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Montag, 23. April 2012

Fragen zu Hama

Es gibt zahlreiche vorschnelle Antworten zu einem angeblichen Massaker.
Ist es so einfach wie es in der heutigen Meldung von RIA Novosti heißt: "Syrische Armee schießt wahllos auf Zivilisten - 20 Tote in Hama"? "Beim Artilleriebeschuss durch die Regierungskräfte in der syrischen Stadt Hama sind am Montag mindestens 20 Menschen gestorben. Rund 60 Menschen wurden verletzt, meldet Reuters unter Berufung auf Augenzeugen.
Wie ein Ortsansässiger der Agentur telefonisch mitteilte, waren am Morgen Panzer und Artillerie in die Stadt eingerückt und hatten auf Menschen auf den Straßen geschossen. Einige Häuser seien in Brand geraten."

In einer anderen Meldung heißt es dazu: "Die Soldaten hätten mit schweren Maschinengewehren das Feuer eröffnet und 33 Menschen getötet, teilte das in Großbritannien ansässige Syrische Observatorium für Menschenrechte mit. Der Aktivist Musab Alhamadee berichtete via Internet aus Hama von rund 50 Todesopfern."
Ist das nun das Ereignis, das ich befürchtet habe, mit dem der Waffenstillstand aufgehoben und ein Grund für eine westliche Intervention, in welcher Form auch immer, gegeben ist? Ist es das Ereignis, das beweist, dass die UN-Beobachtermission zum Scheitern verurteilt und sinnlos ist?
Das habe ich am 18. April geschrieben: "Wer will bzw. kann dieses brisante Gemisch unter Kontrolle halten? Ist angesichts dessen der Waffenstillstand und die UN-Beobachtermission dazu nicht von vorneherein zum Scheitern verurteilt?"
Zuvor hatte ich am 13. April in einem Kommentar befürchtet, was jetzt passiert sein könnte: "Ich bin gespannt, ob es demnächst in Syrien ein Ereignis gibt, eine militärische Aktion oder eine Gräueltat einer Einheit der syrischen Armee, das den bewaffneten "Rebellen", die uns als "die Opposition" medial verkauft werden, den Anlass bietet, aus dem Waffenstillstand auszusteigen. Solch ein Anlass kann provoziert werden, oder im wahrsten Sinne des Wortes auch "getürkt", oder einfach auch durch einen Armeeoffizier, der von der Zentralmacht nicht unter Kontrolle gehalten werden kann ...
Ich hoffe, dass so etwas nicht passiert, aber ich würde mich nicht wundern, wenn es geschieht ..."

Noch hoffe, ich, dass das Schlimme, was anscheinend in Hama geschehen ist, nicht so völlig grundlos wie gemeldet passiert ist, auch nicht wegen der angeblichen Rache für den Jubel für die UN-Beobachter in Hama. Die Angaben zu dem, was passiert sein soll, sind unterschiedlich, Artilleriebeschuss ist etwas anderes als Maschinengewehrfeuer (auch wenn beides nicht gut ist) ...
Sollte sich der russische Aussenminister Sergej Lawrow so geirrt haben, als er am 19. April sagte: "Man sollte den Zuschauern, Lesern und Hörern keine solchen simplen Konzeptionen anbieten. Wie stellen Sie sich das vor, dass es ein schlechtes syrisches Regime gibt? Dass es etwa jeden Morgen mit Panzern losfährt und auf Wohnviertel oder auf friedliche Demonstranten zu schießen beginnt, die es mit nichts provoziert haben?"
Ist das ein Versuch, den Interventionswettlauf endgültig in Gang zu bringen? Am 21. April war im Neuen Deutschland zu lesen: "Landesweit seien 16 Menschen ums Leben gekommen, erklären Vertreter der Opposition. Dies, so erklären ausnahmsweise einmal beide Seiten, geht auf Gefechte zwischen Armeeverbänden und Deserteuren zurück. Letztere machen in Internet-Botschaften gar keinen Hehl daraus, dass die Initiative dabei von ihnen ausging."
Ich weiß nur, dass auch in Syrien gilt, woran die Zeitung Die Presse aus Österreich am 13. März erinnerte: "Im Krieg ist die Wahrheit das erste Opfer". Für die Frage, ob das auch in dem Fall so ist, und für alle anderen Fragen gilt: Ich weiß es nicht.
Nachtrag: Wer lange sucht, findet auch eine von möglichen Antworten, hier von der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP), dem "überwiegend aus Mitteln des Bundeskanzleramtes" bezahlten Thinktank. Für die SWP stellte Heiko Wimmen, der kürzlich in Berlin bekundete, dass er gern die NATO gegen Syrien wie einst gegen Jugoslawien im Einsatz sähe, im August 2011 immerhin fest: "Eine eindeutige Unterscheidung zwischen Fakten und Propaganda ist auch für Beobachter vor Ort kaum möglich. Verschiedene unabhängige Berichte deuten jedoch darauf hin, dass zumindest in einigen Fällen bewaffnete Gruppen mit islamistischer Orientierung inmitten der großen Mehrheit friedlicher Demonstranten operieren und systematisch auf eine Eskalation der Gewalt hinarbeiten."

