Sollen wir wirklich glauben, dass das
syrische Regime, dass Präsident Bashar al-Assad und die syrische
Regierung solch ein Gemetzel wie das von Hula am 26. Mai 2012 anordnen,
während nebenan die UNO-Beobachter zu Gange sind und zwei Tage später
UN-Vermittler Kofi Annan nach Damaskus kommt? Sollen wir wirklich
glauben, dass Assad irgendeinen Nutzen daraus zieht, dass er wahllos
Syrer ermorden lässt, nur weil einige von ihnen gegen ihn und die
Regierung demonstrieren?
Ja, das sollen wir glauben und die letzten Zweifler sollen
überzeugt werden, dass in Syrien nur noch militärisch aufgeräumt werden
kann. Dafür wird alles getan, wirklich alles. Dafür werden auch solche
Opfer wie in Hula in Kauf genommen, jedes eines zu viel.
Als ich davon hörte, dachte ich gleich an Racak. Das gehört zu
der Rambouillet-Karte, die anscheinend nun in Syrien vom Westen gespielt
wird. Ich hatte davon schon geschrieben. Aber inzwischen wird Hula wie
schon Homs mit Srebrenica gleich gesetzt und tatsächlich auch mit Sabra
und Chatila verglichen, den beiden palästinensischen Flüchtlingslagern,
die 1982 von christlichen Milizen im Libanon überfallen und in denen
Tausende der Insassen unter den Augen der israelischen Armee
abgeschlachtet wurden. Was für ein Vergleich! Aber auch diese
Vergleiche, die nicht hinken, sondern faul sind und deshalb stinken,
zeigen, dass die westlichen Menschenrechtskrieger und ihre medialen
Lakaien auch in der Kriegspropaganda vor nichts zurück schrecken.
Übrigens erging es dem russischen Aussenminister Sergej Lawrow wohl wie
mir: Laut RIA Novosti stellte er fest, dass die Situation in Syrien an das frühere Jugoslawien im Jahr 1999 erinnert.
Die Gräueltaten von Hula werden der syrischen Regierung und
Armee zur Last gelegt. Tatsächliche Beweise gibt es keine, bis auf
Granateinschläge und Schusswunden der Toten. Doch was sagen die darüber
aus, wer die Schüsse abgegeben hat? Auch die alte kriminalistische Frage
„Cui bono?“ wird nicht gestellt. Niemand fragt, wem das Gemetzel
tatsächlich nutzen könnte. Denn es kann ja nur Assad gewesen sein, der
Schlächter von Damaskus, der sein Volk abschlachtet, weil er notfalls
auch ganz ohne Volk regieren würde. Auch wenn ich mich wiederhole: Für
wie blöd werden wir gehalten?
Dem syrischen Regime nutzt solch eine Tat unter den Augen der
Weltöffentlichkeit nur wenig bzw. gar nicht, erhöht sie doch die Gefahr
einer internationalen Intervention. Die arabische politische Kultur
unterscheidet sich mit Sicherheit in einigen Punkten von der westlichen.
Aber auch ein arabischer Herrscher wie Assad wird nicht völlig anders
ticken und sein Land nicht freiwillig einer drohenden Intervention
preisgeben. Aber es gibt innerhalb und außerhalb Syriens verschiedene
Kräfte, die genau solches gern sähen. Sie können es gar nicht erwarten,
dass Assad wie Gaddafi weggebombt wird. Die USA haben in ihrer
Geschichte schon mehrmals vorgemacht, wie Anlässe für Kriege geschaffen
werden. Die syrischen „Rebellen“ haben sicher nicht nur im Kosovo
erfahren, wie sich solche Anlässe schaffen lassen. Diese
Anti-Assad-Koalition tut seit langem alles dafür, ein solches Ereignis
zu provozieren. Es scheint nur eine Frage der Zeit und der Opferzahl zu
sein, wann auf diese Weise ein Krieg gegen Syrien mit oder ohne
UNO-Sicherheitsratsresolution beginnt. Auch darauf habe ich schon
mehrmals hingewiesen. Und so erschüttert mich das Gemetzel von Hula
zwar, aber es überrascht mich nicht. Auch nicht, dass in Folge dessen
nun auch Russland langsam auf den westlichen Anti-Assad-Kurs
einzuschwenken droht.
