Bitte beachten:

Mit deutsch- und volkstümelndem sowie rechtsextremem und faschistischem Gedankengut habe ich nichts am Hut und nichts zu tun!

Dienstag, 31. Januar 2012

Die Lage in Syrien spitzt sich zu ...

bzw. wird zugespitzt. Auch wenn ich mich wiederhole: Das erinnert an den Fall Libyen. Aber schon da war diese bewusst provozierte Abfolge der Ereignisse nicht neu. Ich erinnere nur an Jugoslawien 1999. Und so werden Verhandlungsangebote der Regierung an die Opposition und Vermittlungsangebote ausgeschlagen, weil Letztere Maximalforderungen stellt, die Erstere erwartungsgemäß nicht erfüllt und nicht erfüllen kann. Und so gibt es keine friedliche Lösung, weil diese nicht gewollt ist, und die Regierung wird als Schuldige hingestellt. Der Konflikt eskaliert, es gibt immer mehr Opfer, die „internationale Staatengemeinschaft“ kann nicht mehr zuschauen, der UN-Sicherheitsrat wird wieder benutzt und die militärische Eskalationsmaschine wird in Gang gesetzt, bis auch Syrien „befreit“ ist. Das erprobte Szenario läuft heiß. Es sollte mich wundern, wenn es doch noch anders käme.
Vielleicht ist das der Zeitpunkt, nochmal daran zu erinnern, wie der Konflikt geschürt wurde. Es begann schon vor Jahren, nach dem Irakkrieg, wenn nicht noch eher: "Die erste Drohung aus den USA nach dem Irak-Krieg richtet sich gegen Syrien, obwohl es nicht zu George Bushs konstruierter «Achse des Bösen» (Irak, Nordkorea und Iran) gehört. Aber Syrien ist neben dem von ihm kontrollierten Libanon der einzige verbliebene arabische «Frontstaat» zu Israel." (nachzulesen hier) Syrien geriet ins Visier und bekam zu spüren, was es heißt, den Willen der US-Regierung nicht zu erfüllen. Dafür wurde nach erprobter Manier auch Gründe für Militärschläge = Krieg konstruiert (siehe hier). Das ging über die Jahre so weiter und geriet immer wieder hart an den Rand des Krieges (siehe hier). Manches Ereignis wie die Ermordung des libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri wurde genutzt, um weiter Stimmung zu machen (siehe hier). Ich kann und will an dieser Stelle nicht die ganze Liste der Ereignisse fortsetzen. Wer sich dafür interessiert, der findet eine interessante und umfangreiche Aufstellung bei der AG Friedensforschung. Sie zeigt, dass das, was wir derzeit aus Syrien erfahren, eine Vorgeschichte hat und wer welches Interesse an den Ereignissen hat.
Ich hatte ja schon auf die "Greater Middle East Initiative" der USA hingewiesen, diesem Plan zur neokolonialen Umgestaltung Nordafrikas und des Nahen Ostens. Libyen und Syrien gehörten dabei von Anfang an zu den Ländern, die nach westlichen Vorstellungen umzubauen waren. Natürlich ist auch der Iran unter den Zielen. Seymour Hersh beschrieb im März 2007, wie die US-Regierung sich den Umbau vorstellt, auch mit Hilfe islamistischer Gruppen, die durchaus in die Rubrik Terroristen gehören: " The U.S. has also taken part in clandestine operations aimed at Iran and its ally Syria." Michel Chossudovsky brachte weitere Hinweise dazu. Der von Hersh erwähnte saudiarabische Prinz Bandar bin Sultan, früherer Botschafter in den USA, wird auch von anderen Quellen als aktiver Teilnehmer einer Verschwörung gegen Syrien benannt. Der darin beschriebene Fahrplan zum Sturz von Präsident Bashar al-Assad scheint Schritt für Schritt umgesetzt zu werden.
Dazu gehört auch der Einsatz ausländischer Söldner in Syrien sowie der bewährte Einsatz islamistischer Extremisten. Auch darauf habe ich schon mehrmals hingewiesen. Chossudovsky beschrieb im Mai 2011, wie die Proteste in Syrien ähnlich wie in Libyen genutzt wurden, um den schon erwähnten Fahrplan umzusetzen und das Land reif zu machen für das westliche Eingreifen, in welcher Form auch immer. Im September zeigte er auf, wie die EU und die NATO gemeinsam "die Messer wetzen" gegen Syrien. Auch die mögliche militärische Eskalation, die nun in Gang zu kommen scheint, beschrieb der kanadische Wissenschaftler.
Im August sinnierte die Redaktion der Zeitschrift Zenith, ob Syrien das neue Libyen wird und zitierte den ex-CIA-Mitarbeiter Bruce Riedel, der meinte, "dass die syrische Armee eine Nummer zu groß für die Nato sei: »Das wäre ein Desaster, das den Irak weit übertreffen würde.«". Warten wir es ab. Etwas anders bleibt uns sowieso nicht, selbst wenn wir Friedensappelle unterstützen. Die Opfer dieses von außen geschürten Konfliktes in Syrien interessieren diejenigen Politiker, die öffentlich und vor TV-Kameras die größten Krokodilstränen um sie weinen, nicht wirklich. Sie brauchen sie nur dafür, um endlich mit allen Mitteln dieses Land wie zuvor Libyen wieder unter Kontrolle zu bringen, bevor sie sich dann dem Iran zuwenden. Wäre dann noch die Vermutung, dass das westliche Vorgehen gegen Libyen, Syrien, Iran und anderswo in Nordafrika und in Arabien im weiteren gegen Russland und China zielt. Fakt ist, dass es um die Menschen in Syrien und ihre Interessen und Rechte zu allerletzt geht. Dass das so ist, hat sich zuvor schon in Libyen gezeigt. Eugen Weinberg, leitender Rohstoffanalyst der Commerzbank, erwartete in der FAZ am 23. August 2011 freudig die Wiederaufnahme der libyschen Ölproduktion und die so möglichen Gewinne. "Im Irak habe sich gezeigt, dass dafür nicht einmal politisch stabile Verhältnisse vonnöten seien", zitierte ihn die FAZ. So erweist sich selbst die Hoffnung, dass wenigstens für die Bürger der arabischen Staaten Demokratie als "Abfallprodukt" des westlichen Neokolonialismus herauskommt, als trügerisch. Dazu empfehle ich zum Abschluss einen interessanten Text des Politikwissenschaftlers Professor Werner Ruf.