Eins ist klar: Der Waffenstillstand ist von all jenen innerhalb und außerhalb Syriens nicht gewollt, die nur das eine Ziel kennen: Den Sturz Assads, den Regimewechsel. Ihnen nutzt solch ein Ereignis wie in Hama, wenn die Meldungen dazu stimmen. Dafür nehmen sie jedes Opfer in kauf, gerade jetzt, wo die UN-Beobachter im land sind. Die Antwort auf die Frage "Cui bono?" ist auch in diesem Fall klar.
Nur zur Erinnerung: "Der Syrische Nationalrat lehnt bis heute den Plan Kofi Annans ab und strebt keinen politischen Dialog an. Offiziell begründet er diese Haltung mit seiner Abneigung gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Der von Kofi Annan vorgelegte Friedensplan indessen baut gerade auf dem Prinzip des Dialoges zwischen der syrischen Regierung und dem gesamten Spektrum der syrischen Opposition auf." (russland-heute.de/articles/2012/04/23/syrische_opposition_in_moskau_14434.html)
Dieser Beitrag von "Russland heute" ist mehrfach interessant. Und auch hier ist eine mögliche Antwort zu finden: „Das Schlimmste an allem ist, dass die Anti-Assad-Kampagne mit fast einer Milliarde Dollar unterstützt wird. Dieses Geld wird den Bürgerkrieg noch lange schwelen lassen. Die Mittel werden in die Konfrontation investiert, nicht in eine friedliche Einigung“, wird Jewgenij Satanowskij, Präsident des Instituts für den Nahen Osten in Moskau, zitiert.


