-Shura (a consultative council consisting of five clerics who provide both religious guidance and practical leadership). ..."

Die Methode, die Dschihadisten für westliche Ziele zu benutzen ist nicht neu, wie Tim Weiner in seinem Buch "CIA - Die ganze Geschichte" schreibt: „Präsident Eisenhower erklärte, er wolle die Idee eines islamischen Dschihad gegen den gottlosen Kommunismus voranbringen. „Wir sollten alles nur Denkbare tun, um diesen Aspekt des ‚Heiligen Krieges‘ hervorzuheben“ äußerte er im September 1957 bei einem Treffen im Weißen Haus, bei dem auch Frank Wisner, Allen Dulles, William Rountree, der Stellvertretende Staatsekretär für den Nahen Osten, und Mitglieder des Vereinigten Oberkommandos anwesend waren.“ (S. 192). Der Kommunismus ist erledigt. Die bewährte Methode wird weiter benutzt.

aktualisiert: 14.8.2012, 14.44 Uhr

Lichtenhagen 1992 und die Schreibtischtäter

Karsten Laske erinnert in seinem Beitrag "Katalysator Hass" auf freitag.de an die Ereignisse in Rostock-Lichtenhagen 1992. An die politischen Brandstifter muss auch erinnert werden.

Der Autor hat aus meiner Sicht Recht, wenn er in seinem Text nicht nur am Beispiel Lichtenhagen darauf hinweist, dass soziale Not und soziale Ängste oftmals dazu führen, dass die "Deklassierten" sich nicht gegen die wenden, die verantwortlich sind für ihre Lage, sondern auf die Nächstschwächeren, die noch eine Stufe unter ihnen auf der sozialen Leiter stehen, oder einfach auf die "Anderen" neben ihnen, losgehen. Das hat sich ebenfalls 1992 bei den Unruhen in Los Angeles nach dem Überfall weißer Polizisten auf den Afroamerikaner Rodney King und dem Freispruch für die Uniformierten gezeigt, als hauptsächlich asiatische Ladengeschäfte angezündet und geplündert wurden.

Doch zu solchen Ereignissen und auch Lichtenhagen 1992 gehören die politischen Brandstifter, die den Hass auf Ausländer und die "Anderen" anfeuern, weil er ihnen ins Konzept passt, auch in das Konzept der Ablenkung. Damals lief in der Bundesrepublik und schon seit Jahren eine intensive Diskussion um das Asylrecht, das rechte politische Kräfte in fast allen Parteien in der dann vereinheitlichten Bundesrepublik verschlechtern wollten, mit dem Ergebnis, dass am 26. Mai 1993 mit einer Grundgesetzänderung das Grundrecht auf Asyl weitgehend abgeschafft wurde.

Nein, die Politik war und ist nicht unschuldig am Hass auf Ausländer. Und die Wut und  der Frust der "Deklassierten" ist es nicht allein, die zu so etwas wie damals in Lichtenhagen führte. Dazu gehören auch die Schreibtischtäter, die politischen Hetzer aus der Mittel- und Oberklasse.
Dazu sei aus einem Rundbrief vom 12. September 1991 des damaligen CDU-Generalsekretärs und Bundestagsabgeordneten Volker Rühe an die Parteigliederungen und-fraktionen zitiert:

"Sehr geehrte Damen und Herren,
vor dem Hintergrund der besorgniserregenden Entwicklung der Asylbewerberzahlen und der damit verbundenen Probleme hat die öffentliche Auseinandersetzung über das im Grundgesetz verankerte Asylrecht in den zurückliegenden Monaten einen neuen Höhepunkt erreicht. Die hohe Zahl der den Kommunen zugewiesenen asylbegehrenden Ausländer stellt diese vor Probleme, die mancherorts kaum noch zu lösen sind.
Der weitaus größere Teil der Asylbewerber kommt aus Staaten, in denen es politische Verfolgung nicht oder inzwischen nicht mehr gibt. Wirtschaftliche Motive sind häufig der Grund, einen Asylantrag zu stellen oder so zumindest ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zu erwirken. ...
Notwendig ist ... eine Ergänzung des Grundgesetzes mit dem Ziel, Antragsteller aus Ländern, in denen eine Verfolgung nicht stattfindet, an den Grenzen zurückzuweisen bzw. ausweisen zu können. ...
Die Verweigerung der SPD-Führung trifft in ihren Auswirkungen insbesondere die Kommunen , die für die Unterbringung der Asylbewerber zu sorgen haben. In den Städten und Gemeinden atrikuliert sich in der Bevölkerung auch am ehesten Unmut und mangelnde Akzeptanz des praktizierten Asylrechts. ...
Ich bitte Sie daher, in den Kreisverbänden, in den Gemeinde- und Stadträten, den Kreistagen und in den Länderparlamenten die Asylpolitik zum Thema zu machen und die SPD dort herauszufordern, gegenüber den Bürgern zu begründen, warum sie sich gegen eine Änderung des Grundgesetzes sperrt – oder aber öffentlich die Bereitschaft zu bekunden, innerhalb der eigenen Partei für eine Änderung der bisherigen Politik einzutreten. Die CDU muß sich jetzt überall dafür engagieren, daß das vorgesehene Gespräch zwischen den Parteien zur Asylproblematik zu konkreten Fortschritten führt.
Mustervorlagen für die Argumentation, für Resolutionen, Anträge und Anfragen sowie eine Muster-Presseerklärung füge ich diesem Schreiben bei. Ich bitte herzlich um Ihre Mitwirkung und Unterstützung.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Rühe"