Montag, 30. Januar 2012

Syrien: Kein Grund zur Freude ...

ist es für mich, dass nun auch bei Spiegel online angekommen ist, dass in Syrien ein Bürgerkrieg tobt und dass die bewaffneten Aufständischen keine Menschenrechtsaktivisten sind: "Auch die Freie Syrische Armee tötet ungehemmt." Irgendwann wird auch beim ach so investigativen Nachrichtenmagazin zu lesen sein, wer diese Mörder bewaffnet und ausgebildet hat. Bei anderen Quellen war das ja schon zu lesen, worauf ich hingewiesen habe. Ich gebe zu, dass ich mir auch diesmal wie schon beim Fall Libyen wünschte, ich hätte mich geirrt.
Diese Quellen, die darauf hinweisen, woher die Bewaffneten kommen und wer sie ausrüstet und ausbildet, seien hier nochmal zitiert, damit die Fakten nicht untergehen:

(14.12.2011) Die junge Welt berichtete am Montag Folgendes: "Die libanesische Zeitung Al-Binaa berichtete am Wochenende, französische und britische Militärexperten würden im Libanon Kämpfer auf den Einsatz in Syrien vorbereiten. Ein Filmteam der britischen BBC hatte kürzlich eine solche Gruppe vom Libanon bis nach Homs begleitet. In der Freitagausgabe der türkischen Zeitung Milliyet hieß es, US- und NATO-Militärexperten würden syrische Deserteure in der Türkei ausbilden. Die Zeitung zitierte eine frühere FBI-Mitarbeiterin mit der Aussage, daß die Ausbildung bereits im Mai angefangen habe. Waffen für die Aufständischen würden über den NATO-Stützpunkt Incirlik geschmuggelt." Das ist auch nicht wirklich neu ...
Eine Bestätigung ist auf der Homepage von Sibel Edmonds, der frühren FBI-Mitarbeiterin, zu finden: "The joint US-NATO secret training camp in the US air force base in Incirlik, Turkey, began operations in April- May 2011 to organize and expand the dissident base in Syria. Since then, in addition to Col. Riad al-Assad, several other high-ranking Syrian military and intelligence officials have been added to operations’ headquarters in the US base. Weekly weapons smuggling operations have been carried out with full NATO-US participation since last May."