Als ich von dem Ereignis hörte, war ich weit weg von einem
Computer, so dass ich heute erst dazu komme, genauer nachzulesen und
mich dazu zu äußern. Inzwischen wurden meine Zweifel von verschiedener
Seite bestätigt, selbst von SPIEGEL online. Ich dachte gleich,
dass es sich unter anderem um eine gezielte Aktion handeln könnte, um
die syrische Armee zu einem Gegenschlag gegen „Rebellen“, die sich in
Hula verschanzt hatten, zu provozieren, zivile Opfer eingeschlossen. Bei
SPIEGEL online ist nun eine „Rekonstruktion“
zu lesen, die die Provokation bestätigt. Angeblich um von der Armee
erschossene Demonstranten zu rächen, habe eine Einheit der „Freien
Syrischen Armee“ (FSA) die Posten der regulären syrischen Armee
angegriffen. „Bei Einbruch der Dunkelheit hätten die Rebellenkämpfer
zeitgleich alle Checkpoints im und um das Dorf angegriffen. So weit
deckt sich das mit der Aussage des Sprechers des Außenministeriums,
Dschihad al-Makdisi. Der sagte am Sonntag, am Freitagnachmittag sei es
‚von zwei Uhr bis elf Uhr abends‘ in Hula zu einem Angriff von
‚Terroristen‘ auf die dort stationierten Regierungstruppen gekommen.“
Und dann hätten die bewaffneten FSA-„Deserteure“ einen „taktischen
Fehler“ gemacht und das Dorf verlassen, ist weiter zu lesen. Als die
syrische Armee zum erwartungsgemäßen Gegenschlag ausgeholt habe, sei
Hula samt seiner Bewohner schutzlos gewesen. Mit der Armee seien
regimetreue Freischärler ins Dorf gekommen und hätten Wehrlose, auch
Kinder ermordet.
Und nun fordert die FSA Rache für Hula, wie auf Bestellung. Erneut wird die „internationale Staatengemeinschaft“ sprich der Westen aufgefordert, endlich einzugreifen. Der Chef des Syrischen Nationalrates (SNC) Burhan Ghalioun hat laut RIA Novosti
an alle syrischen Oppositionskräfte appelliert, den "Befreiungskampf"
so lang fortzusetzen, bis der UN-Sicherheitsrat einem militärischen
Eingreifen grünes Licht gebe. Die Bundesrepublik und andere Staaten
weisen die syrischen Botschafter aus. Nebenfrage: Hat Afghanistan
eigentlich den bundesdeutschen Botschafter nach dem Bombenmassaker von
Kunduz ausgewiesen?
Nein, jegliche Zweifel an dem Gemetzel von Hula, an dem
angeblichen Massaker durch syrische Regierungstruppen und
Sicherheitskräfte, werden weggewischt, wieder einmal. Dafür wird auch ignoriert, dass der Chef der UN-Mission in Syrien, General Robert Mood, feststellte, dass „die Umstände der Tragödie unklar sind und ermittelt werden müssen.“
Da kann die syrische Regierung sagen, was sie will. Da kann der
Sprecher des syrischen Außenministeriums, Dschihad Makdissi, unendliche
viele Mal wiederholen: "Wir können versichern, dass keine syrische
Artillerie oder schwere Waffen im Gebiet von Hula eingesetzt wurden."
Vielmehr hätten "bewaffnete Gruppen" den Ort mit Panzerfäusten und
Mörsern angegriffen. (zitiert nach SPIEGEL online)
Da können die syrischen Behörden so viele Schreiben an den
UN-Sicherheitsrat richten, wie sie wollen, in denen bewaffnete Kämpfer
radikal-islamischer Gruppen für das Massaker in Hula verantwortlich
gemacht werden. Da nutzt auch nichts, dass die syrische Regierung dementiert,
dass syrische Panzertruppen zum Zeitpunkt des Angriffs in der Region
stationiert waren. Nebenfrage: Wo bleiben in dem Fall eigentlich die
berühmten Satellitenaufnahmen der USA? Dafür gibt es auch falsche Fotos aus Hula: „Die BBC
ist in die Falle getappt. Am 27. Mai bebilderte sie auf ihrer Website
einen Bericht über das Massaker im syrischen Houla mit einem Foto, das
angeblich die Opfer in weiße Tücher verhüllt zeigt und ein Kind, das
darüber hüpft. Tatsächlich wurde dieses Bild schon vor neun Jahren
aufgenommen. Der Fotograf Marco di Lauro schoss es am 27. März 2003
südlich von Bagdad.“
Das Ziel ist und bleibt: Syrien unter Assad muss in die Knie
gezwungen und wieder unter westliche Kontrolle gebracht werden. Dafür
wird alles getan. Dafür werden auch Gemetzel und Massaker provoziert und
organisiert. Die Methoden sind bewährt und die Mainstream-Medien machen
erwartungsgemäß mit. Zum Abschluss weise ich noch auf einen Text zum Thema von Hartmut Beyerl in seinem Hinter-der Fichte-Blog hin: „Syrien: Massaker im Namen der 'Schutzverantwortung'"
Nachtrag vom 30.5.12, 9.37 Uhr: Einer hat die Cui Bono-Frage gestellt:
Werner Pirker in der jungen Welt am 29.5.12.