Die beigefügten Materialentwürfe haben es in sich. So sollten die CDU-Stadtratsfraktionen einen Antrag einbringen, in dem u.a. steht: "... Das Recht auf Asyl darf nicht ausgehöhlt und gefährdert werden. Deshalb muß ein Mißbrauch des Asylrechts mi allen rechtsstaatlichen Mitteln verhindert werden. Der Rat der Stadt ... stellt fest, daß eine weitere Aufnahme von Ayslbewerbern aus Ländern, in denen eine Verfolgung nicht stattfindet, unterbunden werden muß. ..." Undsoweiter undsofort ...

Dem Material, das mir als Kopie vorliegt, ist noch eine Anzeige der SPD aus der Zeitung "Die Norddeutsche" vom 2.10.1991 beigefügt, in der unter anderem zu lesen ist: "... Die Flut von unechten Asylanten und Aussiedlern (!) überfordert uns im Landkreis Osterholz.
Wir fordern deshalb:
Änderung des Art. 16 GG (Asylrecht) und Art. 116 GG (Aussiedler),
damit unechte Asylanten nach kurzer Überprüfung schon an der Grenze zurückgeschickt werden können, und damit Aussiedler nur noch begrenzt aufgenommen werden. ...
Heiner Grotheer - Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion/Arne Börnsen - Mitglied des Bundestages"

Die verbalen Brandstifter saßen nicht nur in der CDU.

Russlands Haltung zum Syrienkonflikt

Die Politikwissenschaftlerin Dr. Angelika Bator und der Ex-DDR-Botschafter Dr. Wolfgang Bator haben eine interessante Analyse zu Russland und Syrien veröffentlicht. In der Analyse vom 11. August geht es auch um die weitere Entwicklung in Syrien. Weil ich das Material für sehr gut und informativ halte, zitiere ich aus dem Anfang und dem Schluss der Analyse:

"Russland, welches sich immer in der Geschichte als eine Großmacht gesehen hatte, drohte nach dem Zerfall der Sowjetunion in Bedeutungslosigkeit zu versinken. Die Vereinigten Staaten stießen in die Region der ehemaligen Sowjet-Republiken vor.  Mittels westlich beeinflusster Staaten sollte ein  Kordon um Russland gezogen werden. Es sollte  verhindert werden, dass Russland je wieder zur globalen Bedrohung werden konnte.
Zwei Ereignisse verdeutlichten die Schwäche Russlands:
- Die demütigende Entscheidung des Westens entgegen dem Willen Russlands Krieg zu führen gegen den Restteil des ehemaligen Jugoslawiens, gegen Serbien, und
- die „Orange-Revolution“ in der für Russland ökonomisch und strategisch wichtigen Ukraine, wo ein pro-westlichen Regime an die Macht kam,  das zum Beitritt in die NATO bereit war.
Im September 2001 nach dem Angriff der Al-Kaida auf New York und Washington veränderte sich die internationalen Lage. Die USA wurden so stark in den Kampf gegen die Jihadisten verwickelt , dass sich ihr strategisches Interesse statt auf Rußland auf andere Regionen konzentrierte. Moskau bekam die Möglichkeit, sein Machtpotential schrittweise auszubauen und seine Außenpolitik auf  die Schaffung einer Art Staatenunion zu orientieren. Mit den früher zur Sowjetunion gehörenden Nationen wurde ein Beziehungssystem auf Basis des gegenseitigen Vorteils errichtet, ohne dass Moskau die Verantwortung für deren Innenpolitik übernahm. Die Herstellung enger Beziehungen zu Kasachstan, Weißrussland und der Ukraine besaß dabei vorrangige Bedeutung, um Russland wieder einer strategische Tiefe zu sichern. 1