(6.12.2011) ... "Katar soll heimlich "Freie syrische Armee" bewaffnen" Na wer sagt's denn, die Kataris haben auch schon in Libyen (nach)geholfen und haben den Job für die Briten, Franzosen und die USA übernommen, damit die sich nicht die Hände schmutzig machen. Die Scheichs von Katar, die Hüter der Menschenrechte der Araber müssen dabei nichts befürchten: "For starters, Qatar's security is guaranteed by the United States via the huge Al Udeid U.S. Air Force base, which has the longest runway in the Middle East, and Camp As Sayliyah, which is the U.S. military's largest pre-positioning base outside of the continental United States."
Im Text zur Intervention Katars in Libyen ist auch zu erfahren, warum das Scheichtum sich nun auch in Syrien einmischt: "If the Qatari elite had the ability and opportunity, they would likely choose to intervene to stop Syrian President Bashar al-Assad's brutal crackdown against dissent, if for humanitarian reasons alone. Moreover, as a Sunni state wary of the expansion of Shia power throughout the region, Qatar would snatch the opportunity to turn Syria away from its current orientation toward Iran." ...

(2.12.2011) ... "Syrien: Libysche Freiwllige helfen beim Regime-Sturz". Oder diese: "Großbritannien führt bereits offizielle Gespräche mit syrischen Oppositionellen, die zur baldigen Anerkennung einer Exilregierung führen könnten."

(26.11.2011) ... Berliner Zeitung an diesem Wochenende mit einem Beitrag von Jürgen Todenhöfer zu Syrien. Interessant ist unter anderem diese Passage in dem Text: "Die bewaffneten Aufständischen operierten im Stil von Guerilla-Kommandos, sagen unsere Gesprächspartner. Sie töteten nicht nur Soldaten und Polizisten, sondern gezielt auch Zivilisten. Es sind vor allem Alawiten. Aber auch Christen. Fast jeder in Homs kenne derartige Fälle. Die Behauptung, sie schützten Demonstranten, sei ein Vorwand. Ihr Ziel sei die Eskalation des Konflikts, das Chaos. Niemand wisse genau, von wem sie gesteuert werden."