Seine Antwort ähnelt meiner. Interessant, was er zur Schuldfrage
schreibt: "Die jüngste Erklärung des UN-Sicherheitsrates läßt indes den
Schluß zu, daß man im fernen New York bereits zu wissen meint, daß das
Massaker der Regierungsseite anzulasten sei. »Bei einem Angriff auf
Wohngebiete«, heißt es in der Erklärung, habe es einen »mehrfachen
Artillerie- und Panzerbeschuß durch Regierungstruppen« gegeben."
Inzwischen heißt es: "Rupert Colville, Sprecher des UNKommissariats für
Menschenrechte, sagte, die meisten Opfer des Massakers seien »aus
nächster Nähe« ermordet worden. Es habe sich um »Massenexekutionen an
zwei getrennten Orten« gehandelt. Alles deute daraufhin, daß »ganze
Familien in ihren Häusern erschossen wurden«. Weniger als 20 Personen
seien durch Artilleriebeschuß getötet worden." (
Quelle)
Das ist nur einer der Widersprüche, die eine eindeutige Schuldzuweisung
an eine Seite erschweren. Inzwischen sollen es ja "Freischärler"
gewesen sein, die mordeten, natürlich regierungsnahe. Dass es ein Syrien
längst eine wahres Potpourri an "Freischärlern" gibt, darauf hatte u.a.
der libanesische Ex-General Hisham Jaber in einem
Interview mit dem iranischen Sender Press TV Anfang Mai hingewiesen. Interessant auch in dem Zusammenhang das Interview, dass der DeutschlandFunk mit ihm führte (siehe
hier).
Und
so bleiben genug Gründe für Zweifel, die aber die
westlichen Staaten nicht kümmern: "Eines der Hauptargumente
Frankreichs in den Verhandlungen mit Russland zur Syrien-Frage ist laut
dem französischen Außenminister Laurent Fabius die
Aussichtslosigkeit der Unterstützung des vor dem Fall stehenden
Regimes in Damaskus." (
Quelle)
Nachtrag vom 30.5.12, 14.10 Uhr: "... Wer kein Interesse an dem
Friedensplan des ehemaligen UN-Generalsekretärs hat, zeigte sich schon
Tage zuvor. Am 4. Mai meldete
AP, daß die US-Regierung den Versuch
Annans, den Frieden in Syrien wiederherzustellen, für gescheitert
erklärt. Jay Carney, Sprecher des US-Präsidenten Barack Obama, sagte
laut Agenturmeldung, die Gewalt in Syrien müsse nun auf andere Weise
gestoppt werden. Die Verantwortung dafür trage das Regime des
Präsidenten Baschar al-Assad.
AP erinnerte daran, daß die US-Regierung
dem Annan-Plan von Anfang an skeptisch gegenüber gestanden hatte.
Dazu
paßte dann der Bericht der
Washington Post vom 16. Mai: Die
bewaffneten syrischen "Rebellen" erhalten mit Hilfe
der USA neue und bessere Waffen. Das geschehe über
Saudi-Arabien und Katar. Diese Partner Washingtons hatten schon im
April, kurz nachdem Kofi Annan seinen Friedensplan vorgestellt hatte,
erklärt, daß sie die bewaffneten "Rebellen" mit 100 Millionen Dollar
unterstützen werden. Die USA hätten Kontakt zu jenen,
die sie mit Waffen versorgen lassen, schrieb das Blatt. Die Lieferungen
stärkten die Positionen der "Rebellen"
gegenüber der syrischen Armee, die seit einiger Zeit die Lage
unter Kontrolle zu haben schien. Die Obama-Administration habe sogar mit
syrischen Kurden über die Möglichkeit einer zweiten
Front gegen die syrische Armee gesprochen, schrieb die
Washington Post.