Das Szenario in Syrien gleicht anderen Konflikten, Kriegen und westlichen Interventionen zur Durchsetzung eigener Interessen, siehe Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen usw. Was dabei herauskommt ist gut zu beobachten, taucht aber nur wenig in den Mainstream-Medien auf. Ich empfehle dazu mal auf Suche nach aktuellen Meldungen aus Libyen in deutschen Medien zu gehen.
Natürlich lässt sich alles auch aus mindestens einer anderen Perspektive betrachten. Aber das macht eben den Unterschied der russischen Position zu der der führenden westlichen Staaten und ihrer arabischen Partner und Vasallen aus: Russland hat im Gegensatz zu deren Forderung von Anfang an und auch davor, dass Assad gestürzt werden muss, nie gefordert, dass Assad um jeden Preis syrischer Präsident bleiben muss. Wer solches glaubt, erliegt medialen Klischees über die Rolle Russlands in dem syrischen Konflikt. ich empfehle dazu einen Beitrag von RIA Novosti vom 31. Januar: "Ist Syrien noch zu retten?" (de.rian.ru/opinion/20120131/262578062.html) Natürlich lässt sich solches schwer zur Kenntnis nehmen, wenn die Vorurteile zu fest gefügt sind. Wie in dem erwähnten Beitrag von Russland heute ersichtlich, führt die russische Regierung intensive Gespräche mit der innersyrischen Opposition, die eine ganz andere Rolle in dem Konflikt spielt als der vom Westen bezahlte und unterstützte Syrische Nationalrat, der von der innersyrischen Opposition weitgehend abgelehnt wird.
Russland hat immer betont, das es nicht um Assad geht, sondern um eine friedliche Lösung des Konfliktes und dabei unter anderem darum, die syrische Souveränität und das Völkerrecht zu beachten. Ebenso unterstützt es den Annan-Friedensplan und hat gefordert, die UN-Beobachtermission aufzustocken. Wenn solche Ziele totalitär sind, müsste tatsächlich über Definitionen gestritten werden ... Russland hat im Gegensatz zum Westen sicher keine neokolonialen Interessen und Ziele in Nordafrika und Arabien, schon allein, weil die russische Führung sehr realistisch weiß, dass es diese gar nicht durchsetzen könnte.
Ich glaube nichts, was Lawrow sein könnte. Mich interessiert nur, welche politische Position er als russischer Aussenminister vertritt und einbringt in die Versuche, den syrischen Konflikt einzudämmen und aufzulösen. Und das scheint mir bisher nicht unvernünftig. Am Ende wird Russland wahrscheinlich wieder so behandelt wie beim Kosovo-Konflikt und den Verhandlungen in Rambouillet. Dazu habe ich ja schon Sonia Mikich zitiert.
Und was die Provokationen angeht: Selbst der BND weiß um ausländische Waffenlieferungen an syrische und nach Syrien eingedrungene ausländische "Rebellen", wie MdB Wolfgang Gehrcke von der Linksfraktion am 23. März in Berlin berichtete. Wer außerdem die Meldungen über ausländische, westliche und arabische Spezialeinheiten, die wie zuvor in Libyen nun in Syrien operieren, ignoriert, hat sicher seine Gründe dafür.
Ich bin weiter dafür, dem Schwarz-Weiß der Mainstream-Medien bei der Syrienberichterstattung mindestens den Blick in andere Quellen entgegen zu setzen, so weit und so begrenzt das möglich ist. denn ich bin mir sicher: Auch in Syrien gibt es nicht das einfache Gut-Böse-Schema, aber zumindest relativ klare Interessen der verschiedenen Kräfte, die in dem Konflikt mitmischen. Die Interessen der Syrer spielen dabei nicht die Hauptrolle, wie sich allein an der Differenz zwischen der fast einer Milliarde Dollar für die Anti-Assad-Kampagne laut Jewgenij Satanowskij, und der Tatsache, dass bislang lediglich nur etwa 20 Prozent der benötigten 84 Millionen US-Dollar für die syrischen Flüchtlinge aufgebracht wurden. (www.unhcr.de/presse/nachrichten/artikel/285597b90558de4b7b0ce66c47ebe01e/syrien-konflikt-unhcr-wartet-auf-spendengelder.html?L=%25D) Das sind Fakten, die Interessen deutlich machen. Ich bestreite nicht die russischen Interessen im derzeitigen Syrien und dass Russland versucht, seinen Einfluss halten zu können. Auch deshalb finden die Gespräche mit der innersyrischen Opposition statt. Aber "neokolonial" ist etwas anderes. Wichtig ist für mich die Frage, mit welchen Mitteln die jeweiligen Interessen durchgesetzt werden.

An der Sicht, dass Provokation nur eine Frage der Definiton ist, lassen mich solche Meldungen zweifeln: "Syrian troops heavily shelled a suburb of the capital Tuesday, and satellite imagery showed that Syria has failed to withdraw all of its heavy weapons from populated areas as required by a cease-fire deal, an official said.
The shelling came hours after rebels seeking to topple President Bashar Assad killed three regime officers in separate attacks around Damascus, activists and state media said, the latest violence targeting the security forces used by the government to quash dissent.
A bomb hidden in an army truck also exploded in the capital, wounding several people." (www.globaltvbc.com/world/syrian+troops+shell+damascus+suburb+special+envoys+office+says+heavy+weapons+not+withdrawn/6442627394/story.html)


Den westlichen Staaten geht es nicht um das Ziel, dass der Annan-Plan benennt: Stabilisierung des Landes. Sie wollen das Gegenteil, damit Syrien endlich reif für die Übernahme ist.
Assad hatte es bei aller Anpassung an neoliberale Vorgaben gewagt, sich weitestgehend „jeglicher Botmäßigkeit gegenüber westlichen Staatsinteressen zu widersetzen“, wie die Nahost-Wissenschaftlerin Karin Kulow in einer Analyse schreibt.
Und so gaben die Politiker aus dem Westen von Anfang an ein Ziel aus: den Sturz Assads. Für dieses Ziel, das laut Kulow schon 1997 in dem „Project For The New American Century“ festgelegt wurde, wird nun scheinheilig geheuchelt, das syrische Volk müsse vor dem „Schlächter“ in Damaskus bewahrt werden.

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