Nachtrag vom 27.11.11: Es gibt einen Hinweis, woher die bewaffneten Aufständischen kommen, die laut Todenhöfer von der syrischen Opposition nicht gewollt sind: "USA schickten Terroristen nach Syrien", meldet die Agentur IRIB.
Das könnte mit ein Grund dafür sein, dass die westlichen Staaten, die an Assads Sturz arbeiten, keine eigenen Soldaten in den Krieg schicken, weil das nicht nötig ist. Und bevor sie das im Vergleich zu Libyen schwierigere Terrain Syriens bombardieren, werden sie wahrscheinlich mehr investieren in die Bewaffneten, die sich als Rebellen verkleiden und für sie wie in Libyen die Drecksarbeit am Boden erledigen.
Es ist nur ein Auswahl. Diese Informationen sind nicht erst seit heute verfügbar und belegen, dass die Vorgänge in Syrien alles andere als nur ein innerer Konflikt sind. Gerhard Wisnewski hat in seinem diskussionswürdigen, aber nichtsdestotrotz interessanten Jahrbuch über Verheimlichtes, Vertuschtes & Vergessenes, Ausgabe 2012, im Zusammenhang mit Libyen an die 2004 von George W. Bush präsentierte "Greater Middle East Initiative" der USA erinnert : "Der Plan beinhaltet eine komplette Neuordnung und Zusammenfassung der nordafrikanischen Maghreb-Staaten, des Horns von Afrika, der Arabischen Halbinsel sowie der Türkei und Irans zu einem 'Größeren Nahen Osten'. Dazu gehört eine 'demokratische Umgestaltung' ebenso wie eine 'ökonomische und soziale Umgestaltung'." (siehe auch hier) "Was so gut klingt, soll jedoch nicht in erster Linie den dort beheimateten Menschen nutzen, sondern sich nach den Anforderungen der USA und der westlichen Staaten richten. Und von Selbstbestimmung oder Souveränität ist dabei schon gar nicht die Rede", stellt Wisnewski fest (s. 110 ff.).
Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch noch mal daran (28.11.2011):  ... zwei Nachrichten aus den letzten Jahren ...: 11.4.2003: "US-General schließt Angriff auf Syrien nicht aus"
Ex-NATO-General Wesley Clark im Jahr 2007 in einem Gespräch mit Democracy Now: "... Well, starting with Iraq, then Syria and Lebanon, then Libya, then Somalia and Sudan, and back to Iran."  Nur die Reihenfolge scheint ein wenig anders zu sein, weil sich nicht alle Faktoren in den Ländern beeinflussen lassen. Es gibt auch einen aktuellen Text dazu von dem Blogger Glenn Greenwald: "Wes Clark and the neocon dream"

Sonntag, 29. Januar 2012

Krieg gegen Syrien noch nicht beendet

Es scheint ruhiger geworden zu sein um Syrien, zumindest landen die Vorgänge in dem Land nicht mehr täglich auf den vorderen Plätzen der Nachrichten. Das schläfert etwas die Aufmerksamkeit für das ein, was da vorgeht. Das dürfte auch diejenigen bewegen, die mit allen Mitteln Syriens Präsident Bashar al-Assad stürzen wollen. Und so gab es vor ein paar Tagen wieder einmal Berichte von sogenannten Menschenrechtlern über Massaker, die nur von den Regierungstruppen und anderen Sicherheitskräften begangen werden konnten. Ein Bericht von Karin Leukefeld in der jungen Welt deutet daraufhin, dass die Lage nicht so eindeutig ist, wie es manche gern hätten. Danach kam es zu Kämpfen zwischen Armeeeinheiten und bewaffneten "Rebellen" in Homs und anderswo, nachdem sich Erstere zurückzogen und die Anderen das ausnutzten. Inzwischen hat auch die Arabische Liga, dieser Hort der Menschenrechte und Demokratie in der arabischen Welt, mit Syrien gebrochen, wie Spiegel online berichtete. Die Mission der Liga wird für gescheitert erklärt und statt sich die Gründe dafür genauer anzuschauen, wird nun eine UN-Resolution gefordert, ganz nach dem libyschen Modell.

Was in und um Syrien abläuft, erinnert immer wieder an den Ablauf des Krieges gegen Libyen. Auf die Ähnlichkeiten weisen auch Meldungen hin, dass westliche Staaten über eine Flugverbotszone in Syrien nachdenken, und dass die NATO betont, sie hätte keine militärischen Pläne gegen Syrien. Das wurde auch im Fall Libyen behauptet, kurz bevor die ersten NATO-Bomben fielen.

Massakerberichte dürften zu den Versuchen gehören, die westliche Aufmerksamkeit hoch zu halten. Der Wahrheitsgehalt solcher Meldungen ist weiter nicht überprüfbar. Aber das Ende des verdeckten und zum Teil offenen Krieges ist noch nicht in Sicht. Schwer vorstellbar, das Präsident Assad tatsächlich eine Chance bekommt bzw. hat. Das Ziel, ihn zu stürzen, wird sicher nicht aufgegeben. Zum Ende des Jahres 2011 bezeichnete Werner Pirker in der jungen Welt die Mission der arabischen Liga in Syrien als "Mission impossible". Ein Erfolg sei gar nicht gewollt, so Pirker. Er hat Recht behalten.