Der russisch-georgische Krieg 2008 zeigte der Welt, dass Russland wieder in der Lage war eine militärische Offensive durchzuführen, während die in Afghanistan und Irak  engagierten USA der georgischen Führung nur geringe militärische Unterstützung leisten konnten. Damit waren die Garantien der USA für Georgien, das sich als künftiges NATO-Mitglied betrachtete, wertlos geworden.
In den internationalen Bedingungen vollzogen sich weitere Veränderungen, die mit der globalen Wirtschaftskrise, für die noch keine Lösung in Sicht ist, immer deutlicher in Erscheinung treten. Die traditionellen Machtzentren der globalen Entwicklung – die USA, die EU und Japan – können ihre Führungsrolle nur noch bedingt wahrnehmen. 2
Seit dem strategischen Abzug der amerikanischen Streitkräfte aus dem Irak und der Ankündigung ihres Abzuges aus Afghanistan, sowie der Reduzierung der US-Streitkräfte von 750 000 auf 490 000 Mann und einer Senkung des Militärhaushalts auf 450 Milliarden Dollar
wurde sichtbar, dass die militärische Macht der USA schwächer geworden ist. Die Unfähigkeit der USA, zu gleicher Zeit zwei militärische Operationen unter Einsatz aller Streitkräfte zu führen wurde 2012  mit der Annahme einer neuen amerikanischen Militärstrategie dokumentiert, die den Einsatz der Streitkräfte einschränkt.
Unabhängig von dieser Entwicklung sind die Vereinigten Staaten von Amerika im globalen Vergleich immer noch die militärisch und ökonomisch stärkste Macht geblieben. Nach dem voraussehbaren Ende des amerikanischen Engagements in Afghanistan wird  ihre Politik sich wieder verstärkt auf die Region des Pazifik gegen China und damit auch wieder gegen Russland richten, weshalb die russische  Politik vor allem auf die Stabilisierung der eigenen Entwicklung orientiert. ...
Der russische Außenminister warnte angesichts der sich zuspitzenden Lage in Damaskus und Aleppo, dass die Vereinbarungen von Genf nicht realisierbar seien, solange verschieden Seiten daran arbeiteten die Spannungen im Syrienkonflikt zu erhöhen. Die Gefahr wächst, dass eine Verschlechterung der Lage in Syrien die Destabilisierung in der gesamten Region nach sich zieht.

Am 2. August 2012 gab der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, bekannt, dass der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga, Kofi Annan sein Mandat, dass am 31. August  ausläuft nicht weiterführen wird. Als Grund für seinen Rücktritt gab Annan die geringe internationale und regionale Unterstützung  für den dringend notwendigen friedlichen, politischen Machtwechsel in Syrien an. Moskau bedauerte die Entscheidung Kofi Annans und betonte, dass trotzdem keine Minderung der internationalen Anstrengungen in der Lösung der Krise in Syrien zugelassen werden darf.
Russland lehnte gleichzeitig den auf Initiative der Vereinigten Staaten gefassten,  nicht bindenden Beschluss der  66. Tagung der UNO-Vollversammlung zur „Situation in der Syrischen Arabischen Republik“  mit der Begründung ab, sie verheimliche die offene Unterstützung der bewaffneten Opposition und trage nichts dazu bei einen friedlichen Weg zur Lösung der Krise im Interessen des syrischen Volkes zu finden. Der ständige Vertreter Russlands bei den Vereinten Nationen, W.I. Tschurkin, bezeichnete den Beschluss der Generalversammlung, als eine Verletzung der UNO-Charta und unter Umgehung des Sicherheitsrates eine Einmischung in seine Kompetenz. Dieser Beschluss wiedersprach den Anforderungen an die internationale Mitwirkung zur Verwirklichung sowohl des Plans von Kofi Annan als auch der Genfer Vereinbarungen und ruinierte die Aussichten einen Prozess der politischen Regelung aufzunehmen. Die russische Seite beharrte darauf, dass die Teilnehmer der Genfer Erklärung weiterhin die Verantwortung für die Erfüllung aller Bestimmungen dieses Dokumentes haben und ein deutliches Signal zu Gunsten der Beendigung der Gewalt geben müssen. In dieser Situation gewinnt die UNO-Anwesenheit in Syrien, als einzige unabhängige Quelle der objektiven Information über die Sachlage im Land und als wichtiges Instrument zur Verwirklichung des Plans von Kofi Annan und des Genfer Kommuniques besondere Bedeutung, denn beide bleiben Orientierungspunkte für die friedliche Lösung der syrischen Probleme."

Die vollständige Analyse ist auf der Homepage der Bators zu finden.