Inzwischen bereite das Pentagon auch mögliche
Luftschläge gegen die syrische Luftverteidigung vor. ..." (aus
meinem Beitrag "
USA torpedieren friedliche Lösung" in
Ossietzky
11/2012)
Angesichts
dessen ist es doch kein Wunder, dass die bewaffneten syrischen
"Rebellen" glauben, dass sie sich nicht an den Friedensplan von Annan
halten müssen und der Westen ihnen noch stärker zu
Hilfe kommen wird eines Tages.
ein weiterer Nachtrag aus dem
Tagesspiegel vom 27. Mai 2012: "... Der
Chef der UN-Beobachtermission in Syrien, Robert Mood, bezeichnete den
Vorfall als „Tragödie sondergleichen“. Sein Team sei über das Gesehene
„schockiert und bestürzt“, sagte er im Nachrichtensender Al-Dschasira.
Zugleich vermied er es, von einem Massaker zu sprechen. „Es ist noch zu
früh, die genauen Umstände zu bestimmen, die zu diesen tragischen
Tötungen führten.“ Erst wenn er im Besitz aller beweiskräftigen
Erkenntnisse sei, werde er die entsprechenden Schlussfolgerungen in
einem Bericht formulieren."
Aber
alle anderen wissen schon Bescheid und haben
ihr Urteil längst vor Hula gefällt ... "Westliche Politiker zögerten
nicht, klar mit dem Finger auf das Regime in Damaskus zu zeigen.
US-Außenministerin Hillary Clinton forderte in einer
Erklärung die internationale Gemeinschaft auf, den Druck auf
Assad und "seine Spießgesellen" zu
erhöhen. "Deren Herrschaft durch Mord und Angst muss
ein Ende haben", forderte Clinton. "Es ist
schockierend und empörend, dass das syrische Regime seine
brutale Gewalt gegen das eigene Volk nicht einstellt",
hieß es in einer Erklärung von
Bundesaußenminister Guido Westerwelle. Auch die
Außenminister Großbritanniens, William Hague, und
Frankreichs, Laurent Fabius, schlossen sich den Verurteilungen an. ..."
Nachtrag vom 1. Juni 2012:
RIA Novosti brachte am 31.5.12 folgende
Meldung zu Hula: "Das offizielle
Damaskus hat regierungsfeindlichen Truppen die Schuld für das Massaker
in der syrischen Stadt Al-Hula gegeben.
Zu diesem
Schluss gelangte eine von General Kassem Jamal Suleiman geleitete
Kommission am Donnerstag. "Bis zu 800 bewaffnete Extremisten hatten die
Stellungen der Armee und der Sicherheitskräfte angegriffen, die im Raum
von Al-Hula stationiert waren", sagte der Militär am Donnerstag auf
einer Pressekonferenz in Damaskus.
Dabei sei Al-Hula von der
Armee nicht erstürmt worden. "Bei dem Gefecht behielt die
syrische Armee ihre Positionen. Unter den Opfern des Massakers gab es
keine Menschen, die infolge eines Artilleriebeschusses ums Leben
gekommen waren. Davon zeugen die an den Leichen festgestellten
Verletzungen: Es fehlen Frakturen, die bei der Detonation von Geschossenü blich sind." "Alle Todesopfer gehörten zu den
Familien, die sich geweigert hatten, den bewaffneten Widerstand zu
unterstützen", sagte der General.
Bei dem Überfall auf
Al-Hula am 25./26. Mai waren nach Angaben internationaler Beobachter
mehr als 100 Menschen getötet worden, hauptsächlich Frauen und Kinder.
Die meisten von ihnen wurden aus nächster Nähe erschossen bzw.
erstochen. Die anderen sollen nach UN-Angaben bei einem
Artilleriebeschuss ums Leben gekommen sein. Der Weltsicherheitsrat
verurteilte entschieden das Massaker an unschuldigen Zivilisten. Mehrere
Länder wiesen bereits die syrischen Botschafter aus Protest aus."
Nachtrag vom 2. Juni 2012: Jetzt gibt es sie tatsächlich, die Satellitenfotos aus den USA zu Hula,
auf einer Website des US-amerikanischen Aussenministeriums mit dem
verlogenen Titel humanrights.gov, eingestellten vom US-Botschafter in
Syrien, Robert Ford:
www.humanrights.gov/2012/03/05/situation-in-syria/