Absurd ist das Theater um den Aufruf "Solidarität mit den Völkern Irans und Syriens!". Absurd auch, dass Politiker der Linken betonen, dass sie nur die Völker dieser Länder unterstützen, aber natürlich gegen deren Regierenden und Herrschenden seien, weil das ja Diktatoren sind. Soviel Gruß an die hingehaltenen Gessler-Hüte muss schon sein ... Inzwischen gibt es ja noch eine andere Solidaritätsbewegung, die die syrischen Oppositionellen unterstützen will, weil die ja nur für Freiheit und Menschenrechte kämpfen. Joachim Guillard belegt ausführlich, warum diese "Revolutionspatenschaften" eine fragwürdige Solidarität bedeuten und einseitige Stimmungsmache darstellen.

Jürgen Todenhöfer hat Anfang dieses Jahres im Magazin der Süddeutschen ein weiteres Mal darauf aufmerksam gemacht, dass er, der in Syrien war, über die Ereignisse dort so viele Falschmeldungen westlicher Medien hörte, "dass ich ein Buch darüber schreiben könnte". Vor ein paar Tagen hat Todenhöfer dem Tagesspiegel in Bezug auf Syrien erklärt: "Die westliche Berichterstattung ist von den Realitäten weit entfernt." Und: "Al Jazeera und Al Arabiya produzieren kampagnenartig Meldungen, immer aus Sicht der Opposition. Und der Westen plappert alles nach." Interessant ist auch, was Schweizer Pilger dem Tagesanzeiger berichteten, nachdem sie ungehindert durch Syrien wanderten: "Man muss näher hinschauen, als wir das im Westen derzeit tun und tun können,"
Doch auch das ist gar nicht gewollt, weil es jenen, die von innen und außen den Bürgerkrieg in Syrien angezettelt haben, nur im Wege stehen würde.

Nachtrag: Karin Leukefeld gehört zu den wenigen westlichen Journalisten, die versuchen, sich vor Ort ein Bild von der Lage in Syrien zu machen. Im Neuen Deutschland vom 30. Januar berichtet sie aus Homs.

Samstag, 28. Januar 2012

Fundstück Nr. 5 zum Thema Krieg

"Wir leben und handeln in lokalen und partikularen Zusammenhängen, und uns bleibt gar nichts anderes übrig, als Kenntnisse über die Welt von innen heraus zu erwerben. Aber wenn das Partikulare überhandnimmt, wenn man es versäumt, die Welt auch von außen in Augenschein zu nehmen, macht man sich einer Ignoranz schuldig, die genauso gefährlich sein kann wie die Unkenntnis lokaler Gesetzmäßigkeiten. Hat es Sinn, die Geschichte einiger weniger Staaten zu kennen und nichts über die Ursprünge des Staates überhaupt zu wissen? Dürfen wir über die Kriege in ein paar Ländern Bescheid wissen und gleichzeitig keine Ahnung haben vom Phänomen des Krieges selbst?"

Quelle: Marvin Harris „Menschen. Wie wir wurden, was wir sind“ Stuttgart 1991 (original USA 1989) S. 10

Freitag, 27. Januar 2012

Fundstück zum Thema Demokratie

... das gleichzeitig zu den Themen Elite, Medien, Verschwörungstheorien, Propaganda und manch anderen passt:

"Die bewusste und zielgerichtete Manipulation der Verhaltensweisen und Einstellungen der Massen ist ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften. Organisationen, die im Verborgenen arbeiten, lenken die gesellschaftlichen Abläufe. Sie sind die eigentlichen Regierungen in unserem Land.
Wir werden von Personen regiert, deren Namen wir noch nie gehört haben. Sie beeinflussen unsere Meinungen, unseren Geschmack, unsere Gedanken. Doch das ist nicht überraschend, dieser Zustand ist nur eine logische Folge der Struktur unserer Demokratie: Wenn viele Menschen möglichst reibungslos in einer Gesellschaft zusammenleben sollen, sind Steuerungsprozesse dieser Art unumgänglich.
Die unsichtbaren Herrscher kennen sich auch untereinander meist nicht mit Namen. Die Mitglieder des Schattenkabinetts regieren uns dank ihrer angeborenen Führungsqualitäten, ihrer Fähigkeit, der Gesellschaft dringend benötigte Impulse zu geben, und aufgrund der Schlüsselpositionen, die sie in der Gesellschaft einnehmen. Ob es uns gefällt oder nicht, Tatsache ist, dass wir in fast allen Aspekten des täglichen Lebens, ob in Wirtschaft oder Politik, unserem Sozialverhalten oder unseren ethischen Einstellungen, von einer ... relativ kleinen Gruppe Menschen abhängig sind, die die mentalen Abläufe und gesellschaftlichen Dynamiken von Massen verstehen. Sie steuern die öffentliche Meinung, stärken alte gesellschaftliche Kräfte und bedenken neue Wege, um die Welt zusammenzuhalten und zu führen.
..."

Das hat Edward Bernays, Neffe von Sigmund Freud, 1928 in seinem Buch "Propaganda - Die Kunst der Public Relations" geschrieben. Bernays hat u.a. für US-Regierungen, Tabakkonzerne und soziale Bewegungen und Organisationen gearbeitet.

Quelle: Edward Bernays: "Propaganda - Die Kunst der Public Relations", 1928, deutsche Ausgabe 2007/2009, Verlag orange press, S. 19

Donnerstag, 26. Januar 2012

Fundstück zum Thema Krieg & Frieden

Zitate zu Krieg & Frieden
Gefunden in der Ausgabe 1/2009 der Zeitschift Icarus:

Aphorismen
Da Kriege in den Köpfen der Menschen beginnen, ist es notwendig, in den Köpfen der Menschen Vorsorge für den Frieden zu treffen.
(Aus der Präambel der UNESCO-Verfassung vom 16. November 1945)

Jeder kommende Krieg ist zugleich ein Sklavenaufstand der Technik.
(Walter Benjamin: Theorien des deutschen Faschismus, in: Lesezeichen. Schriften zur deutschsprachigen Literatur, Leipzig 1970, S. 239)

Der Krieg ist von Raubtieren in Menschengestalt hervorgebracht, die sich in ihrem gierigen Hunger nach Profit an einer Mauer den Kopf eingerannt haben und nun Dynamit unter die Mauer legen, um sie wegzusprengen.
(Martin Andersen Nexö: Morten der Rote, Berlin 1949, S. 186)

Der Krieg ist ein Patent der bürgerlichen Gesellschaft und wird als solches gesetzlich geschützt.
(Johannes R. Becher: Dichter, lüge!, in: Publizistik I. 1912-1938, Berlin und Weimar 1977, S. 135)

Krieg ist nichts als Drückebergerei vor den Aufgaben des Friedens.
(Thomas Mann: Vom kommenden Sieg der Demokratie, in: Zeit und Werk. Tagebücher, Reden und Schriften zum Zeitgeschehen, Berlin 1955, S. 818)

Wer ein Dummkopf ist, dem schadet die internationale Kriegsberedsamkeit nichts. Wer ein halbwegs normal arbeitendes Gehirn hat, krümmt sich unter ihr in Schmerzen.
(Alfred Polgar: Krieg als Erzieher, in: Die lila Wiese, Berlin 1977, S. 9)

Eine gleißende Lüge setzt sich ohne Mühe durch. Sie ist ein allein stehender Gedanke, kunstvoll zurechtgelegt, geschickt übertrieben, gerade dadurch bestechend und stets dem niedrigsten geistigen Niveau angepasst.
(Melchior Grimm: Über die Macht der öffentlichen Meinung, in: Paris zündet die Lichter an. Literarische Korrespondenz, Leipzig 1977, S. 364)

Diese Aphorismen wurden ausgewählt von Helga Hörning

Die Angst des Adels vor der Revolution

Erstaunliches durfte ich gestern vernehmen, als ich seit langem Mal wieder etwas tat, was ich mir aus verschiedenen Gründen lange verkniff:
Ich habe bei "Anne Will" reingeschaut. Das geschah nur kurz, aber wahrscheinlich genau deshalb musste ich etwas hören und sehen, was mich seitdem beschäftigt: Da erklärte doch tatsächlich der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker, dass Friedrich II. mit seinem Hobby Aufklärung den Deutschen ein Ereignis wie die Französische Revolution erspart habe und dass er das gut fände. Denn bei der Revolution seien ja so viele Menschen umgebracht worden und das hätte den Franzosen ja dann auch Napoleon I. eingebracht. Weizsäcker meinte noch, er verstehe gar nicht, was die Franzosen an Napoleon I. fänden. (Eine Zusammenfassung ist im FAZ-Feuilleton zu finden.)
Ich rekapituliere: Der ehemalige Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland ist froh, dass in der deutschen Geschichte kein Ereignis wie die Französische Revolution 1789 geschah und das Dank des Wirkens des feudalen Herrschers Friedrich II. Der frühere höchste Repräsentant dieser Republik, die eine bürgerliche ist und sich auf die Grundprinzipien von Freiheit und Demokratie beruft und darauf begründet ist, freut sich, dass eines der Ereignisse, das u.a. mit der Losung "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" Grundlagen für die moderne Demokratie legte, nicht in Deutschland stattfand. Und das, weil Friedrich I. sich als Hobbyphilosoph mit der Aufklärung beschäftigte und entsprechende Denker zu sich einlud.
Ich dachte, ich höre nicht richtig. Der gegenwärtige Rummel um den einstigen Preussenkönig Freidrich II. ist mir schon unerträglich. Die NachDenkSeiten haben dankenswerterweise kürzlich an einen Text von Franz Mehring zum Thema erinnert, dem eigentlich nichts hinzuzufügen ist: "In allen Zweigen seiner Herrschertätigkeit hat er – mit einziger Ausnahme der Rechtspflege, wo er einige Anläufe zu Reformen machte, um schließlich doch wieder in der launenhaftesten Kabinettsjustiz zu versumpfen – durchaus auf der historisch rückständigen Seite gestanden, und wer seine Geschichte irgendwie kennt, wird es nur als beißenden Hohn empfinden, wenn er als Muster eines aufgeklärten Despoten gefeiert wird.
Nichts hat ihm mehr am Herzen gelegen, als den feudal-mittelalterlichen Kastenstaat mit den drei erblich geschiedenen Ständen der Junker, der Bauern und der Bürger aurechtzuerhalten. ..."

Mit dem Wissen, dass es keine einfachen linearen Geschichtslinien gibt, sei aber dennoch auch darauf hingewiesen, dass das, wofür der "alte Fritz" stand, zu dem historischen Nährboden gehört, der den deutschen Faschismus hervorbrachte. Der preussische und sonstige deutsche Adel war einer der Stützen, auch geistig, des deutschen Faschismus, bei allen lobenswerten Ausnahmen. Das spielte aber in dem kurzen Ausschnitt, den ich sah, keine Rolle, auch nicht im Kommentar von Gregor Gysi, der zu Weizsäckers Äußerungen nur sagte, dass die deutsche Geschichte anders verlaufen wäre, hätte es ein ähnliches deutsches Ereignis wie die Französische Revolution gegeben.
Natürlich ist es kein Wunder, dass ein Adelsspross wie der ehemalige Bundespräsident die Revolution fürchtet wie der Teufel das Weihwasser. Aber was er da als früherer Repräsentant des deutschen Staates sagte, der nach dem unheilvollsten Kapitel der deutschen Geschichte die Demokratie und andere Errungenschaften in Folge der Französischen Revolution zu seinen Fundamenten zählt, von sich gab, hat mir gezeigt, wie die hierzulande Herrschenden wirklich denken, wessen Geistes Kind sie sind und was sie von dem halten, was sie immer wieder in Sonntagsreden von sich geben.
Weizsäckers Freude über das Ausbleiben einer Deutschen Revolution erinnert mich an eine Aussage eines anderen deutschen Politikers: "Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben." Walter Ulbricht kam aus einer ganz anderen politischen Richtung und gern wird mit Hilfe dieses Zitates gezeigt, wie böse die deutschen Kommunisten in der DDR waren und an sich sind. Am Ende zeigt sich, dass die Herrschenden alle gleich sind, wenn es um ihre Macht geht. Es bleibt nur die Frage: Cui bono?

Mittwoch, 4. Januar 2012

Fundstück 2 zur Wirtschaftskrise

„Der Wachstumsbeitrag … des privaten Verbrauchs lag zwischen 1996 und 2001 in den USA bei 2,9, in Großbritannien bei 2,6 und in Frankreich noch bei 1,1 Prozent. In Deutschland betrug er nur 0,9 Prozent, was nur noch von Japan mit 0,5 unterboten wurde.
Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte stieg zwischen 1996 und 2000 in den USA jährlich um 3,4 Prozent, in Großbritannien um 2,8 Prozent, in Frankreich um 2,1 Prozent und in Deutschland um 1,3 Prozent. Auch hier war nur Japan schlechter mit 0,7 Prozent. …
Gerade in dem betrachteten Zeitraum, …, sind in Deutschland und Japan die Löhne pro Kopf langsamer gestiegen als in den anderen Ländern, gleichzeitig hat aber auch die Beschäftigung weniger zugenommen. ...
In den 60er Jahren durften die Löhne hierzulande noch mit 8 bis 10 Prozent jährlich steigen, ohne dass die Welt unterging. In den 80er Jahren waren es immerhin noch gut 4 bis 5 Prozent, und das galt genau bis 1996 auch weiter für Westdeutschland. Ab dann einigte man sich im Bündnis für Arbeit darauf, den Gürtel gründlich enger zu schnallen, und halbierte die nominalen Lohnzuwächse. Die Folge war, dass an zusätzlicher Kaufkraft praktisch nichts mehr übrig blieb. Bei stagnierenden Reallöhnen stagnierte aber auch der inländische Absatz der Unternehmen, die daraufhin auch keine Leute einstellten.“
Heiner Flassbeck, Heiner: „50 einfache Dinge, die Sie über unsere Wirtschaft wissen sollten“, München, 2008, S. 20f.

Fundstück zum Thema Wirtschaftskrise

„Die Erhöhung der Staatsverschuldung ist zwar geeignet, Produktion und Konsumtion auch ohne Inflation auszugleichen, führt aber zu einer Einkommensumverteilung zugunsten der oberen Einkommensschichten, die die Masse der staatlichen Schuldpapiere zeichnen. Man kann deshalb die hohe Staatsverschuldung als Unfähigkeit der … Regierungen interpretieren, sich die Finanzmittel definitiv dort zu holen, wo sie sowieso nicht produktiv investiert wurden, nämlich bei den ‚abhängig Beschäftigten‘ mit hohen Einkommen, die keineswegs Risikokapital bilden, sondern Koupons schneiden wollen. ...
Alle westlichen Industrieländer versuchen durch Begrenzung der Reallöhne ihre Wirtschaften wieder anzukurbeln, wobei sie hoffen, Nachfrageimpulse durch Überschüsse im Außenhandel zu erreichen.
Ein solcher Wettlauf um möglichst niedrige Stückkosten hat die gleichen Folgen, wie wenn im Fußballstadion alle den Versuch machten, ihre Sicht durch Mitbringen einer Kiste zu verbessern, auf die sie sich stellen. Alle sehen wiederum gleich gut oder gleich schlecht wie ohne Kiste. … Eine parallele Begrenzung der Endnachfrage und damit ein Wettlauf in die Rezession ist die Folge. Außenhandelsüberschüsse des einen Landes sind aber immer Außenhandelsdefizite anderer Länder. Jeder versucht zusätzliche Nachfrageimpulse zu erhalten, indem er seine Binnennachfrage drosselt. ..."
Elsenhans, Hartmut: „Monetaristische Politik in den Industrieländern: Der beste Weg zur Zerstörung einer liberalen Weltwirtschaft“; in: Birk, Michael; Eggerstedt, Harald; Tegtmeier, Andre P.: „Politik gegen die Krise. Beiträge zu einer alternativen Wirtschaftspolitik“, Marburg, 1985, S. 62ff.